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AfD-Aussteiger Heiko Leimbach - Foto: Marius Auth

FULDA Ehemaliger Kreissprecher

AfD-Aussteiger Heiko Leimbach: "Am Ende gab es nur noch Freund oder Feind"

19.08.18 - Weil er sich bei den etablierten Parteien nicht aufgehoben fühlte, trat Heiko Leimbach 2017 in die AfD ein. Gegen den Mainstream, für eine basisdemokratische Veränderung – die rechtspopulistische Partei machte Eindruck beim Eichenzeller. Als Kreissprecher versuchte er, dem Rechtsruck entgegenzusteuern – und warnt heute davor, Stammtischparolen nicht ernst zu nehmen.

Für Leimbach wird im Sommer 2016 beim Bäckereibesuch das Private politisch: Mit Hermann Krauss, dem damaligen AfD-Kreissprecher, kommt er ins Gespräch. Flüchtlinge und Innere Sicherheit, da muss etwas getan werden: "Das war kein Sprücheklopfer, sondern eine vernünftige Person. Er hat mich dann zu einem AfD-Stammtisch eingeladen. Ich hatte mich vorher nicht in der Politik engagiert, aber dass die erlaubten Meinungen zu bestimmten Themen vorgegeben sind, das schien mir schon so. Beim Stammtisch sind die Besucher deswegen richtig aufgelebt: Sie wurden angehört, ernst genommen, auch extreme Meinungen bekamen Applaus. Heute weiß ich, dass das zur Strategie gehört, aber das war schon beeindruckend."

Leimbach, der Anfang 2017 Mitglied der AfD wird, baut das Format für den Kreisverband Fulda aus. Das Erfolgsrezept der Stammtische scheint simpel: "Meinungs- und Redefreiheit. Nur dass es eben immer bestimmte Themen sind. Und Martin Hohmann gibt den Aufklärer, zieht den Koran aus der Tasche und liest die Sure vor, nach der es erlaubt ist, Frauen zu schlagen. Das kommt gut an – und verändert die Leute. Die Stammtische waren alle 14 Tage, wenn man auf Dauer in dieser Filterblase ist, sieht die Welt anders aus: Man läuft über den Bahnhofsvorplatz oder Uniplatz in Fulda und farbige Menschen fallen einem eher auf. Wir hatten auch vernünftigere Leute im Kreisverband, aber die kamen bei der Basis nicht an: Viele haben erst wieder bei 'Merkel muss weg!' zugehört oder sind gleich aus dem Saal gegangen."

Fulda gilt als Hochburg der hessischen AfD, für den Erfolg macht Leimbach auch die etablierten Parteien verantwortlich: "Asylmissbrauch stoppen – das war früher ein CDU-Slogan. Heute gibt es kein Gleichgewicht mehr, alles ist nach links gerutscht. Ich bin dafür, Menschen zu helfen, die vor Krieg und Verfolgung flüchten. Uns geht es gut in Deutschland. Aber Migranten, die unsere Gesetze nicht achten, müssen abgeschoben werden. Die Leute fühlen sich von der Politik verraten, über solche Probleme muss offen geredet werden. Sonst macht die AfD das – auf ihre Weise."

Im Dezember 2017 wird Leimbach AfD-Kreissprecher und versucht, einen Kurswechsel anzuregen: "Ich würde mich als liberalkonservativ bezeichnen, aber die radikaleren Positionen lernt man schnell kennen: Von der vermuteten Umvolkung Deutschlands bis zur Hysterie um die Sexualerziehung an den Grundschulen sind die stark in der Partei, spätestens hinter verschlossenen Türen. Manche Ziele gleichen denen einer Sekte: Man will das Land übernehmen, Gauland hat davon geredet, das System BRD zu überwinden. Ich habe mit dem damaligen Kreisvorstand vor allem versucht, weg von der Ein-Themen-Partei zu kommen: Flüchtlinge, immer nur Flüchtlinge – aber das ist gewünscht, das wird als Erfolgsfaktor gesehen. Deswegen wurde es abgelehnt, das Thema Migration abzuschwächen."

Im Januar 2018 tritt Leimbach als AfD-Kreissprecher zurück, auch aus Gewissensgründen: "Die Entwicklung des Kreisverbands Anfang 2018 hat mich bestürzt. Ein Besuch von Parteimitgliedern bei Björn Höcke in Erfurt, die Nominierung von Jens Mierdel, der früher Aktivist der 'Identitären Bewegung' war – das spricht Bände." Nach Auseinandersetzungen innerhalb des Kreisverbands tritt Leimbach im August 2018 aus der Partei aus, heute will er aufklären über die AfD: "Ich habe zu lange Hoffnungen gehegt, dass sich etwas ändern kann. Die AfD ist eine reine Oppositionspartei und sieht sich umgeben von 'linksgrünversifften' Gutmenschen und der Lügenpresse. Es gab bei mir am Ende nur noch Freund oder Feind, dazwischen nichts. Alle Ausländer waren schlecht, Migration wurde pauschal abgewertet." Der Polemik stellt Leimbach heute die Emanzipation gegenüber: "Wer vom Protestwähler zum verantwortungsvollen Wähler werden will, muss mit offenen Augen durchs Leben gehen. Dafür muss man sich eben auch mit Dingen konfrontieren, die man sonst nur vom Stammtisch kennt." (Marius Auth) +++


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