Archiv
Irre Aufholjagd: Großenlüder/Hainzell ringt Melsungen einen Punkt ab
19.11.17 - Mit sechs Treffern lag Landesliga-Spitzenreiter MT Melsungen II schon in Führung, ehe die HSG Großenlüder/Hainzell am Samstagabend eine furiose Aufholjagd einleitete. In einer spektakulären Schlussphase legten die Hausherren einen 6:0-Lauf auf die Platte und trotzten dem Tabellenführer beim 30:30 (14:17)-Unentschieden einen Zähler ab.
Als Christian Damm in der 51. Minute das 30:24 für den Tabellenführer aus Melsungen erzielte, deutete nichts, aber auch gar nichts, auf diese furiose, intensive und hochdramatische Schlussphase hin. Die Bundesliga-Reserve zeigte bis dato eine souveräne Vorstellung und hatte stets eine Antwort parat. Dann aber verlor die Mannschaft von Trainer Georgi Sviridenko völlig den Faden.
Henrik Dimmerlings Kanone aus dem Rückraum in den rechten oberen Winkel war eine Art Startschuss für die irre Aufholjagd der Hausherren, die sich Tor um Tor in den letzten Minuten an den Tabellenführer näherten. Und Melsungen, die mit Eugen Gisbrecht, Marcel Pregler und Avram Vlad-Alexandru abgezockte Spieler in seinen Reihen hatte, wirkte zunehmend kopflos. Eine Auszeit hätte helfen können.
Doch weil Trainer Sviridenko nach 50 Minuten schon seine dritte – und damit letzte – genommen hatte, schwammen Melsungen die Fälle davon. Dominik Malolepzsy und erneut Dimmerling verkürzten auf 29:30 – die Halle, die eh schon tobte, entwickelte sich zu einem Tollhaus. Dann rückte bei den Hausherren ein Spieler in den Mittelpunkt, der dort eher selten steht: Jonathan Alt. Er stürzte sich mutig in die Oberliga-erfahrene Deckung der Melsunger und holte einen Siebenmeter und eine Zeitstrafe heraus.
32 Sekunden vor dem Ende trat wieder Malolepszy an den Strich. Torwart Fabian Meyfahrt hatte die Finger am Ball, der über den Pfosten den Weg ins Tor fand. „Ich habe gezittert“, gestand nach dem Spiel ein glücklicher Malolepzszy und fügte an, „weil ich am Anfang der Partie doch ein bisschen was verworfen hatte.“ Ein bisschen was verworfen hatten aber auch seine anderen Kollegen, deren schlechte Chancenverwertung Melsungen in die Karten spielte.
„Wir sind ein hohes Tempo gegangen, hatten aber zwischendurch zu viel Hektik im Spiel“, sagte HSG-Trainer Matthias Deppe nach dem Krimi. Ob er an diese Wende geglaubt hatte? „In meiner Auszeit zehn Minuten vor dem Ende habe ich den Jungs genau das gesagt“, entgegnete Deppe, „dass sechs Tore im Handball nichts sind und alles möglich ist.“ Deppe habe volles Risiko und Tempo angeordnet – und wurde belohnt. Zuvor überstanden seine Mannen die letzten 30 Sekunden samt Freiwurf nach Spielende noch schadlos und jubelten umschwänglich.
„Dass Melsungen konditionelle Schwächen hat, ist bekannt. Heute haben die Jungs gesehen, was gehen kann, wenn man 60 Minuten volles Tempo geht“, führte Deppe, der sich über den Punktgewinn natürlich freute, aus. Der HSG-Trainer merkte aber auch an: „Es ist aber auch ärgerlich, wenn man sieht, was mit einer besseren Verwertung der Chancen möglich gewesen wäre.“ Vermutlich mehr als ein Punkt gegen den weiterhin ungeschlagenen Spitzenreiter.
Highlight des Spiels war natürlich die famose Aufholjagd der HSG, doch Lukas Dimmerling sorgte in der zweiten Halbzeit für einen besonderen Hingucker: Einen eigentlich zu lange geratenen Pass von Malolepszy erreichte Dimmerling gerade noch so vor dem Kreis und beförderte den Ball per Rückhandwurf ins Tor. Ein Treffer aus der Kategorie „Tor des Monats“.
Farbenfroh war das intensiv geführte Spitzenspiel übrigens auch noch: Nach einem Foulspiel samt Gesichtsreffer an Pregler flog Simon Münkel mit der blauen Karte, die eine Sperre nach sich ziehen wird, vom Platz (45.). „Rot ist in Ordnung, blau halte ich für überzogen“, monierte Deppe die Entscheidung der nicht immer souverän wirkenden Schiedsrichter Thorsten Groß und Pascal Lukas. Nach seiner dritten Zeitstrafe flog später auch noch Melsungens Pregler vom Feld (55.).
Zwar bleibt die Bundesliga-Reserve der MT Melsungen ungeschlagen an der Tabellenspitze, dieses Unentschieden nach einer Sechs-Tore-Führung dürfte sich aber wie eine Niederlage anfühlen. Als moralischer Sieger dürfen sich die Großenlüder/Hainzeller fühlen. Ihr Herbstfest nach dem Spiel durften sie mit einem Punktgewinn gegen den Tabellenführer begießen. (Tobias Herrling)
DIE STATISTIK ZUM SPIEL:
HSG Großenlüder/Hainzell: Malte Nelling, Mike Decher - Sebastian Martin, Lukas Münker (1), Benedikt Dimmerling (1), Jonathan Alt, Simon Münker (2), Dominik Malolepszy (4/3), Sebastian Peppler (4), Lukas Dimmerling (8/1), Michael Blinzler (5), Henrik Dimmerling (5), Jacob Räther.
MT Melsungen II: Lukas Frohmeyer, Fabian Meyfarth – Luca Hagemann, Igor Schuldes (4), Avram Vlad-Alexandru (6), Alexander Bärthel (1), Christian Damm (1), Maximilian Pregler (7/2), Sebastian Bruns (1), Eugen Gisbrecht (7/4), Lukas Dexling (3), Christopher Barth.
Schiedsrichter: Thorsten Groß/Pascal Lukas.
Zuschauer: 350.
Zeitstrafen: 3:5 (B. Dimmerling, S. Münker, Malolepszy – Avram, Damm, 3x Pregler).
Blaue Karte: Simon Münker (Großenlüder, 45., Foulspiel).
Spielfilm: 2:0, 3:3, 4:6, 7:10, 10:14, 11:16, 14:17 (Halbzeit), 15:20, 18:21, 20:25, 21:27, 24:40, 26:30, 28:30, 30:30 (Endstand). +++