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Der Angeklagte und sein Kölner Verteidiger - Fotos: Robert Kunz

FULDA Perfider Plan mit gefakter Datei?

28-Jähriger wegen Polizistenbeleidigung zu 6 Monaten verurteilt

07.12.18 - Ein ungewöhnlicher Fall ist am Donnerstag mit einem Urteil vor dem Amtsgericht Fulda vorläufig zu Ende gegangen. Um dem angeklagten Sachverhalt und der Verhandlung wirklich folgen zu können, musste man eigentlich IT-Spezialist sein. Das war weder der Richter noch die Amtsanwältin - und auch der Verteidiger und die Journalistin stießen an ihre Grenzen. Ein ausgewiesener Spezialist auf diesem Gebiet ist aber definitiv der Angeklagte. Dem 28-Jährigen werfen drei Polizeibeamte - eine Frau, zwei Männer - vor, sie am 22. Dezember 2017 morgens um halb fünf in Fulda vor der Hauptwache bei einer Alkohol- und Drogenkontrolle rund 20 Mal mit "Bulle" und "Bullenfotze" beleidigt zu haben.

Der Angeklagte bestreitet das vehement und hat dem Gericht zum Beweis eine Tonaufnahme dieser Kontrolle vorgelegt, die er währenddessen - von den Beamten unbemerkt - mit seinem Handy angefertigt hat. Auf dieser Tonaufnahme ist tatsächlich ein gereizter Wortwechsel zwischen ihm und den Beamten zu hören, von den zwanzigfachen Beleidigungen aber keine Spur. Warum hat Y. diese Aufnahme gemacht? Er werde ständig kontrolliert, sagt er selbst, vermutlich weil er "nicht-deutsch" aussehe. Bei den Kontrollen durch dieselben Beamten sei er bereits von ihnen schikaniert worden und wollte deshalb bei der erneuten Begegnung mit ihnen "Beweise sichern".

Nachdem die Beamten rund 20 Minuten lang seine Papiere kontrolliert und weder Alkohol noch Drogen bei ihm festgestellt hatten, fuhr Y. weiter und lud die Audiodatei auf seinem Handy auf seine Dropbox, um sie dort zu sichern. Die Datei wurde von Richter Jahn vor Gericht auch als Beweismittel zugelassen. Im Verlauf der Verhandlung ging es nun darum, zweifelsfrei zu beweisen, dass sie nicht vom Angeklagten manipuliert war beziehungsweise die ihn belastenden beleidigenden Ausdrücke rausgeschnitten worden waren.

Dafür wurde ein phonetischer Gutachter der Universität Trier verpflichtet, der zunächst keine Hinweise auf Schnitte feststellen konnte. Wenn zwischen der Aufnahme und der Sicherung tatsächlich nur vier Minuten gelegen hätten, wäre eine Bearbeitung mit mindestens 20 Schnitten allerdings ausgeschlossen, dafür brauche man wenigstens einen ganzen Tag, wenn nicht mehr, führte er vor Gericht aus.

Untersuchung der Datei durch LKA oder IT-Experten kam nicht zustande

Um das zu verifizieren, sollte der Angeklagte die Datei entweder einem Spezialisten des Landeskriminalamts zur Verfügung stellen oder einem anderen IT-Fachmann zur Begutachtung geben. Das wiederum lehnte der 28-Jährige ab, denn - so seine Argumentation - wer garantiere dafür, dass nicht nachträglich an seinen Daten manipuliert werde. Er habe viele schlechte Erfahrungen in dieser Hinsicht und Grund, misstrauisch zu sein. Die Versuche, einen "neutralen"IT-Spezialisten zu beauftragen, scheiterten. Stattdessen versuchte Y. am dritten Verhandlungstag, Richter und Amtsanwältin mit einem selbstgedrehten Screenshot-Video von der Echtheit seiner Audioaufnahme zu überzeugen.

Dass dies offensichtlich misslungen war, gab die Amtsanwältin bei ihrem folgenden Plädoyer zu erkennen. Sie forderte eine dreimonatige Haftstrafe, die wegen einschlägiger Vorstrafen nicht zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Unter anderem führte sie dafür ins Feld, dass die drei Polizisten keinerlei Belastungsinteresse gehabt hätten. Warum hätten sie Y. ohne jeden Grund wegen Beleidigung anzeigen sollen? Das sah der Verteidiger naturgemäß anders: "Mein Mandant ist unschuldig und deshalb freizusprechen", lautete sein Plädoyer. "Ich habe niemanden beleidigt, sondern war unfreundlich, aber das ist nicht strafbar", äußerte der Angeklagte abschließend.

Überraschendes Urteil

Richter Jahn sprach schließlich das Urteil: sechs Monate Haft ohne Bewährung und die Kosten des Verfahrens zu tragen, erlegte er dem 28-Jährigen auf. Zur Begründung sprach er von einem "perfiden Plan", mit dem Y. versucht habe, mittels einer manipulierten Datei die drei Polizisten beruflich zu vernichten. Er fühle sich von der Polizei verfolgt und habe gedacht: 'Das gewöhn ich euch ein für alle Mal ab!' Es sei tatsächlich unklar, wie viel Zeit er gehabt habe, um die Aufnahme zu bearbeiten. "Dafür muss man Ahnung haben - und als IT-Fachmann hat er Ahnung", so der Richter. Alle Versuche des Gerichts, die Echtheit der Datei zu untersuchen, habe Y. konterkariert.

Der so Verurteilte und dessen Kölner Anwalt gaben umgehend zu verstehen, dass sie dieses Urteil nicht akzeptieren und in Berufung gehen wollen. (Carla Ihle-Becker)+++


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