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- Fotos: Scheuer

LAUTERBACH Gesang, Madoline und Kontrabass

Sierra Hull im Hohhaus- Geerdet und doch federleicht

22.05.18 - Der Rokokosaal des Hohhauses gehört seit vielen Jahren zu den Spielorten der Lauterbacher P?ngstmusiktage und dies aus guten Grund: nirgendwo sonst lässt sich eine derart intime Konzertatmosphäre erzeugen, wie sie vor allem für Kammermusik unverzichtbar ist. Doch diesmal stand gar keine Kammermusik auf dem Programmzettel des Festivals, das vielmehr die USamerikanische Singer-Songwriterin und Mandolinenvirtuosin Sierra Hull ankündigte.

Aber Etiketten passen nicht zu den P?ngstmusiktagen, das wissen nicht nur die Stammbesucher, denn die künstlerische Leiterin Claudia Regel versteht es, mit jeder einzelnen Programmauswahl zu zeigen, dass es in der Musik um Wesentlicheres geht als um Etiketten und Klassi?zierung. Sie setzt damit die gute Tradition von Karin Sachers fort. Und sie ist sich in diesem Musikverständnis sicherlich mit Sierra Hull einig, die bereits 11-Jährig als Wunderkind der amerikanischen Bluegrass-Szene gefeiert und gefördert wurde, und die mit dem erwachsen werden erkannte, dass es für sie in Zukunft nur „ihre“ Musik geben kann, ganz ohne Etiketten und Abgrenzungen. So trat sie vor das durchaus gleichgesinnte aber nicht weniger anspruchsvolle Lauterbacher Publikum.

Kein zartes Mädchen stand da vor ausverkauftem Haus, wie es vielleicht auf den ersten Blick hätte erscheinen können, denn mit den ersten Tönen ihrer glasklaren Gesangsstimme zeigte sich, dass hier eine selbstbewusste und musikalisch erfahrene junge Frau steht, die schon einige Bühnen der Welt gesehen hat, und mit den ersten Läufen und Akkorden auf der Mandoline machte sie klar, dass „Mandolinenvirtuosin“ kein Ehrentitel ist, sondern die selbstverständliche Voraussetzung dafür, das zu interpretieren, was Sierra Hull als „ihre“ Musik bezeichnet. Nur Sierra Hull kann Sierra Hull spielen und interpretieren, und wenn Sierra Hull Ikonen wie Wayne Shorter oder Ray Charles aufgreift, dann werden sie auch zu Sierra Hull. Das sind deutliche und schwer wiegende Worte, die ich nur deshalb schon so früh erwähne, weil es trotzdem noch so viel zu Sierra Hull zu sagen gibt, denn eigentlich wäre damit schon alles gesagt.

Aber sie stand ja auch nicht allein vor vollem Haus, denn mit ihr trat der Kontrabassist Ethan Jodziewicz auf, nicht etwa als ihr Begleiter, eine ewige Rolle, die so vielen Bassisten dieser Welt anhaftet, sondern als gleichberechtigter, musikalischer Partner, selbstverständlich ebenfalls Virtuose seines Instruments und in sämtlichen musikalischen Stilen zu Hause. Seine musikalische Heimat mag der Jazz sein, was ihn aber nur dazu befähigt, keine Vorbehalte gegenüber anderen musikalischen Stilen zu haben und o?ene Ohren. Sensibles, interaktives Zusammenspiel, dezente Zurückhaltung, entschlossene Impulsgebung, gesangliche Kontrapunkte con arco. Ganz besonders eindrucksvoll war es, wie Jodziewicz mit den tieferen Frequenzen seines Instruments den Lauterbacher Rokokosaal zum Mitschwingen brachte.

Im Programmheft standen wohlweislich keine Titel. Was wurde also gespielt? Man stelle sich (innerlich grinsend) vor, wie den Mitarbeitern der GEMA die Köpfe rauchen, wenn sie versuchen dieses Programm nach „U- und E-Musik“ zu klassi?zieren. Einige Namen habe ich bereits genannt: Wayne Shorter, Ray Charles, dazu Herbie Hancock, Loan Baez, Tears for Fears, große Namen, deren Musik Sierra Hull mit allem notwendigen Respekt interpretiert, genauso, wie sie zu ihren eigenen musikalischen Wurzeln in der Country- und Bluegrassmusik ihrer Heimat Tennesee steht: glaubwürdig, autenthisch und emotional. „Tennesee-Waltz“ und das eine oder andere traditionelle Folk-Stücke auf Zuruf aus dem Publikum haben im Programm denselben Platz wie künstlerisch hoch di?erenzierte Stile. Durch die Art, wie das Duo es spielt, wird es authentisch, wird es glaubwürdig, wird es Sierra Hull.

Wie diese junge Frau in Stiefeln und Sommerkleid zwischen Mikrofonkabeln und E?ektgeräten auf dem altehrwürdigen Eichenparkett des Rokokosaals steht, geerdet und doch federleicht, beschreibt ihre Musik nur im Ansatz. Um zu verstehen, was Sierra Hull macht, muss man Sierra Hull erleben. Welch Glück, dass dies in Lauterbach möglich war. (Klaus Scheuer) +++


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