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Über den Dächern der Festspielstadt: Der musikalische Sonntagsgruß hat in Bad Hersfeld Tradition. - Fotos: privat

BAD HERSFELD Blasen in luftiger Höhe

Posaunenchor hat seit 116 Jahren Puste für musikalischen Sonntagsgruß

07.05.17 - Die Puste ist den Musikern bislang noch nie ausgegangen: Kein leichtes Unterfangen, wenn sie vor ihrer eigentlichen Bestimmung erst einmal 222 Stufen erklimmen müssen. Seit nunmehr 116 Jahren sendet der Posaunenchor des CVJM Sonntag für Sonntag pünktlich um 9.30 Uhr seinen Morgengruß vom Turm der Bad Hersfelder Stadtkirche. Bei Regen. Bei Schnee. Bei schneidendem Wind. Bei Nebel. Bei Sonnenschein.

Bei Wind und Wetter musiziert die Bläserriege jeden Sonntagmorgen um 9.30 Uhr in luftiger ...

222 Stufen müssen die Musiker erklimmen, um auf die Turmspitze der Stadtkirche zu ...

Blick in die Vergangenheit...

In alle vier Himmelsrichtungen werden die angestimmten Choräle getragen. Nach jeder Strophe wechseln die CVJM-Bläser, die mittlerweile Verstärkung durch die Instrumentalisten der evangelischen Kirche erfahren haben, die Turmseite.

Turmblasen hat in der Lullusstadt Tradition. „Das Brauchtum lässt sich bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen“, berichtet der 80-jährige Hans-Georg Franke, der bereits im zarten Alter von neun Jahren in luftiger Höhe musizierte. „Zu jener Zeit oblag es dem Türmer und seinen Gesellen, in regelmäßigen Abständen ein Zeitsignal gen Norden, Osten, Süden und Westen zu blasen. So steht es im Türmer-Eid von 1628 geschrieben.“

Nach dem Niedergang des Türmerberufs im 19. Jahrhundert übernahm die Militärkapelle der Offiziersschule die klangvolle Aufgabe. Sie wurde wiederum von der Stadtkapelle abgelöst. Im Mai 1901 schlug dann die große Stunde des Posaunenchors des CVJM, der seitdem mit ganz wenigen Ausnahmen den Sonntag einbläst. „Selbst während des Zweiten Weltkriegs erschallten die Choräle über den Dächern Hersfelds“, erläutert Hans-Georg Franke. „Als die Amerikaner Ostern 1945 in die Stadt einmarschierten, mussten die Musiker allerdings eine dreiwöchige Pause einlegen, da aufgrund von Beschädigungen des Kirchturms – er erhielt einen Granattreffer – und der Treppe an einen Aufstieg nicht zu denken war.“

Generell fällt das Turmblasen bei Temperaturen unter minus vier Grad aus. „Dann frieren die Ventile der Instrumente im Nu ein“, erläutert Franke.

Wahrzeichen Bad Hersfelds: der Turm der Stadtkirche. Foto: Stefanie Harth

Das Turmbläser-Urgestein liebt das allsonntägliche Ritual, das auf der schmalen Galerie vollzogen wird, die das Türmerstübchen umläuft. „Ich bin dankbar, diese alte Tradition pflegen zu dürfen“, betont der Bad Hersfelder. „Und: Treppensteigen fördert die Gesundheit, während Notenlesen den Geist wach hält.“ Übrigens: Probentermin des Posaunenchors des CVJM und der evangelischen Kirche Bad Hersfeld ist immer donnerstags ab 20 Uhr im CVJM-Haus in der Wehneberger Straße 8. (Stefanie Harth) +++


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