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15.09.08 - IM WORTLAUT

"Mogelpaket Friedwald" Kritisches und Nachdenkliches von Pfarrer GUTHEIL

Mogelpaket Friedwald - Vom Tag des Friedhofs zum "Tag des Baumes"?

In der Züricher Oberländer Zeitung vom 4. September heißt es: „Nach dem Tod als Baum weiterleben - das ist die Idee des Friedwald-Gründers Ueli Sauter. Auf Wunsch streut er die Asche von Verstorbenen zwischen den Wurzeln eines Baumes in die Erde. Die Asche dient dem Baum als Dünger, schafft also neues Leben. Der Friedwald ist eine Erfolgsidee. Eine Idee, die vielen Menschen besser gefällt, als in einer symmetrisch angelegten Grabreihe auf einem Friedhof begraben zu werden.’“

Und wie ist es dabei mit christlichem Gedankengut? Nicht primär enthalten, so die Betreiber deutscher Friedwälder oder Ruheforste. Eher soll christliches Gedankengut in der Möglichkeit zum Ausdruck kommen, ein christlichen Zeichen auf die etwa 15 mal 25 cm große Bleckplatte zu bringen, auf der alle 10 Namen der um den Baum bestatteten Personen angebracht sind.

Hinzu kommt die Belegungszeit. Bei mehreren Veranstaltungen der Friedwald oder Ruheforstbetreiber war immer wieder von 99 Jahren die Rede. Neu ist, dass diese Zeit sich auf den gesamten Ruheforst oder Friedwald bezieht. Dies war in der Informationsveranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Hospiz zu erfahren. Auf Rückfrage wurde immer wieder betont, dass die 99 Jahre ab Start des Friedwaldes gerechnet werden. Nun erwerbe ich einen Baum im Alter von gut 45 Jahren und hoffe noch auf eine Lebenserwartung weiterer 45 Jahre, dann habe ich –unter meinem jetzt gekauften Baum- nur noch 59 Jahre Liegezeit. Wenn ich noch 30 Jahre warte und dann erst erwerbe, so habe ich sogar nur noch 39 Jahre Liegezeit, dürfte aber das gleiche zahlen wie jetzt auch. Dann bin ich aber von der üblichen Liegezeit eines städtischen Friedhofs oder eines ländlichen Friedhofs, z.B. in meiner Heimatgemeinde im Fuldaer Land, die zwischen 20 und 40 Jahren liegt, nicht mehr weit entfernt. Dort habe ich aber die Möglichkeit zur Verlängerung und zum erneuten Kauf, kann also ein Familiengrab daraus machen und über Generationen hinweg meine Ahnen beisetzten lassen und bin nicht von der Laufzeit eines solchen Friedwaldes abhängig.

Zudem kommen die Kosten, die (nach einer schnellen Berechnung in der Veranstaltung) im Friedwald für jedes Grab bei gut bei 650 Euro liegen, im städtischen Friedhof von Hanau demgegenüber aber nur gut 500 Euro zu zahlen sind.Dann zahle ich doch lieber weniger und habe eine Infrastruktur und Wege, habe eine stadt- und ortsnahe Grabstätte, die es auch älteren Menschen ermöglicht, über das ganze Jahr das Grab ihrer lieben Angehörigen zu besuchen.

Es leuchtet ein, dass die Menschen gerne wüssten, wo sie liegen und dass es keine größere Grabpflege, Pflanzungen und eine größere individuelle Gestaltung gibt. Deshalb sollten die politisch Verantwortlichen unserer Städte einmal überlegen, ob es nicht eine höhere Flexibilität gibt, so wie dies z.B. in Braunschweig der Fall ist. In einer Pressemeldung heißt es dort: „Wunsch nach individuelleren Bestattungsarten nimmt zu. Städtische Abteilung geht mit Natur- und Themengräbern neue Wege." Mit einer Vielzahl neuer Gräberarten will die städtische Abteilung Bestattungswesen im Fachbereich Stadtgrün auf die veränderten Erwartungen von Angehörigen an Beisetzungen reagieren. So sind auf dem Stadtfriedhof in den vergangenen Jahren Urnenwände (Kolumbarien) und Erdreihengräber, auf allen städtischen Friedhöfen Urnen- und Erdgemeinschaftsgräber sowie kostengünstigere und pflegeleichte Urnen- und Erdreihengräber entstanden. Für die kommenden Monate plant die Abteilung die Einrichtung eines Innenraum-Kolumbariums, einen „Garten der Sternenkinder“ für Tot- und Fehlgeburten, sowie Themengräber, z. B. Heide- und Rosengräber. „Einerseits gehen die Wünsche der Menschen hin zu zunehmend individuelleren Bestattungsarten, andererseits aber auch zu weniger aufwendigen Gräbern, die kostengünstiger und leichter zu pflegen sind“, erläutert der Fachbereichsleiter Stadtgrün, Ralf Günther. „Wir versuchen, möglichst allen Wünschen entgegenzukommen.“ So seien auf dem Ortsfriedhof Veltenhof naturnahe Gräber entstanden, die sich zwar auf dem Friedhofsgelände befinden, aber deren Umfeld nicht so stark gestaltet sei wie sonst auf dem Friedhof üblich. „Das stellt eine Alternative zum Friedwald dar“, so der Leiter der Abteilung Bestattungswesen, Wolfgang Schulz.“

Vielleicht sollten auch die Kirchen, gerade die Katholische Kirche über Innenraum-Kolumbarien nachdenken, wie dies z.B. in Marl, Ehrfurt und in Aachen üblich ist. Die Christen der ersten Jahrhunderte haben in den Katakomben Gottesdienste auf den Gräbern gefeiert. Die Altäre in den katholischen Kirchen sind – wenn auch kaum noch erkennbar und spürbar - durch die eingelegten Reliquien (Knochenüberreste von Heiligen) diese Steinsargopharge. Über Jahrhunderte waren und sind die Kirchen im Inneren Orte für Bestattungen besonderer Menschen, wie Bischöfe und Priester. Im Außenbereich waren immer Friedhöfe um die Kirchen vorhanden. Warum müssen solche Erfahrungen, die es den Menschen gezeigt haben, mit dem Tod und den Toten zu leben, heute keine Bedeutung mehr haben?

Die Menschen wollten schon immer in der Nähe von besonderen Orten bestattet werden, Orte, die einen Bezug zu einer Wirklichkeit haben, die außerhalb dieser Welt liegen. Grabbeigaben, die zum Leben notwendigen Gegenstände, Schmuck und vor allem Speisen, sind doch Ausdruck eines Glaubens, dass es nach dem Tod eine Welt gibt, in der die Menschen weiterleben. Weshalb sollten sie denn diese Dinge mitbekommen haben von den Überlebenden, wenn diese nicht eine Hoffnung auf eine andere Welt hatten?

Hühnengräber, die oft an „heiligen Orten“ waren zeigen auch, dass bereits vor 50.000 Jahren die Menschen eine Bestattungskultur hatten. Und wir heute? Wir gehen vor diese Zeit zurück und bestatten unsere Toten im Wald, unter Bäumen. Vielleicht ist doch der Glaube an ein Weiterleben im Baum, in der Natur stärker, als sich dies die Kirchen und die Friedwaldbetreiber eingestehen.

Nicht zuletzt sind die Grabstätten früherer Jahrhunderte doch Orte, an denen wir Kulturgeschichte ablesen können. In der Architektur der Gebäude, soweit diese die Zeiten überstanden haben und in den Bestattungsorten und Grabstätten, teilweise mit ihren Grabsteinen, lesen wir, wie in einem Buch, etwas über das Leben der Menschen. Grabsteine sind Kulturträger und werden heute durch den Denkmalschutz geschützt, wenn sie älter als 120 Jahre sind und etwas über Leben und Sterben der Menschen von damals zeigen.

Vielleicht liegt es daran, dass unsere Architektur und Kultur nur so lange Bestand hat wie die Materialien: Beton gut 25 bis 30 Jahre, dann müssen leider unsere Häuser und Brücken „zerschreddert“ werden. Und künftig reichen drei Jahre aus, um „biologisch abbaubare Urnen“ ohne Grabstein - nichts - zu hinterlassen. Geht eine Gesellschaft nicht dem Ende entgegen, wenn sie sich in einer solchen Kulturlosigkeit zeigt, die über den (eigenen) aktuellen Moment nicht hinausdenkt?

Muss nicht Kirche –und da meine ich insbesondere die Katholische Kirche-, weil sie eine 2000 jährige Erfahrung hat, die auf der jüdischen Grundeinstellung fußt, dass ein Grab „ewig“ zu bestehen hat, nicht mehr leisten als die Bereitschaft, in Friedwäldern auch eine Beisetzung durchzuführen, wenn denn ein 2 x 3 cm großes christliches Zeichen auf einer Blechtafel verzeichnet ist.

Hat die Kirche denn nicht mehr zu sagen, was „wir machen halt alles mit, was die Menschen wollen“? Die Kirchen werden immer leerer, weil die Menschen an anderen Orten leben und durch viel Arbeit keine Zeit mehr für die Begegnung mit Gott in dieser Form haben. Viele Kirchen, die in der Nachkriegszeit gebaut wurden, werden leider zum Teil zu Schotter gemacht. Könnten sie nicht zu Orten werden, wo die Menschen wieder angesichts des Todes die Erfahrung machen, dass sie Raum bekommen für ihre Trauer und zugleich in einer Gemeinschaft –mag sie noch so klein sein- eine Hoffnung zugesprochen bekommen: Deine verstorbenen Angehörigen werden weiterleben bei Gott?

Könnten nicht aus den teilweise großen Gemeindehäusern, die überhaupt nicht mehr in der Größe gebraucht werden, mit den anschließenden Pfarrhäusern „Trauerzentren“ gemacht werden, wo Menschen sich angenommen und aufgehoben wissen, wenn sie um einen Angehörigen trauern? Natürlich braucht nicht jedes Dorf ein solches Zentrum, natürlich müssen betriebswirtschaftliche Aspekte berücksichtigt werden, aber die Katholische Kirche –insbesondere im Bistum Fulda- sollte einfach einmal einen Anfang machen. Sollte nicht "weiterschlafen" und im Trend der Zeit halt auch Friedwaldbeerdigungen den Priestern noch zumuten.

Unsere Bischöfe sollten hier –trotz der Fülle ihrer Arbeit und der repräsentativen Aufgaben- vielleicht etwas mehr Mut zeigen, so wie dies Bischof Wanke in Erfurt getan hat. Ich bin der festen Überzeugung, dass gerade die Katholische Kirche dann wirklich das zeigen kann, was sie in jeder Beerdigung bei der Segnung des Grabes sagt: „Christus hat drei Tage im Grab gelegen und dadurch das Grab für uns zum Ort der Auferstehung gemacht.“ Wird der Tag des Friedhofs in vielleicht nicht allzu ferner Zeit umgewidmet in einen "Tag des Baumes"? Ausgeschlossen scheint mir dies nicht. Ob es aber auch von vielen Menschen so gewünscht wird, wie es der Trend suggeriert, das darf bezweifelt werden. Und ob dieser Trend im Sinne der Katholischen Kirche ist, das muss sogar bezweifelt werden."

Werner Gutheil

Kath. Klinikpfarrer

Ethikberater im Gesundheitswesen

Trauerbegleiter

Initiator des Kindesgrabes Hanau

Ausbilder für Hospizhelfer und Trauerbegleiter

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