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REGION Skandalöse Schikane

Landärzte werden verzweifelt gesucht - und die Praktizierenden werden vergrault

20.05.18 - Morgens um sieben in Hosenfeld am Rand des Vogelsbergs: Dr. Silvia Steinebach ist früh auf den Beinen, um ihre überwiegend bettlägerigen Patienten daheim zu besuchen, die nicht in der Lage sind, zu ihr in die Praxis zur Sprechstunde zu kommen. "Wenn sie nicht zu meiner schwerkranken dementen Mutter käme, müssten wir jedes Mal den Notarzt rufen", sagt der Sohn, der die persönliche Ansprache und gute Betreuung der Hausärztin lobt. Doch diese Praxis der 40-jährigen Internistin ist in Gefahr. "Ich weiß nicht, wie lange ich noch so weitermachen kann", klagt sie. Die Prüfstelle der Kassenärztlichen Vereinigung bemängelt ihre Hausbesuche als zu teuer, weil die meisten Ärzte in der Stadt nur noch selten zu den Patienten kommen. An dieser Norm gemessen, verstoßen die engagierten Landärzte scheinbar gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit. Auch ihre palliativ-versorgten Patienten wollen nicht alle in der „Regelzeit“ von drei Monaten sterben und verursachen dadurch zu hohe Kosten. Obwohl Sterben im Krankenhaus viel teurer ist, werden die günstigen Hausbesuche quasi mit Prüfverfahren bestraft.

Frieda Eidmann (85) ist auf den Besuch ihrer Hausärztin angewiesen Fotos: Carina Jirsch

Auch diese demente Patientin kann nicht in die Praxis kommen

Dr. Steinebach liebt ihren Beruf, aber die Prüfstelle der KV macht ihr das Leben schwer ...

Hausbesuche stehen in einer Landarztpraxis viel öfter an als in der Stadt ...

Die Verbundenheit ist sichtbar

Auch im Altenheim werden Patienten besucht

Georg und Ehefrau ..

Christina Lips freuen sich über die Visite

Einige ihrer Landarzt-Kollegen sehen sich jetzt schon mit Regressforderungen in fünfstelliger Höhe konfrontiert und stehen kurz davor, deshalb ihre Praxis aufzugeben und ins Ausland zu ziehen. Das ist ebenso absurd wie dramatisch: einerseits werden überall in Deutschland händeringend Ärzte vor allem für die medizinische Versorgung in den ländlichen Regionen gesucht. Sie werden sogar mit allerlei 'Lockangeboten' zu ködern versucht. So bekommen zum Beispiel Medizinstudenten Zuschüsse, wenn sie sich für eine Landarztniederlassung verpflichten. Und andererseits macht man denen, die sich bereits für ein Medizinerleben auf dem Land entschieden haben, die Berufspraxis mit komplexen Vorschriften, bürokratischen Hürden und schließlich Strafzahlungen unerträglich schwer. "Ich liebe meinen Beruf, wenn ich am Bett meiner Patienten tätig bin, aber mittlerweile sitze ichstundenlangg am Computer, muss ich mich dauernd absichern und rechtfertigen und stehe ich im Dauerkontakt zu meinem Anwalt. Ich bin Ärztin, keine Verbrecherin", empört sich die Medizinerin.

Dringliche Forderungen an die Kassenärztliche Vereinigung

Mobil mit Handy und Rollator

Vor dem St. Elisabeth Altenheim in Hosenfeld

Große Ärzterunde und Gäste diskutierten über das Dilemma

Andreas Scheer

CDU-Landtagskandidat Thomas Hering und Denise Furdu-Schrimpf

Dr. Steffen Erk und Dr. Sebastian Hoeft

Gastgeberin Dr. Silvia Steinebach

Hosenfelds Bürgermeister Peter Malolepsy

Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, Frank Dastych ...

Annika Schumacher

Christian Martin

Sie und rund 20 ihrer jungen Kollegen in Osthessen, die pro Quartal um die 30.000 Patienten behandeln, haben in diesem existenzbedrohlichen Dilemma eine Petition an die Kassenärztliche Vereinigung aufgesetzt und ihren Forderungskatalog am Donnerstag dem KV-Vorstand Frank Dastych übergeben. Darin wird die unhaltbare Situation geschildert, in der junge Mediziner auf dem Land so mit Bürokratie überzogen und mit Regressforderungen drangsaliert werden, dass sie vor der Praxisaufgabe stehen. Dabei geht es explizit nicht um mehr Honorar für die Ärzte.


Alte Patienten haben keine Zeit für bürokratische Hürden

Auch CDU-MdL Markus Meysner interessiert das Problem der medizinischen Versorgung ...

Klare Kante ist angesagt

Skeptisch?

Toelle

Dr. Daniel Nolte

Waldemar Wahl

Dr. Fabian Tölle

Dr. Florian Kircher

"Ich will doch nur in Ruhe meine Arbeit machen", sagen die jungen Mediziner unisono. "Wenn man als Arzt feststellt, dass man eigentlich Wirtschaftswissenschaften hätte studieren müssen, stimmt doch was nicht!" Beim KV-Vorstand laufen sie mit ihrer Forderung offene Türen ein. "Ich bin darüber genauso angefressen wie Sie", sagt Frank Dastych und bestätigt die Unsinnigkeit des pauschalen Vergleichs von Stadt- und Landarztpraxen. Und ob eine Behandlung 'notwendig und zweckmäßig' ist, wie es das Gesetz vorschreibt, könnten sowieso nur Mediziner kompetent beurteilen. Die Prüfstelle sei aber ausschließlich mit Juristen besetzt. "Da muss entschieden mehr medizinischer Sachverstand vertreten sein. Wir müssten eine Institution vorschalten, die paritätisch besetzt ist." Um die Rahmenbedingungen entsprechend zu ändern, sei wiederum die Politik gefragt. Ob man dieses dicke Brett in naher Zukunft bohren kann, ist fraglich. Doch die betagten Patienten von Silvia Steinebach haben für solche Erschwernis kein Verständnis – und vor allem keine Zeit mehr. (Carla Ihle-Becker) +++


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