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Sabine Kampmann stellt spirituelles Kunstwerk im konzertanten Rahmen vor
19.04.18 - Es war die von Dr. Heinrich Nuhn erstellte, achtlos im Altpapier entsorgte Dokumentation „Stolpern mit Herz und Verstand“, über die die Künstlerin Sabine Kampmann zufällig „stolperte“ und sich von den Lebensgeschichten von 32 Bad Hersfelder Opfern des Holocaust berühren ließ. Basierend auf dieser Dokumentation, hat sie im Herbst 2017 dieses Thema kreativ und spirituell für sich erobert. Am Dienstag präsentierte Sabine Kampmann ihr Werk „16 Himmel“ im Wigbertsaal im Altenzentrum Hospital.
Der sakrale Raum, die auf dem Fußboden ansprechend präsentierten „16 Himmel“, passenderweise gegenüber dem „Himmel“ an der Decke, boten den passenden äußeren Rahmen zum Gedenken an einige der Menschen, von denen niemand je ein würdiges Begräbnis erhalten hat. Die Idee des Werks „16 Himmel“ setzt an dieser Stelle an und würdigt jeden einzelnen der Ermordeten. Es wird diesen Menschen endlich ein heiliger Text geschenkt, der auch an ihren Gräbern hätte gesprochen werden sollen.
Jede und jeder hat nun einen passenden Psalm, ein Gedicht oder Gebet erhalten, das mit goldenen Lettern in einen Abendhimmel hinein geschrieben wurde. Im Zentrum der 16 Bilder befindet sich jeweils die Abbildung eines Stolpersteines, in die die Lebensdaten der Opfer eingeschlagen sind: Name, Jahrgang, Schicksal. 75 Stolpersteine wurden in den letzten Jahren in Bad Hersfeld verlegt. An authentischen Orten, wo die Menschen oft über Generationen lebten – bis durch den Rassenwahn aus Nachbarn Juden wurden. Die Ausgrenzung, Ausplünderung, Vertreibung und letztlich Deportation der Juden wurde „mitten im Volk“ systematisch vorbereitet. Und jeder konnte das sehen, wenn er denn wollte!
Zwischen den „16 Himmeln“ verteilte Sabine Kampmann einige Portraits von Männern, Frauen und Kindern wie Kurt und Karl Goldschmidt. „So viele Leben“, bedauert Sabine Kampmann, die während ihrer kreativen Arbeit zu den Häusern in Bad Hersfeld ging, die durch Stolpersteine gekennzeichnet die Erinnerung an jüdisches Leben bewahren. „Wackeln die Gardinen? Guckt da die kleine Judith aus dem Fenster?“ Gedanken, die Sabine Kampmann auf ihrem Weg durch die Straßen der Stadt begleiteten.
Sabine Kampmann, die als Diakonin mit Jugendlichen arbeitet, weiß um die Wissenslücken dieser Generation über das dritte Reich und hofft, dass ihr Werk, in dem viel Herzblut und Seele drin ist, kommuniziert wird. „Wenn wir von dem Bildwerk bewegt sind, kommen wir in Bewegung“, weiß Sabine Kampmann. „Wir haben Verantwortung für unsere Gesellschaft, Verantwortung für unsere Jugend und müssen dafür sorgen, dass die kostbare Demokratie geschützt und bewahrt wird“.
Die anwesenden interessierten Gäste waren von dieser Präsentation, die von der Künstlerin selbst mit Texten, Musik und Gesang gestaltet wurde, sehr berührt und verharrten lange in andächtigem Schweigen. „Es muss sich setzen“, sagte Werner Schnitzlein, Vorsitzender der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Hersfeld-Rotenburg, in die Stille hinein. Dankesworte an die Künstlerin, die ihre Idee einer würdigen Trauerfeier gerecht werdend umgesetzt, einen großen Beitrag gegen das Vergessen oder Verdrängen der Gräueltaten geleistet hat und nun auf große Aufmerksamkeit für ihre spirituelle Aufarbeitung hofft, denn „ein Werk, das nicht gesehen wird, ist tot“. (Gudrun Schmidl) +++