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Der 48-Jährige aus Serbien sitzt auf der Anklagebank. - Fotos (2): Niklas Sven Brumund

GIESSEN / SCHLITZ Vierter Verhandlungstag

Würth-Entführung: "Ich trenne mich" - Überführt dieser Satz den Angeklagten?

25.10.18 - Vierter Verhandlungstag im Prozess um den Entführungsfall Würth: Am Mittwoch standen weitere Zeugenaussagen auf dem Programm - darunter die der Frau, die die Stimme des Angeklagten erkannt hatte und der Polizei den wichtigen Hinweis gab.

Doch zuerst berichtete Kriminaloberkommissar M. von den aufwendigen Ermittlungen. "Die aufgezeichnete Stimme des Entführers war von Beginn an das Hauptbeweismittel." Auf der Suche nach dem Täter seien mehr als 300 Stimmproben von Männern gesammelt worden, die in das Täterprofil passten: zwischen 35 und 59 Jahre alt, und entweder wohnhaft oder berufstätig im Rhein-Main-Gebiet, da die Anrufe auf dieses Gebiet zurückzuführen sind. Die Bereitschaftspolizei wurde mit ins Boot geholt, um die DNA und Stimmen der Männer, die ins Täterprofil passen, zu erheben. "Wir haben sie einen Fließtext plus den Text, den der Täter bei den Telefonaten gesprochen hat, vorlesen lassen. Die Bereitschaft war sehr hoch", berichtet der Ermittler. In Zusammenarbeit mit der Universität Marburg wurde die Täterstimme intensiv beleuchtet, sodass ein detailliertes Täterprofil erstellt werden konnte: Die gesuchte Person kommt entweder aus Serbien, Montenegro, Mazedonien oder dem Kosovo, ist zwischen 40 und 50 Jahre alt, ist spätestens im Jahre 2000 nach Deutschland eingereist und hat die Sprache durch Sprechen und Hören erlernt.

Stimmerkennerin sagt aus

Mit einer öffentlichen Fahndung hofften die Ermittler auf Hinweise aus der Bevölkerung, auch in der ZDF-Serie "Aktenzeichen xy" wurde bundesweit nach dem oder den Täter(n) gesucht. Viele Hinweise gingen ein - die jedoch alle ins Leere gingen. Bis sich am 18. Januar 2018 das Blatt wendete: eine Zeugin aus dem Rhein-Main-Gebiet meldete sich bei der Soko Hof und berichtete, dass sie die Stimme des Mannes als die ihres Handwerkers erkannt hatte. "Zunächst war dieser Hinweis nur einer von vielen", berichtet der Kriminalbeamte. Doch ein weiterer Hinweis der Zeugin war entscheidend: Der Angeklagte soll nach einem Telefonat mit der Zeugin den Satz: "Ich trenne mich", gesagt haben - genau dieser Satz fiel auch im damaligen Erpressergespräch mit der Mutter des Opfers, Carmen Würth.

Die Zeugin hatte in ihrer Mittagspause das Fahnundsplakat in einer Cafeteria gesehen und eher aus Langeweile bei der Hotline angerufen, um die Stimmprobe abzuhören. "Ich habe die Stimme sofort erkannt", berichtet sie. Immer wieder habe sie sich die Aufnahmen angehört - "ich wurde mir immer sicherer". Den Angeklagten kennt sie aus rein beruflichen Gründen - als Handwerker war er zweimal bei ihr tätig gewesen, um Schimmelflecke im Schlafzimmer und Bad zu entfernen. Nach dem ersten Besuch habe er ihr seine Handynummer aufgeschrieben, damit sie ihn für weitere handwerkliche Tätigkeiten kontaktieren konnte. Bei seinen Besuchen habe er geklagt, dass er wenig Geld habe und die ganze Zeit nur arbeiten müsse, um den Forderungen seiner Ex-Frau nachzukommen. Umso verwunderter sei die Zeugin dann gewesen, als er für die zweite Arbeit kein Geld verlangte. "Ich hatte Mitleid mit ihm. Er kam mir depressiv und niedergeschlagen vor, aber auch freundlich, nett, bescheiden und hilfsbereit."

Auch einen weiteren Job als Fliesenleger bei ihr sagte er zu. Bei einem weiteren Telefonat fragte der Handwerker sie, ob er ihr eine persönliche Frage stellen dürfe: "Er fragte, ob ich Single sei. Ich antwortete nein, er fragte aber trotzdem, ob wir mal miteinander ausgehen wollten." Auch das verneinte die Zeugin - daraufhin habe sich der Angeklagte mit den Worten "Ich trenne mich" oder "Ich werde mich trennen" verabschiedet. Die Frage des Richters, wie der Angeklagte den Satz genau formuliert habe, konnte die Zeugin nicht beantworten. 

Buchhalter ist sich unsicher

Als weiterer Zeuge wurde der Steuerberater des Angeklagten geladen, der ihn seit 2013 betreut. Auch ihm wurden die Stimmproben bei der Soko Hof vorgespielt. "Damals dachte ich: Ja, das ist die Stimme von meinem Mandanten. Doch jetzt bin ich mir nicht mehr sicher." Der Zeuge gibt an, dass vor allem das Sprachbild durch seine persönliche Situation eine andere sei. "In meinen Gesprächen mit dem Angeklagten kam immer das freundliche und bittende Sprachbild rüber und nicht, so wie bei den Stimmaufnahmen, der fordernde Ton."

Mutter Carmen Würth sagte bereits aus

Carmen Würth (l), Mutter des Entführungsopfers Markus Würth, steht zusammen mit ...Foto: picture alliance/Jörn Perske/dpa

Am dritten Verhandlungstag hatte bereits die Mutter des Milliardärssohn, Carmen Würth, ihre Zeugenaussage zu Protokoll gegeben. Souverän und sachlich berichtete sie von der Entführung ihres Sohnes im Sommer 2015. Eine Stunde stand sie Rede und Antwort und berichtete wichtige Details. Als sie von der Entführung erfuhren, waren Carmen und ihr Mann Reinhold gerade auf Geschäftsreise in Griechenland - und kamen sofort zurück. Der Entführer besorgte sich die Handynummer der Mutter und gab sich bei den Telefonaten als "Dr. Hassan" aus.

Über Telefon forderte er drei Millionen Euro Lösegeld. Die relativ geringe Summe hatte sie damals "verwundert". Schnellstmöglich wollten sie das Geld bezahlen, doch die Lösegeldübergabe scheiterte. Der Täter gab auf und verriet nur wenige Stunden später die Koordinaten zu dem Ort, an dem er das Opfer versteckt hatte - an einem Baum gefesselt in einem Wald bei Würzburg. Markus Würth wurde zum Glück unverletzt aufgefunden.

Dass Markus Würth als Entführungsopfer wegen seiner Behinderung ausgewählt wurde, davon gehen die Ermittler aus. Doch Carmen Würth erzählt, dass ihr damaliger 50-jähriger Sohn durchaus Menschen identifizieren kann, "er hat durch seine Behinderung andere Stärken und ein unheimlich gutes Gedächtnis". Diese Aussagen bestätigte auch der Hausvater der Wohngemeinschaft, der ebenfalls als Zeuge geladen war. Er berichtet, dass der Würth-Sohn Fremden gegenüber durchaus aufgeschlossen sei.

Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt. Die Urteilsverkündung ist für Anfang Dezember dieses Jahres geplant. Dem Angeklagten drohen bei einer Verurteilung bis zu 15 Jahre Haft. (Luisa Diegel) +++


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