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FULDA Was heißt eigentlich Eifersucht?

Gebärdensprache lernen: schwierig, aber lohnenswert und spannend

23.11.16 - Werner Althaus kneift sich in die Wange und formt dann mit den Händen ein Dach. Das ist die Gebärde für seinen Nachnamen, denn die Falte symbolisiert "alt" - das Zeichen für Haus versteht jedes Kind. Doch so leicht wie in diesem Fall lässt sich nicht jede Geste deuten, die Gehörlose nutzen, um sich zu verständigen. Namen werden in der Regel "gefingert", also mit dem Fingeralphabet buchstabiert.

Lisa-Marie Fladung kann das Gedicht auswendig

Die Gebärdensprache, die Werner Althaus für seine Arbeit als Berater für Gehörlose, Hörgeschädigte und deren Angehörige bei der Caritas Fulda braucht, unterrichtet er auch in Kursen an der Kreisvolkshochschule. "Gelernt habe ich das schon vor fast 30 Jahren. Ich bin aber kein staatlich geprüfter Gebärdendolmetscher", betont er. Er nutzt diese Art der Kommunikation täglich im Beratungszusammenhang und auch jeden Mittwoch beim Offenen Treff für Gehörlose bei der Caritas. Auch im Gespräch mit "Vollsinnigen" gestikuliert der 58-jährige Familienvater deutlich mehr als andere Menschen.

Dieses Gedicht galt es zu gebärden

Diensttagabends gestikulieren die elf VHS-Kursteilnehmerinnen nach seinem Vorbild schon ganz erstaunlich sicher. Das ist heute die vorletzte Stunde und es gab als Hausaufgabe, ein Gedicht auswendig vorzutragen. Es handelt von der Gebärdensprache und dem Licht, das sie ins Dunkel bringt. Wenn man als Uneingeweihter zuschaut, kann man zwar einzelne Handbewegungen - wie das Licht zum Beispiel - identifizieren. Aber es geht so schnell, dass man eigentlich nur Bahnhof versteht. Warum nimmt man die Mühe auf sich, in seiner Freizeit diese wirklich fremde Fremdsprache zu lernen? Lioba Lachnit sagt, sie sei schon als Kind von dieser Form der Kommunikation fasziniert gewesen. Jetzt plant sie sogar ein Lehramtsstudium in diesem Bereich. Lisa-Marie Fladung ist Sprachtherapeutin und betreut zur Zeit eine Patientin, mit der sie sich in Gebärdensprache austauscht. Motiviert sind offenbar alle. Das Niveau ist erstaunlich hoch für die Kürze der Unterrichtsdauer, es wird aber auch viel gelacht in diesem gestenreichen Kurs. 

Doch Rückschläge und Missverständnisse können wie bei jedem Sprachenlernen nicht ausbleiben. "Redewendungen und Metaphern funktionieren hier nicht", weiß Werner Althaus, "die nehmen Gehörlose einfach ganz wörtlich". Und der Fundus an Gebärden ist keineswegs allgemeiner Standard bei allen Gebärdenden. So fehlte in seinem Lexikon der Begriff Eifersucht, den er deshalb kurzerhand erfunden hat: man beißt sich dafür in den gekrümmten Zeigefinger. "Es tut halt richtig weh!", erklärt er den Zusammenhang.

Missverständnis Geschlechtsverkehr

Auch er hat vor Gericht schonmal ein Desaster erlebt, als er in einem Vaterschaftsprozess zwischen Richter und Angeklagtem vermitteln sollte. "Der Richter wollte wissen, wann der das letzte mal Geschlechtsverkehr gehabt hatte - und ich habe die entsprechende Gebärde (siehe Foto) dafür genutzt. Doch im Gesicht des Mannes war deutlich zu sehen, dass er keine Ahnung hatte, was ich da zeigte, weil er diese - quasi behördliche - Gebärde offenbar noch nie gesehen hatte. Da hab ich dann zu drastischeren Gesten gegriffen - sehr zum Amüsement der Anwesenden - und ich wurde endlich verstanden", sagt der Dozent.

Hier wird applaudiert

Die gefalteten Hände für "Amerika" zeigen - entfernt - ein Blockhausdach ...copyright www.Aridne.de

Fühlen, empfinden copyright www.Aridne.de

Viele Gebärden sind sehr bildhaft: die Oma wird mit einem Dutt auf dem Kopf gezeigt, die Tante dagegen mit dem Auftragen von Nagellack - sicher nicht für alle Tanten repräsentativ. Die Geste für Amerika zeigt verschränkte Finger (siehe Abbildung), aber warum nur? Althaus lässt uns raten, aber die Erklärung liegt wirklich nicht sehr nah: entfernt erinnert das an eine Blockhausdachecke.

Schimpfen kann man, lügen nur sehr schwer

Geschlechtsverkehr copyright www.Aridne.de

Niedlich. die Gebärde für "Oma" symbolisiert einen Dutt auf dem Kopf copyright www.Aridne.de

Werner Althaus hat seine Schülerinnen schon weit nach vorn gebracht

Eines der schlimmeren Schimpfworte wird mit gestrecktem Zeigefinger in den Hals gepiekt. Das bedeutet "dummes Schwein". Knapp und sehr direkt geht es zu beim Gebärden. Was eigentlich nur sehr eingeschränkt funktioniert, ist lügen oder sich verstellen in Gebärdensprache, erklärt Althaus. Kein wirkliches Manko dieser facettenreichen und wichtigen Verständigungsmethode. (Carla Ihle-Becker) +++


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