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Nach 70 Jahren: Gedenktafel zu Vertriebenentransporten am Gleis 1 enthüllt
10.12.16 - "Vielen der heute Anwesenden wird das Geschehen vor 70 Jahren noch vor Augen sein, aber mit dieser Gedenktafel soll auch bei anderen und vor allem bei den Jüngeren das Bewusstsein gestärkt werden. Die Ereignisse in der Nachkriegszeit dürfen nicht in Vergessenheit geraten - wir wollen hiermit erinnern", mit diesen Worten begrüßt Oberbürgemeister Dr. Heiko Wingenfeld am Freitagnachmittag alle Gäste im Fuldaer Bahnhof. Der Anlass des Treffens war die Enthüllung der bronzenen Gedenktafel zu den Vertriebenentransporten im Jahr 1946, die nun am Gleis 1 zu finden ist.
"Ich freue mich, dass heute so viele zur Enthüllung gekommen sind, darunter auch einige Heimatvertriebene. Es fällt schwer - wenn man heute hier an dem belebten Gleis steht - sich vorzustellen, wie die Situation vor 70 Jahren aussah. 1946 kamen zwischen 40 und 49 Züge, genauer gesagt Viehwaggons, mit jeweils rund 1.200 Menschen - die meisten aus dem Sudetenland - hier in Fulda an. Eine genaue Anzahl ist noch nicht erforscht, eine weitere wissenschaftliche Aufarbeitung ist hier also noch notwendig", erklärt Wingenfeld. Zeitzeugen berichteten, dass die einheimischen Menschen vorher nicht wussten, wann ein solcher Zug ankommen würde.
"Wir sollten uns alle ermutigen, für den Frieden und die Freiheit einzutreten und das Gedenken zu bewahren. Erinnern ist da die wichtigste Voraussetzung für diese beiden Werte. An dieser Stelle möchte ich allen danken, die an der Planung und Umsetzung der Gedenktafel beteiligt waren", betont der Oberbürgermeister. Die Platzierung am Fuldaer Bahnhof sei bei manchen umstritten gewesen, jedoch sei in dieser schnelllebigen Zeit das Gleis 1, an dem damals wahrscheinlich die Vertriebenentransporte ankamen, der richtige Ort, so Wingenfeld abschließend. Dem stimmte auch die Initiatorin Margarete Ziegler-Raschdorf (CDU), Landesbeauftragte der Hessischen Landesregierung für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, zu.
Die bronzene Gedenktafel stammt vom Bildhauer Lutz Lesch aus Schwalmstadt und wurde in Liberec/Tschechien gegossen. "Die Tafel ist sehr gelungen und den Ort hier am Bahnhof halte ich ebenso für sinnvoll", erläutert Ziegler-Raschdorf. Vor 70 Jahren seien rund 60.000 Heimatvertriebene am Bahnhof in Fulda angekommen. Insgesamt seien nach dem Zweiten Weltkrieg 13 Millionen Vertriebene nach Deutschland gekommen, zwei Millionen seien auf ihrer Flucht verstorben. "Es waren in 1946 ungefähr 49 Züge, die hier eintrafen - davon sind rund 15.000 Menschen aus 13 Zügen in der Region Fulda geblieben. Aber nicht nur mit dem Zug, sondern auch zu Fuß flohen viele Menschen: Insgesamt sind 34.000 vertriebene Menschen nach Fulda gekommen. Man kann sagen, dass ein Drittel aller Hessen Spätaussiedler sind oder einen Vertreibungshintergrund haben", berichtet die Beauftragte für Heimatvertriebene und Spätaussiedler und führt weiter an: "Eine Menschenrechtlerin hat einmal von dem elften Gebot 'Du sollst dich erinnern' gesprochen, dem stimme ich zu".
Nach dem "Vater Unser", richtete auch Rudolf Bauer vom Bund der Vertriebenen (BDV) ein paar Worte an die anwesenden Gäste: "ich freue mich heute mit Ihnen hier diese Tafel zu enthüllen. Alle Transporte sind im Text auf der Tafel dokumentiert". Die Deutsche Bahn unterstützt das Vorhaben ebenfalls: "Wir haben das Projekt gerne mitgetragen und ich glaube, das wird gerade am Gleis 1 viele junge Menschen erreichen. Denn genau hier warten täglich zahlreiche Schulkinder auf ihren Zug", sagt Bahnhofsmanager Leif Niklas Wulf, bevor dann die Gedenktafel feierlich enthüllt wurde. (Nina Sauer) +++