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v.l.n.r. RP Dr. Walter Lübcke, Nadine Freund, Prof. Dr. Andreas Hedwig - Fotos: Regierungspräsidium Kassel

KASSEL Buchvorstellung aus Anlass des Behördenjubil

"Teil der Gewalt- Das Regierungspräsidium Kassel und der Nationalsozialismus"

Zum Buch:Titel: Teil der Gewalt- Das Regierungspräsidium Kassel und der Nationalsozialismus; Autorin: Dr. Nadine Freund; Herausgeber: Regierungspräsidium Kassel; Eine Veröffentlichung der Historischen Kommission für Hessen; ISBN 978-3-942225-37-3; Preis: 35,00 Euro

06.10.17 - Gemeinsam mit der Autorin Dr. Nadine Freund und dem Vorsitzenden der Historischen Kommission für Hessen, Prof. Dr. Andreas Hedwig, stellte Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke am Mittwoch eine Monographie vor, in der die Rolle des Regierungspräsidiums Kassel im Nationalsozialismus aufgearbeitet wird. Das Buch trägt den Titel „Teil der Gewalt – Das Regierungspräsidium Kassel und der Nationalsozialismus“ und ist in der Schriftenreihe der Historischen Kommission für Hessen erschienen.

Das Regierungspräsidium ist Herausgeber. Die Initiative zur historischen Aufarbeitung des Themas hatte Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke bereits 2009 kurz nach seinem Amtsantritt formuliert. Eine künstlerische Arbeit im Rahmen des gemeinsamen Ausstellungsprojektes „Interventionen“ von Regierungspräsidium und Kunsthochschule Kassel sorgte 2012 für zusätzliche Aktualität, als der Kunststudent Damian Crow verfremdete Porträts der Regierungspräsidenten von 1933 – 1945 in die Wand mit den Porträts sämtlicher Regierungspräsidenten dort einfügte, wo sie bis dato gar nicht vorgekommen waren.

Vor der Lücke, die nach dem Ende der Ausstellung und vor dem Ankauf der Arbeit Damian Crows, trafen beim Tag der offenen Tür 2013 des Regierungspräsidiums Kassel der damals kommissarische Vizepräsident Winfried Hausmann und die Historikern Nadine Freund aufeinander. Daraus ergab sich ein Jahr später der Auftrag an die inzwischen promovierte Dr. Freund, diese Zeit zu erforschen; mit dem Ziel, diese Ergebnisse im Jubiläumsjahr des Regierungspräsidiums 2017 in einer Monografie zu veröffentlichen.

Unter Aufbietung äußerster Kräfte haben alle Beteiligten rechtzeitig geliefert. Das war nicht ganz einfach, denn aus dem Umfang von anfangs geschätzten 200 Seiten wurden am 650 Seiten. „Deshalb bin ich umso glücklicher, Ihnen heute, einen Tag vor dem offiziellen Festakt zum 150-jährigen Bestehen des Regierungspräsidiums diese Monografie vorstellen zu können“, sagte Lübcke. „Damit wollen wir uns keineswegs selbst die Festtagsstimmung verderben“, so Lübcke weiter. „Im Gegenteil: Ausgerechnet im Jahr eines solchen Jubiläums schulterzuckend und mit einem großen Schritt über diese finstere Lücke in der Geschichte des Hauses hinwegzugehen, würde einen schlimmeren Schatten auf dieses Jubiläum werfen.“

Lange Zeit wurde die schmale Quellenlage als Grund dafür genannt, dass die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Behörde nicht stattfand. Dieses Argument hat Dr. Freund vollständig widerlegt. Die Autorin legte bei der Präsentation Wert auf die Feststellung, dass es sich nicht um die erste Studie über ein Regierungspräsidium im Nationalsozialismus handle. Es sei jedoch die erste, die sich konkret und ausführlich mit der Rolle von Mittelinstanzen in der Judenverfolgung auseinandersetzt. „Da ich aufgrund der schmalen Überlieferungslage für das RP gezwungen war, auf Akten aus anderen Überlieferungen zurückzugreifen“, so Dr. Freund, „ließ sich aus der Not eine Tugend machen: unsere Studie ist auch die erste ihrer Art, die den Blick auf ein RP aus Parteiakten einer NSDAP-Gauleitung (also von der regionalen Ebene aus) wagt.“ Nach Überzeugung der Autorin zwei wichtige Aspekte, die auch für die historische Forschung von Interesse sein dürften.

Titel: Teil der Gewalt- Das Regierungspräsidium Kassel und der Nationalsozialismus; ...


Zum Inhalt:
Der Untertitel des Buches grenzt den Inhalt bewusst nicht auf die Jahre 1933 bis 1945 ein. Es greift in beide Richtungen ins Davor und Danach aus. In Sieben Kapiteln geht Dr. Freund zwei zentralen Fragen nach:

1. Welche Rolle hatte das Regierungspräsidium Kassel bei der Verfolgung der Juden?
Dazu fasste Dr. Freund ihre Forschungsergebnisse so zusammen: „Aus der Behörde selbst wurden Rufe nach antijüdischen Gesetzen laut, sodass das RP gemeinsam mit der Gauleitung an judenfeindlichen Gesetzen und Verordnungen gefeilt hat. Und: die Behörde arbeitete bei der Umsetzung der Nürnberger Gesetze sowohl eng mit den Instanzen der Inneren Verwaltung, als auch mit der Partei zusammen. Wenn über Anträge auf Ausnahmen von einem judenfeindlichen Gesetz oder auf eine mildere Auslegung der Gesetze entschieden werden musste, tauschte sich das RP nicht nur mit dem Innenministerium, sondern auch mit Instanzen der Partei auf der regionalen Ebene darüber aus, wie man vorgehen solle. Den Ermessensspielraum, den die Gesetze ließen, nutze das RP insgesamt eher zum Nachteil jüdischer Menschen aus. Es wurden nicht einmal die Grenzen dieser heute zu Recht als illegitim geltenden Gesetze eingehalten, sondern das RP ließ auch Rechtsbeugungen durch nachgeordnete Behörden zu.

2. Welche Position hatte das Regierungspräsidium Kassel im Machtgeflecht der NS-Diktatur?
Zur Frage nach der Rolle des RP Kassel in der Verwaltung bzw. im politischen System des NS zeichnet Dr. Freund vielfältige Formen der Interaktion der Behörde mit der Partei nach: dass zum Beispiel das RP häufig auch mit den Anliegen von Verwaltungslaien konfrontiert war, denen die Gesetzesbindung der Verwaltung nicht unmittelbar einleuchtete, dass Gauämter der Partei Verwaltungsfunktionen übernahmen und dass die Grenzen dessen, was Politik und was Verwaltung war, dadurch weiter aufweichten.

Sie stellt weiter fest, dass Hierarchieebenen in der staatlichen Verwaltung stark ins Wanken kamen, weil Funktionsträger der Partei auch Ämter in der staatlichen Verwaltung übernahmen. Wenn der Regierungspräsident zwar der Repräsentant der staatlichen Verwaltung war, aber bis 1937 kein Mitglied der NSDAP, während der Landrat von Eschwege genau jenes Gauamt der Partei leitete, dessen offizielle Aufgabe darin bestand, die Arbeit des RP als staatlicher Aufsichtsbehörde zu überwachen und gegebenenfalls korrigierend einzugreifen – Wer war dann wem gegenüber weisungsbefugt?

Voraussichtlich Ende November 2017 wird das Regierungspräsidium im Rahmen seiner Veranstaltungsreihe „Ach Deutschland, Deine Verwaltung!“ zu einer Podiumsveranstaltung einladen, bei der die Forschungsergebnisse von Frau Dr. Freund diskutiert werden.  +++

 


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