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Ärzte ohne Grenzen - Erfahrungsbericht von Dr. Christine Ochwadt
19.09.18 - Bereits nach wenigen Minuten des Vortrags von Dr. Christine Ochwadt wurde klar, warum die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ (Médecins Sans Frontières) im Jahr 1999 mit Recht den Friedensnobelpreis erhielt. Die Fachärztin für Innere Medizin war nach Lauterbach gekommen, um im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Nie wieder Krieg!“ von Soroptimist International Lauterbach-Vogelsberg (SI) über ihre Erfahrungen aus sechs Einsätzen für Ärzte ohne Grenzen zu berichten.
Die humanitäre Organisation trägt dazu bei, medizinische Hilfe für Menschen in Not zu leisten und ihr Leid zu lindern, wenn durch Naturkatastrophen oder durch Menschen verursachte Krisen die lokalen Gesundheitsstrukturen nicht mehr greifen. Gemäß ihrer Prinzipien arbeitet Ärzte ohne Grenzen unabhängig, unparteilich und neutral. Wie ernst es der Institution damit ist, zeigt die Entscheidung, ohne europäische oder sonstige staatliche Fördermittel auszukommen, um flexibel und vor allem frei über Einsatzorte zu bestimmen und sich nicht von politischen Entscheidungen abhängig zu machen. Rein finanziell heißt das, dass sich die Organisation komplett aus privaten Spendengeldern finanziert – angesichts der weltweiten Arbeit des großen Teams eine Meisterleistung und auch anerkennende Auszeichnung der meist treuen Spenderinnen unn Spendern.
Nur knapp 10 Prozent der Spendengelder fließen in Verwaltung und Organisation. Ärzte ohne Grenzen lebt den Standpunkt, dass Gelder für das Wohl der Patienten eingesetzt werden. „Wenn Sie im Ausland arbeiten und viel Geld verdienen möchten, gehen Sie nicht zu Ärzte ohne Grenzen“, scherzte Dr. Ochwadt, unterstrich damit aber, dass diejenigen, die sich für sechs Monate oder ein Jahr Auslandseinsatz in einem Krisengebiet entscheiden, aus anderen Gründen tätig werden als wegen guter Verdienstmöglichkeiten.
Eindringlich waren ihre Bilder und Berichte aus dem Süd-Sudan, wo sie die längste Zeit im Einsatz war, zuletzt in 2015. Die von Bürgerkrieg und Hungersnot schwerst betroffene Bevölkerung ist auf die Hilfe von Ärzte ohne Grenzen angewiesen, weil die meiste Infrastruktur des Landes völlig zerstört ist. Die alltägliche Arbeit für Ärzte vor Ort ist vor allem die der allgemeinen Notversorgung und medizinischen Hilfe, die auch psychologische Behandlungen umfasst. Es versteht sich, dass weder der Einsatz hochmoderner Diagnose-Geräte oder Labor-Arbeiten möglich sind. So geht Ärzte ohne Grenzen neue Wege und zieht sogar Forscher heran, um immer wieder mit einfachsten Mitteln die größtmögliche Wirkung zu erzielen. „Man lernt im Einsatz, die Patienten genauer anzuschauen“ zählte Dr. Ochwadt zu den Dingen, die sie aus den Einsätzen mit zurück in ihre hiesige medizinische Arbeit brachte.
Ein großes Anliegen von Ärzte ohne Grenzen ist auch die absolute und strikte Trennung von Militär und Armee jeglicher Art. Nur die große Distanz zu Waffen und Uniformen vermittelt der Bevölkerung vor Ort, dass Ärzte ohne Grenzen gänzlich für ihr Wohlergehen, für medizinische und humanitäre Hilfe stehen. „Die Errichtung eines Zeltlagers von Soldaten ist keine humanitäre Hilfe, sondern eine militärische. Die genaue Abgrenzung ist sehr wichtig für unsere Organisation“, unterstrich Dr. Ochwadt. Ärzte ohne Grenzen setzt sich daher auch sehr für die Einhaltung der Genfer Konventionen ein.
Größte Hilfe erlangt Ärzte ohne Grenzen durch die unzähligen einheimischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort, die die Brücke zwischen „eingeflogenem“ Fachpersonal und Patienten bilden. Oft werden sie von Ärzte ohne Grenzen geschult und sie sind es auch, „die das größte Risiko tragen, denn sie bleiben, wenn wir schon wieder weg sind“, zitierte Dr. Ochwadt eine Kollegin über den großartigen Einsatz dieser Helfer, ohne die die Arbeit vor Ort nicht möglich wäre.
„Ärzte ohne Grenzen“ ist das Spendenziel des gesamten SI-Projektes „Nie wieder Krieg!“, d.h. alle Erlöse sämtlicher Veranstaltungen fließen in die humanitäre Organisation, die weltweit dort hilft, wo Menschen in Not auf keine ärztliche Grundversorgung, keine Krankenversicherung, keine Apotheke oder keine gesicherte Wasser- oder Nahrungsversorgung zugreifen können. (pm)+++