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Nicht nur in Fulda eine echte Größe: Musical-Darsteller und Opernsänger Reinhard Brussmann. - Fotos: Jonas Wenzel

FULDA Nicht nur in Fulda eine echte Größe

Musical Sommer: Bonifatius-Darsteller Reinhard Brussmann im O|N-Interview

24.07.18 - Nicht nur in spotlight-Produktionen zeigt Musical-Darsteller Reinhard Brussmann viele Facetten. Uns hat der Mann, der Bonifatius-, Ibn Sina- und Aeskulapius im Fuldaer Schlosstheater regelmäßig Leben einhaucht, einen tiefen Einblick in das alltägliche Leben eines Schauspielers gewährt.

Wie sind Sie darauf, gekommen Sänger zu werden?

Meine Eltern haben mich schon sehr früh an die Klassik herangeführt. Ich hätte aber nie gedacht, selbst einmal auf der Bühne zu stehen. Irgendwann habe ich aber einen Gutschein über Gesangsstunden von einer Bekannten bekommen, die meine Stimme schön fand. So fing alles an.

Wann kam der Wechsel zum Musical?

Von 1979, nach meinem Studium in Wien, bin ich der Klassik bis 1995 treu geblieben. Dann kam der Zeitpunkt, an dem nichts mehr ging: der Eiserne Vorhang fiel, es kamen so viele tolle Stimmen aus dem Osten, die wesentlich weniger Gage verlangten. Ich hatte damals schon zwei Kinder, die ernährt werden mussten. Also habe ich mir gedacht, wenn ich jetzt nicht zum Musical gehe, bin ich ganz schön dumm. Seit 1988 hatte ich Erfahrung in dem Bereich, habe das aber immer bis dahin parallel zur Oper gemacht.

Sehnen Sie sich manchmal an die „alten Zeiten“ zurück?

Klar, es wird fast jedem älteren Menschen so gehen, dass er ab und zu denkt: früher war alles so schön. Wenn ich dann die Bedingungen vergleiche, unter denen ich damals angefangen habe, mit denen, die jetzt für die jungen Kollegen herrschen, muss ich sagen, so würde ich den Beruf nicht mehr wählen.

Warum?

Es gibt einfach zu viele Anwärter und zu wenige Jobs. Wenn du nicht ein absolutes Ausnahmetalent bist, hast du wenig Chancen, damit überhaupt über die Runden zu kommen - und selbst da ist die Gefahr riesig, dass sie dich gleich verheizen, dich ohne Erfahrung in die erste Reihe stellen. Die meisten Schulen bringen aber auch einfach nicht mehr das, was eigentlich erforderlich wäre. Die Leute bekommen dort immer gesagt, „du bist ganz toll, du kannst das“ – und verstehen nach der Ausbildung die Welt nicht mehr, wenn sie mit der Realität konfrontiert werden, dass ihr Können einfach nicht reicht.

Hat sich das Business also in den letzten 20 Jahren sehr verändert?

Ich stehe seit 40 Jahren auf der Bühne und man muss schon sagen, dass sich vieles verschlechtert hat. Wir haben die Talsohle aber noch nicht erreicht, es wird noch kritischer werden. Viel zu tun hatten wir Darsteller schon immer, aber Kunst und Kultur sind meiner Meinung nach sehr nach hinten gerückt. Es geht hauptsächlich nur noch darum, Erfolg zu haben und Geld zu machen.

Wie sieht der Alltag eines Darstellers aus?

Du beginnst um 9 Uhr mit der Probe, arbeitest bist 17 Uhr und danach gehst du in die Vorstellung. Der einzige Tag, an dem wir wirklich frei haben, ist der 24. Dezember.

Kann man so überhaupt ein normales Leben führen?

Ein funktionierendes Privatleben zu haben, ist verdammt schwer. Mein Beispiel: Meine Tochter war ein dreiviertel Jahr alt, da musste ich in die Schweiz gehen. Lediglich vier Wochen hatte ich in der gesamten Zeit Urlaub. Das ist eine echte Herausforderung. Damals hat das alles leider nicht geklappt, meine Ehe ging kaputt. Erst mit meiner jetzigen Frau, die im gleichen Metier arbeitet, funktioniert das. Wir können viel zusammen arbeiten, sind meist an den gleichen Orten. Die ersten zehn Jahre der Beziehung musste aber immer einer dem anderen nachreisen.

Das hört sich alles sehr hart an, mögen Sie Ihren Beruf trotzdem?

Wahnsinnig gerne. Ich liebe es. Für mich zählt, auf der Bühne zu stehen, etwas darzustellen, den Leuten Spaß und Freunde zu bereiten. Das ist es, was ich gerne tue. Ich brauche aber nicht in der ersten Reihe zu stehen und mich in den Vordergrund zu stellen. Fans kennen mich schon, die wissen, ich brauche kein Bad in der Menge. Wer ein Autogramm möchte, muss mich schon ansprechen, ansonsten gehe ich gleich in die Garderobe.

Wie schwierig ist, es ein Engagement zu bekommen, wenn man über 40 ist?

Schwer. Da kommen irgendwann schon Sprüche wie „du hast eine tolle Stimme, aber du bist uns zu alt“. Das ist ganz brutal. Du gehst von einer Audition zur anderen und immer hörst du das. Irgendwann hat sich das bei mir zum Glück verflüchtigt, irgendwann habe ich die Rolle des jugendlichen Helden/Liebhabers eben abgelegt und wurde zum Weisen und zum Gelehrten. Die mittleren Jahre sind aber schwer.

Wie lange wollen Sie dieses Arbeitspensum noch durchziehen?

Mein Ziel ist es nicht, ganz aufzuhören. Ich hoffe aber, dass ich in drei bis vier Jahren soweit bin, nur noch das anzunehmen, worauf ich wirklich Lust habe.

Mein größtes Publikum hatte ich?

Im Wembley Station mit 80.000 Menschen

Welche Rolle würden Sie gerne spielen?

Mal wieder einen Bösewicht. So ein Charakter ist wesentlich interessanter. Unheimlich gerne wäre ich aber auch bei Robin Hood in Fulda dabei.

Also immer wieder spotlight-Produktionen?

Das hat erst einmal damit etwas zu tun, wie bei spotlight alles begann. Ich habe großen Respekt vor den Machern, die ihren Traum verwirklicht haben. Außerdem fühle ich mich wahnsinnig wohl in der Firma. Da ist ein haushoher Unterschied zu vielen anderen Firmen, man fühlt sich aufgehoben, deine Arbeit wird geschätzt, es gibt auch mal ein Dankeschön. Dann ist man auch selbst ganz anders und fühlt sich mit dem Unternehmen wirklich verbunden. Und, nicht zu vergessen, ich mag Fulda. Die Leute hier sind unheimlich nett, man wird auch mal angesprochen, aber nicht so oft und nie aufdringlich.

Wie wichtig sind Zusatzkonzerte oder die sozialen Medien?

Man muss heute permanent Präsenz zeigen, sonst ist man ganz schnell weg vom Fenster. Für mich ist das zwar nichts mehr, trotzdem schaue ich mir unheimlich gerne die Konzerte oder Internetauftritte der jungen Kollegen an.

Hat sich auch das Verhalten der Fans in den letzten Jahren verändert?

Ja. Manche Kollegen werden regelrecht gestalked. Im Internet, beispielsweise bei Instagram, tauchen immer wieder Fotos von Fans auf, wie Darsteller in der Sonne liegen, im Hotel beim Frühstück sitzen oder mit dem Hund spazieren gehen. Die Leute denken, nur weil man sich selbst in den sozialen Medien vermarket und weil man beruflich auf einer Bühne steht, würde man ihnen gehören. Da wird ganz häufig eine Grenze überschritten, das ist ganz furchtbar. Es gibt Kollegen, die das sehr schlecht verkraften. Man sollte immer bedenken, auch wir sind gerne mal Privatmensch.

Welches Stück spielen Sie am liebsten in Fulda?

Das ist schwer, alle haben ihre Besonderheiten. Natürlich wird mich Bonifatius mein Leben lang begleiten, das Stück ist einfach herausragend. Ich werde nie den Bischof vergessen, der nach der Premiere zu mir gekommen ist, mir tief in die Augen geblickt und gesagt hat: „Jetzt weiß ich, wer Bonifatius war.“ Mehr konnte ich mir ja gar nicht erhoffen, ich habe es so herübergebracht, dass die Menschen etwas damit anfangen konnten. Das hat mich sehr gefreut.

Was bereitet Ihnen Freude?

Draußen zu sein, Ruhe zu genießen. Wenn ich wirklich einmal frei habe, verbringen meine Frau und ich die Zeit am liebsten ganz allein, am besten weit weg. Wir sind beide Fans von Südafrika, nach Namibia fahren wir regelmäßig, haben dort viele Freunde. Du reitest da mit einem Pferd in die Wildnis, das ist einfach gigantisch. Es ist eine ganz andere Form von einem Naturerlebnis, man kann wunderbar abschalten und den Kopf freibekommen. Außerdem: wenn man das ganze Jahr über mit Menschen zusammenarbeitet, ist man auch mal froh, wenn man niemanden sieht. Das klappt in Afrika ganz wunderbar.

Sie sind ein Naturmensch?

Absolut, war ich schon immer. Ich habe zum Beispiel mal mit einem Freund eine vierwöchige Tour durch die schottischen Highlands gemacht, das war unglaublich schön. Ich bin aber auch schon einmal drei Wochen alleine durch die Dolomiten gekraxelt, hatte Trockennahrung dabei und bin die ganze Zeit einfach dort oben geblieben. Mehr als zwei oder maximal drei Wochen im Jahr habe ich mittlerweile allerdings leider keine Zeit mehr für so etwas, mein Terminplan lässt das nicht zu.

Freuen Sie sich auf den Bonifatius auf dem Domplatz im kommenden Jahr?

Sehr. Ich hätte nie gedacht, dass das nochmal kommt. Die Pläne, das Stück auf dem Domplatz aufzuführen, kannte ich schon länger. Ich dachte aber immer, ein solches Mammutprojekt sei unvorstellbar durchzuführen. Ich bin so gespannt auf diese ganze Produktion, das hat ja solche Dimensionen, das kann sich der normale Durchschnittmensch gar nicht vorstellen.

Dieses Interview führte O|N-Redakteurin Miriam Rommel. +++


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