Archiv

Zur Eröffnung des "12. Tages der Jagd" waren Signale von Jagdhornbläsern der Ulrichsteiner Jägerschaft zu hören - Fotos: Graulich

St. Hubertus stand im Mittelpunkt der Rede von Schirmherr Bürgermeister Erwin Horst
05.11.08 - Ulrichstein
St. Hubertus, Waid-Verantwortung und Vogelsberg-Zeitreise: 12. Tag der Jagd
Ein fester Bestandteil des Programms im „Museum im Vorwerk“ ist im November der „Tag der Jagd“. Zahlreiche Waidgenossen und Naturfreunde informierten sich nicht nur über jagdliche, sondern auch allgemeine, den Vogelsberg betreffende Themen. Die gemeinsam von der Hegegemeinschaft Herbstein-Ulrichstein, unter dem Vorsitz von Dr. Dietmar von dem Borne, und dem Förderverein „Museum im Vorwerk“ mit seinem Vorsitzenden Peter Kraus, ausgerichtete Veranstaltung fand inzwischen zum 12. Mal statt.
Dr. von dem Borne unterstrich zu Beginn seiner Begrüßung in der Ständerhalle die Bedeutung dieser Veranstaltung: „Der Tag der Jagd hat sich in Ulrichstein etabliert und ist aus dem Jagdjahr nicht wegzudenken“.
Bürgermeister Erwin Horst ging in seiner Rede auf „St. Hubertus“, den Schutzpatron der Jäger ein. So sei die dunkler werdende Jahreszeit für viele Waidgenossinnen und Waidgenossen auch die Zeit tieferen Nachdenkens. Wenn nach dem Revierbegang ein warmes Getränk locke und frühmorgens die Finger klamm würden, steige mit den Herbstnebeln oft auch die Hubertuslegende auf und dränge sich in das Bewusststein. „Wer St. Hubertus ehrt, denkt diese Gedanken ehrlich und zu Ende. Der weiß sich den Abgründen der zügellosen Existenz dieses Mannes verwandt. Der bewahrt sich den Blick für die Wahrheiten unserer heutigen Zivilisation. Einer Lebensweise, die oft das schwache Geschöpf gering achtet und lieber eine schnelle Wertschöpfung betreibt, statt Wertschätzung zu leben. Erinnert Sie das nicht auch an die aktuelle Finanzkrise?“ so das Stadtoberhaupt.
Waidwerk und Jägerei würden ihren gesellschaftlichen Auftrag behalten, wenn sich Menschen bereit fänden, die Jagd verantwortungsbewusst auszuüben und sich bei jeder Schussabgabe die Frage stellen: Zu wessen Schutz und mit welchem Sinn habe ich getötet? Ganz konkret und ohne Wenn und Aber. Ohne Ausflüchten und Lügen, meinte Horst abschließend.
„Weil das unter dem Namen Vogelsberg bekannte Gebirge unter die allerrauesten Gegenden von Deutschland gehört, aber noch von Niemandem beschrieben ist, so war ich begierig, ihn zu sehen und eine richtige Beschreibung davon mitzuteilen“. Diese Zeilen stammen aus dem wohl ältesten bekannten Reisebericht über den Vogelsberg und wurden verfasst vom Historiker und Reisefachmann Wilhelm Gercken aus Frankfurt, dessen Beschreibungen von Land und Leuten Ende des 18. Jahrhunderts deutschlandweit veröffentlicht und sehr ernst genommen wurden. Mit diesen Worten begann der ehemalige Leiter des Hessischen Forstamtes und der Landesforstschule, Eberhard Röder seinen Vortrag "Von Hessisch - Sibirien zu Europas größtem Vulkan".
Es wurde eine eher vergnügliche Zeitreise über die immer wieder neue Entdeckung des Vogelsberges, seiner Bewohner, Wälder und wild lebenden Tiere. Man habe das Jahr 1786 geschrieben, als sich Gercken im fernen Frankfurt dachte, dass man doch mal nachschauen müsste, was es eigentlich mit dem weißen Fleck, den man bei gutem Wetter bis spät ins Frühjahr hinein vom Main aus mit bloßem Auge sehen konnte, so auf sich habe. Gercken schrieb weiter: „ Es war Ende des Monates Mai 1786 als noch überall im Vogelsberg Schnee lag und am 6. Junius fingen mancherorts die ersten Birnbäume gerade erst an zu blühen. In den meisten Dörfern ist gar kein Obstbaum vorhanden und wenn, so ist es Holzobst. Und das Grummet wird häufig schon in Pelzmütze und Mantel gemacht. Der spärlich gedeihende Hafer muss oft noch geschnitten werden, wenn bereits wieder der erste Schnee liegt. Kurzum, der Vogelsberg gehört zu den unfruchtbarsten und rauesten Gegenden von ganz Deutschland und kann zu Recht als hiesiges Sibirien bezeichnet werden."
Gercken ging in seinem Bericht noch auf die Sitten und Gebräuche sowie die Geschlechter im Vogelsberg ein. Aber auch andere Historiker, wie zum Beispiel Wilhelm Butte wurden erwähnt. Röder berichtet über die Besiedlung durch die Kelten und später durch Eisenschmelzer, Wanderschmiede und Kohlebrenner. Aus der Chronik der Freiherrn Riedesel berichtet er von den Raubschlössern Petershainer Hof und Ulrichstein. Bezüglich des Petershainer Hofs, betonte er, dass aus der Ehe der letzten Catharina vom Petershainer Hof mit einem Jakob Orth in Marburg in gerader Linie kein geringerer als Johann Wolfgang von Goethe abstamme. Eberhard Röder berichtete weiter von Wilddieben, der Beweidung und den damit verbundenen Schäden des Oberwaldes durch Pferde, Kühe, Schafe, Ziegen und Schweine, über Luchs, Wölfe und Bären sowie die Jagd durch die Darmstädter Landgrafen.
In erster Linie speziell für die Jägerschaft gedacht war abschließend das „Anschuss-Seminar" des Hegeringleiters der Hegegemeinschaft Knüll, Gerhard Becker, mit einem theoretischen und praktischen Teil. Eindrucksvoll berichtete er davon, wenn ein Stück Wild nicht tödlich getroffen werde und wie auch bei einem Verkehrsunfall verletzt flüchte. Hier habe der Jäger die Pflicht aus Tierschutzgründen das geflüchtete Wild
nachzusuchen, um es schnell und effektiv von seinen Leiden zu erlösen.
Zum Abschluss des Tages entzündeten Mitglieder der Hegegemeinschaft vor dem Museum ein so genanntes „Streckenfeuer“, ein Ritual, das üblicherweise nicht der Beleuchtung, sondern vielmehr der Würdigung des erlegten Wildes dient. Dazu brachten die Jagdhornbläser der Ulrichsteiner Jägerschaft verschiedene Jagdsignale zu Gehör. Kulinarisch wurde an diesem Nachmittag ein Wildgulasch im Bistro serviert. (gr) +++

Zahlreiche Gäste hatten sich eingefunden und verfolgten...

...dann den Vortrag von Eberhard Röder, der eine vergnügliche "Reise durch den Vogelsberg" darstellte

Dr. Dietmar von dem Borne dankt Gerhard Becker für das lehrreiche Anschuss-Seminar (v.rechts)

Vor dem Museum loderte am späten Nachmittag ein Streckenfeuer

Beim Anschluss-Seminar von Gerhard Becker wurden etwa auf Papiertafeln die Wirkung von Geschossaustritten verdeutlicht