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Ehepaar Vorderbrüggen steht nun ohne hausärztliche Versorgung da - Fotos: Carina Jirsch

FULDA Dramatischer Aufnahmestopp:

Rund 3.500 ehemalige Patienten von Dr. Ranze finden keinen neuen Hausarzt

07.04.18 - Anfang der Woche erreichte die Redaktion von OSTHESSEN|NEWS ein Schreiben eines älteren Ehepaars aus einem Fuldaer Stadtteil, welches keinen Hausarzt finden kann. Ihr bisheriger Arzt, Dr. Oliver Ranze, hatte zum 1.4.2018, relativ kurzfristig, seine Praxis geschlossen. Ein Einzelfall, dachte die Redaktion im ersten Moment, im Laufe der Woche stellte sich jedoch durch einige Recherchen heraus, dass über 3.500 ehemalige Patienten der Arztpraxis in Johannesberg davon betroffen sind.

Rudolf Vorderbrüggen zeigt uns die ausgedruckten E-Mails seiner Krankenkasse ...

Rudolf und Rita Vorderbrüggen sind verzweifelt, als wir sie am Donnerstagnachmittag besuchen. Die beiden 75- und 76-jährigen Rentner waren jahrelang Patienten von Dr. Ranze. Als dieser die Aufgabe seiner Praxis bekannt gab, bemühten sich beide zeitnah um neue hausärztliche Versorgung. „Wir sind aufgrund chronischer Erkrankungen auf Medikamente angewiesen. Doch bei jedem Hausarzt, bei dem wir vorsprachen, wurde uns mitgeteilt, dass zurzeit keine neuen Patienten mehr aufgenommen werden könnten“, erzählt Rudolf Vorderbrüggen. Mehrere Versuche, einen Arzt in der Region zu finden, schlugen fehl.

Rita Vorderbrüggen hofft, schnell einen neuen Hausarzt finden zu können ...

Foto: Marius Auth

„In unserer Verzweiflung haben wir uns an unsere Krankenkasse gewandt und diese gebeten, uns einen Termin zu vermitteln.“ Die Techniker Krankenkasse, bei der das Ehepaar versichert ist, wirbt eigentlich damit, für jeden Patienten binnen kürzester Zeit selbst einen Facharzttermin ausmachen zu können. „Aber auch hier wurden wir nur vertröstet. Per E-Mail teilte man uns mehrfach mit, dass auch die von der TK kontaktierten Praxen einen Aufnahmestopp für neuen Patienten verhängt hätten.“ Schlussendlich bekamen die Vorderbrüggens den Rat der Krankenkasse, sich doch bei der Kassenärztlichen Vereinigung über die Situation zu beschweren. „Aber was hätte uns das bringen sollen?“, fragt der rüstige Senior.

Von Bekannten, so erzählt Ehefrau Rita, der man ihr Alter nicht ansieht, habe sie erfahren, dass auch diese keinen Hausarzt finden könnten. „Das kann doch alles nicht wahr sein, jahrzehntelang bezahlt man in die Kasse und steht dann irgendwann ohne Versorgung da.“ Die Vorderbrüggens benötigen regelmäßig Medikamente. Wer ihnen ab sofort ein Rezept dafür ausstellen soll, wissen sie nicht. „Bis ungefähr Anfang Mai reichen unsere Tabletten noch, doch was ist danach?“, fragen die Rentner sorgenvoll.

Nur wenige Wochen vor der Praxisaufgabe von Dr. Ranze erhielt Ehepaar Vorderbrüggen ...

„Einfach zu einem Hausarzt in der Nähe gehen“, rät Dr. Daniel Nolte, Mitglied im Aufsichtsrat Gesundheitsnetz Osthessen (GNO). „Wenn ein Notfall vorliegt, etwa, weil jemand über Schmerzen in der Brust oder Fieber klagt, darf ein Patient nicht abgewiesen werden.“ Aber auch das Ausstellen von Rezepten fiele in die Verantwortlichkeit eines jeden Hausarztes. „Anders sieht es allerdings mit der hausärztlichen Versorgung aus“, erklärt Dr. Nolte. „Wir wissen, dass es durch die Praxisaufgabe von Dr. Ranze im gesamten Stadtgebiet von Fulda gerade zu großen Problemen kommt. In sämtlichen Hausarztpraxen in der Region klingeln im Moment die Telefone heiß, leider sind die Ärzte jedoch alle völlig überlastet, kaum einer nimmt neue Patienten auf.“

Er selbst, so sagt er, arbeite täglich zwischen 12 und 13 Stunden- und das teilweise ohne echte Pausen einlegen zu können. „So geht es vielen meiner Kollegen. In den vergangenen Jahren gab es bereits die ein oder andere Praxisaufgabe, viele Ärzte haben daher bereits vor der Schließung der Praxis Dr. Ranze eine hohe Anzahl an Patienten anderer Ärzte übernommen.“ Jetzt, so erklärt er, stünden rund 3.500 Menschen ohne hausärztliche Versorgung da. „Das ist wirklich grässlich und es ist für mich als Arzt ein schreckliches Gefühl, wenn ich jemanden ablehnen muss, der um Hilfe bittet.“ Jedoch stünde die Verantwortung im Vordergrund, einen Patienten gut und fachgerecht zu behandeln. „Gute Betreuung braucht aber Zeit, die nicht mehr gegeben wäre, wenn wir weitere Patienten aufnehmen würden.“

Der Allgemeinmediziner Ralph-Michael Hönscher, Vorstandsmitglied des GNO, sieht die generelle Entwicklung der hausärztlichen Situation in der Region kritisch. „Einige Hausärzte, die in und um Fulda praktizieren, stehen kurz vor dem Rentenalter. Es ist also abzusehen, dass sich die Lage weiter verschärfen wird.“

Nachfolger für die hausärztlichen Praxen zu finden, gestaltet sich als schwierig, oft werden Hausarztsitze daher komplett geschlossen. Die Kassenärztliche Vereinigung, die dafür verantwortlich ist, wo und ob überhaupt ein Arzt eine Praxis eröffnen darf, ist übrigens der Meinung, der Landkreis Fulda sei, was die Hausarztdichte betrifft, überversorgt.

In einem weiteren Beitrag am Montag berichten wir über Zahlen und Fakten und werden zusätzliche Stellungnahmen veröffentlichen. (Miriam Rommel) +++


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