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Trotz ihrer langjährigen Krankheit lässt sich Ingrid Diegel die Lebensfreude nicht nehmen - Fotos: Luisa Diegel

GEMÜNDEN Heute ist Welt-MS-Tag

Diagnose Multiple Sklerose: Ingrid Diegel lebt seit 48 Jahren mit der Krankheit

31.05.17 - "Alles fing damit an, dass ich an einem Morgen die Farben nicht mehr erkennen konnte - es war auf einmal in meinem rechten Auge alles grau", beginnt Ingrid Diegel ihre Gesichte zur Multiple Skelrose zu erzählen. Dies ist eine entzündliche Krankheit des zentralen Nervensystems, die das Gehirn und das Rückenmark erfasst. Bei jedem Menschen treten unterschiedliche Symptome auf. Mit großer Wahrscheinlichkeit führt der Weg aber früher oder später an einem Rollstuhl nicht vorbei. Anders bei der 77-Jährigen, die im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS ihre ganz persönliche Geschichte über die Krankheit erzählt. 

Seit 57 Jahren glücklich verheiratet: Helmut und Ingrid Diegel

Nachdem sich auch über Nacht keine Besserung im Auge einstellte, fuhr Ingrid am nächsten Tag zum Augenarzt nach Alsfeld. Dieser machte ein paar Tests, stellte jedoch nichts Auffälliges bei seiner Diagnose fest. "Er hat mir aber geraten, nicht mit dem Auto nach Hause zu fahren. Mir wurde Kortison verschrieben, damit wurde es auch schnell besser." Doch schon nach zwei Jahren traten die Symptome erneut auf - dieses Mal auch im linken Auge. Der Arzt vermutete schon, dass etwas nicht stimmte. "Ich vermute, Sie haben MS, hat er damals zu mir gesagt." Zu diesem Zeitpunkt war Ingrid 31 Jahre alt. "Doch damals war ich so dumm, dass ich gar nicht weiter nachgefragt habe. Ich habe einfach mein Kortison genommen und es wurde wieder besser", erzählt sie.

Doch frei von Schmerzen war sie nicht lange. Denn nach kurzer Zeit fingen die Beine an, wehzutun. "Meine Beine waren auf einmal so schwer, ich bin oft gestolpert. Mein Mann hat mich damals immer wieder gefragt, ob ich getrunken hätte." Doch ihre Antwort darauf lautete nur: "Nein, ich bin irgendwie nicht richtig da." Deshalb suchte Ingrid zusammen mit ihrem Mann Helmut erneut einen Arzt auf. 

Dieser bemerkte als erstes ihre Krampfadern und schob die Symptome darauf. Deshalb wollte er sie wegoperieren lassen, doch Ingrid hatte nicht das Gefühl, dass durch eine Operation auch gleichzeitig die Symptome verschwinden. Deshalb entschied sie sich dagegen - vor allem nachdem die Schmerzen wieder nachließen und ihr die Bewegungen wieder leichter fielen. Doch auch in den Beinen kam der Schmerz nach wenigen Wochen wieder zurück.

"In dieser Zeit bin ich durch Zufall auf einen Artikel von Veronika Kastens gestoßen, die damalige Schirmherrin der MS. Mit diesem Bericht bin ich zu meiner Hausärztin - denn ich hatte genau die Symptome, die dort beschrieben wurden." Ein Neurologe in Gießen sollte nun endlich Klarheit schaffen, indem er aus dem Rückenmark Nervenwasser entnommen hatte. "Ich musste im Krankenhaus bleiben. Der Arzt kam dann zu mir ins Zimmer mit der traurigen Gewissheit und bestätigte mir meine schlimmste Vermutung", erzählt die Gemündnerin. Die Diagnose war ein Schock: "Ich war 32 Jahre alt, hatte zwei kleine Kinder, zwölf und vier Jahre alt, und wusste, die Krankheit mit ihren 1.000 Gesichtern ist unheilbar."

Zu ihrem Mann Helmut habe sie gesagt, dass sie einerseits froh darüber ist, endlich Klarheit zu haben. "Ich habe mich selbst schon für verrückt erklärt. Andererseits ist es schon sehr hart. Zur damaligen Zeit kannte ich jemanden, der diese Krankheit ebenfalls hatte und schon viele Jahre im Rollstuhl saß. Ich bin nur nach Hause und aber erst einmal geweint und mir gedacht: So, jetzt sitze ich auch bald im Rollstuhl." 

Doch Ingrid Diegel ließ sich von ihrer Krankheit nicht unterkriegen. Sie arbeitete weiter in ihrem Beruf als Verkäuferin, sorgte sich um ihre kranke Schwiegermutter und ging ihrem größten Hobby, der Gartenarbeit, weiter nach. Die Schmerzen in den Beinen wurden jedoch schlimmer. Der Arzt sagte ihr, sie müsse sich mehr ausruhen. Mit Mitte 40 hat sie deswegen aufgehört zu arbeiten und trat kürzer. "Das hat mir so leid getan. Den Umgang mit Menschen habe ich immer geliebt."

Bis heute nimmt sie jeden Tag starke Medikamente gegen die Symptome und ihre Schmerzen. Dennoch bewegt sich Ingrid so viel es geht. "Ja, es fällt mir schwer, aber 47 Jahre hab ich es schon ohne Rollstuhl gepackt", erzählt sie stolz. Dennoch ist sie nun auf ihren Rollator angewiesen. Letztes Jahr konnte sie noch einige Schritte ohne ihn gehen, heute traut sie sich das nicht mehr. Schon viel zu oft sei sie gefallen und fühle sich zu unsicher beim Laufen. 

In ihrer rechten Hand spürt sie ein Taubheitsgefühl - erst waren es nur die Finger, jetzt ist es die ganze Hand. "Deshalb stricke ich auch sehr oft. Das ist für mich wie Ergotherapie." Um ihre Entzündungen vom Augennerv zu hemmen, nimmt sie immer noch regelmäßig Kortison. "Jetzt könen sie bei mir auch nicht mehr viel machen. Die Schübe sind schleichender im Alter, es wird immer etwas schlechter." Trotzdem ist sie für jeden Tag, an dem es ihr gut geht, dankbar. Dankbar ist sie vor allem auch ihrem Mann: "Wenn ich ihn nicht hätte, ginge es mir schlecht. Ich kann mir ja nicht mal mehr alleine die Schuhe anziehen. Ich bin so froh, dass ich ihn habe und er mich all die Jahre immer unterstützt hat." (Luisa Diegel) +++


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