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Axel Horst (Umweltamt der Stadt Fulda) gab einen Überblick über die Entwicklung der Mülldeponie seit den 50er Jahren.

05.12.08 - EICHENZELL

Info-Veranstaltung zur Altlast-Sanierung - Baubeginn auf Mülldeponie 2009

Die Altlastsanierung der ehemaligen Mülldeponie im Eichenzeller Ortsteil Löschenrod war Thema einer Informationsveranstaltung, zu der Dieter Kolb, Bürgermeister der Gemeinde, am gestrigen Donnerstag Abend eingeladen hatte. Bis Anfang der 70er Jahre wurde in der Deponie Abfall eingelagert. Im Jahr 1999 wurde die Deponiefläche vom RP Kassel als "Altlast" festgestellt. Um Altlasten handelt es sich nach dem "Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten" zum Beispiel bei stillgelegten Abfallbeseitigungsanlagen, auf denen Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind (Altablagerungen), und durch die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden. Seitdem laufen die Planungen zur Sanierung der Deponie. (ON berichtete: http://www.osthessen-news.de/beitrag.php?id=1126789 ). Im Bürgerhaus Löschenrod begrüßte Dieter Kolb lokale Politiker, den Referenten Axel Horst vom Umweltamt Fulda, Uwe Hoche von M+S Umweltprojekt GmbH Plauen, Winfried Sonntag und Jürgen Fehl vom Regierungspräsidium (RP) Kassel sowie rund 50 Bürger.

Ziel der Veranstaltung war nach den Worten des Bürgermeisters, den Bürgern die Gelegenheit zu geben, ihre Fragen direkt an die zuständigen Ansprechpartner zu richten. Zunächst erläuterte Axel Horst (Umweltamt Fulda) die Entwicklung der Deponie seit den 50er Jahren. Die Geschichte der Mülldoponie begann mit der Entdeckung von vor-eiszeitlichen Sanden in der Gemarkung, erläuterte Horst. Da die Sande für Bauzwecke geeignet waren, wurden sie - vor allem nach dem 2. Weltkrieg - abgebaut. Parallel zum Sandabbau wurden die ausgebeuteten Gruben mit Abfall verfüllt. Damit wurde der entstandene „Landschaftsschaden“ geheilt. Diese Vorgehensweise habe dem damaligen „Stand der Technik“ entsprochen. In den 70er Jahren war das Vorkommen ausgebeutet. Auf einer Fläche von 60.000 Quadratmetern wurden von Anfang der 50er Jahre bis 1972 etwa 490.000 Kubikmeter Abfall und Bauschutt abgelagert. Die abgelagerten Abfälle stammen aus Petersberg, Künzell, Eichenzell und vor allem aus der Stadt Fulda. Am Ende der Abfallablagerung wurde die Deponieoberfläche mit Erdaushub abgedeckt (Mächtigkeit 1 bis 2 Meter). Zur Rekultivierung wurde abschließend eine Schicht Klärschlamm eingearbeitet, erläuterte Horst. Die Flächen wurden danach für den Ackerbau genutzt, beweidet oder sie entwickelten sich zu Wiesenbrachen. Das neue Wissen über Umweltzusammenhänge und neue Abfall-Gesetze verpflichteten Anfang der 80er Jahre zur Überwachung von Altdeponien.

"Diffuse Ausgasungen" auf der Deponie

Nach dieser Einführung erläuterte Horst die weitere Entwicklung anhand von konkreten Jahreszahlen. 1985 ließ die Stadt Fulda zwei Beobachtungsbrunnen errichten. Seither wird kontinuierlich das Grundwasser beprobt und analysiert. Im Jahr 1993 wurde ein hydrogeologisches Gutachten für die Deponie erstellt. Es wies auf mögliche Schadstoffeinträge ins Grundwasser hin. Ein Jahr später wurde eine so genannte „Orientierende Untersuchung“ durchgeführt. Dabei wurden Bodenproben und Bodenluftproben entnommen, zudem Grundwassermessungen ausgewertet und ein Sickerwasseraustritt genommen. 1995 wurden – auf Empfehlung der Gutachter – drei weitere Beobachtungsbrunnen errichtet. Diese werden bis heute kontinuierlich beprobt. 1996 wurde eine historische Recherche mit Luftbildauswertung durchgeführt. Außerdem wurden flächendeckend Deponiegasemissionen vorgenommen. Das Ergebnis waren "diffuse Ausgasungen in vielen Bereichen der Deponieoberfläche", so Horst.

1997 wurden Lage und Funktion der Grundwassermessstellen mit einem 24-Stunden-Pumpversuch überprüft. Dabei wurden Schadstoffeinträge ins Grundwasser nachgewiesen. Diese wurden durch Nachmessungen in den Folgejahren bestätigt. 1999 wurde die Deponiefläche schließlich vom Regierungspräsidium Kassel als Altlast festgestellt. Die Altlastenfeststellung fußt auf den Ergebnissen der vorangegangenen Untersuchungen, erläuterte Horst. Diese ergaben zusammengefasst, dass: 1. die überwiegend ebene Deponieoberfläche ohne qualifizierte Abdeckung fast das gesamte Niederschlagswasser in den Abfallkörper durchsickern lässt (etwa 10.000 m³/Jahr), 2. neben Haus- und Sperrmüll auch Industrie- und Militärabfälle abgelagert wurden, 3. durchlässige Sandsteinschichten unter der Deponie das Wasser aus dem Abfallkörper ungehindert in den Hauptgrundwasserleiter versickern lassen, 4. auf der Deponie punktuell Emissionen von Methan und aromatischen Kohlenwasserstoffen Sanierungsschwellenwerte überschreiten.

Als Sanierungsverantwortliche wurde die Stadt Fulda festgestellt und dazu verpflichtet, eine Sicherungsplanung erstellen zu lassen. Zuerst wurde - auf Empfehlung des RP - eine Variantenstudie zur Sanierung der Deponie Löschenrod beauftragt. Für die Studie wurde der aktuelle Zustand auf der Deponie erhoben. Damit wurden Vor- und Nachteile sowie Kosten verschiedener technischer Abdichtungen verglichen. Im Jahr 2000 lag das Gutachten mit einer Vorzugsvariante vor. Das RP schloss sich dem Vorschlag des Gutachters an, und beim Land Hessen wurde ein Finanzierungshilfeantrag für die Genehmigungsplanung gestellt. Im darauf folgenden Jahr begann die Genehmigungsplanung; die überarbeitete Planung wurde 2005 dem RP vorgelegt und ihre Genehmigung beantragt.

Kosten der Altlastensicherung: 5,3 Millionen Euro

Das Ziel der Planung, so Horst, war die Verringerung der Niederschlagseinträge in den Deponiekörper und die Kontrolle der Deponieausgasung. Die Kosten der Altlastensicherung Löschenrod wurden in der Planung mit 5,3 Millionen Euro beziffert. Es wurden Vorverhandlungen mit der Hessischen Landesregierung über eine Finanzierungshilfe geführt. Das Land sagte günstige Förderquoten zu. Im Jahr 2007 stimmten alle Flächeigentümer der Durchführung der Arbeiten zu. Anfang 2008 war schließlich Baubeginn; Gehölzbestände wurden gerodet. Jedoch scheiterten die Verhandlungen mit Nachbar-Flächeneigentümern wegen der Verlegung von Versorgungsleitungen. Mit dem Einverständnis des RP für die Ausführungsplanung kann die Ausschreibung Anfang 2009 erfolgen, stellt Horst in Aussicht. Mit der Ausführung wurde die Firma M+S Umweltprojekt Plauen beaufragt. Abschließend betonte Horst, "dass das, was die Vorfahren nach bestem Wissen gebaut haben, erst mit heutiger Technik als Risiko erkannt wurde." Mit der heutigen Leistungsfähigkeit sollten deshalb nun nachfolgende Generationen vor Nachteilen geschützt werden.

Die Vertreter des Regierungpräsidiums reagierten indes auf Zwischenfragen aus der Zuhörerschaft. Auf die Frage „ob das Zeugs jetzt giftig oder nicht giftig" sei, antwortete Winfried Sonntag (RP Kassel), einige Inhaltsstoffe hätten durchaus die Qualität von Sondermüll. Eine genaue Analyse sei derzeit jedoch weder hilfreich noch zielführend wäre. Von Interesse seien "Wirkungsgrade". Dazu gehöre: Was geht ins Grundwasser? Wie sind die Kontakte Boden / Mensch bzw. Luft / Mensch? Bei diesen Untersuchungen sei mit Erstaunen festgestellt worden, dass sich die Deponie weniger als erwartet „mitteilt“, erklärte Sonntag. An dieser Stelle bemängelte der Landwirt Karl-Heinz Kremer vom Aussiedlerhof unterhalb der Deponie, dass es von anderen Deponien „Bücher“ gäbe, von dieser jedoch nicht. In den Jahren 2003 bis 2006 waren - aus ungeklärter Ursache - insgesamt 170 Rinder des Landwirts verendet. Auf die Frage eines anderen Bürgers hin, was es mit dem "bunt schillerndem Sickerwasser" auf sich habe, das aus dem Hang an der Straße nach Kerzell manchmal austrete, antwortete Sonntag, an dieser Stelle habe sich früher eine Deponieausfahrt befunden und damit verdichteter Boden, der das Weitersickern stoppe und zum Austritt aus der Böschung führe. Das einzige Transportmedium in dieser Deponie sei der Niederschlag. Wenn dieser zum Großteil gestoppt werden könne, sei schon viel gewonnen.

Mehrere Schichten sollen auf Deponiekörper aufgebracht werden

Uwe Hoche von der Firma M+S erläuterte im Anschluss daran - anhand zahlreicher Bilder - die geplante Baumaßnahme: Der ehemalige Wirtschaftsweg soll komplett an den Rand verlegt, der noch benutzbare Boden auf die Seite geschoben und innerhalb des Geländes zwischengelagert werden. „Falls der Deponiekörper dabei geöffnet werden sollte, kein Problem, er wird auch wieder geschlossen“, erklärte Hoche. Zunächst wird eine etwa 50 Zentimeter dicke Schotterschicht aufgebracht, darauf kommt eine dünne Geotextilschicht (sehr reißfeste Textilschicht) und eine 50 Zentimeter dicke mineralische Dichtungsschicht. Es folgen eine zweite textile Trennfließschicht, eine 30 Zentimeter dicke Drainschicht, die das Regenwasser kontrolliert in den dafür ausgelegten Graben leitet. Zur Abdeckung wird eine etwa 150 cm dicke Schicht Oberboden aufgetragen, eine Rekultivierungsschicht, in der speziell geeignete Anpflanzungen die Oberfläche festigen, zur Wasserverdunstung und optischen Verschönerung beitragen sollen.

Der Baubeginn soll im Frühsommer 2009 erfolgen, kündigte Hoche an. Bis Ende 2010 sollen die zu liefernden rund 70 000 Kubikmeter Material verarbeitet sein. Nach fünf bis zehn Jahren werde eine Art naturnaher Lebensraum entstanden sein. Bürgemeister Kolb dankte zum Abschluss den Referenten für ihre sachkundigen Darlegungen. Er hoffe, so Kolb, dass auf Seiten der Bürgerschaft einige Befürchtungen ausgeräumt werden konnten (red) +++


Jürgen Fehl (in der Stuhlreihe 2. von rechts) und Winfried Sonntag (rechts) vom Regierungspräsidium Kassel antworteten auf Fragen der anwesenden Bürger.

Dieter Kolb (rechts im Bild) hatte zu dem Informationsabend eingeladen.


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