Stammzellenspender trifft seine genesene genetische Zwillingsschwester

14.12.18 - Zu seinem 54. Geburtstag hat Joachim Ruppel das schönste „Geschenk“ seines Lebens erhalten. Plötzlich steht sie vor ihm, Anne Schielke aus Wismar, die einst todgeweihte Frau, der der Kirchheimer seine Stammzellen gespendet und ihr damit das Leben gerettet hat. Schweigend fallen sich die beiden „genetischen Zwillinge“ in die Arme, klammern sich fest aneinander, blicken sich tief in die Augen. „Das sind Emotionen, die man nicht in Worte fassen kann“, sagt der zweifache Familienvater.

Der 32-jährigen Hansestädterin geht es ähnlich: „Ich hatte mir ein paar Sätze zurechtgelegt, habe aber keinen einzigen aus mir herausgebracht“, sagt die Altenpflegerin, die im Dezember 2015 die niederschmetternde Diagnose erhielt, an Leukämie erkrankt zu sein. Letzte Rettung: eine Stammzellentransplantation. Die Krux: Die Chancen, einen passenden Spender aufzuspüren, sind gering, unter einer Million Spendewilligen wird im Durchschnitt nur ein passender „genetischer Zwilling“ gefunden. Das Schicksal meint es gut mit der jungen Frau: die Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen endet erfolgreich.

Joachim und Silke Ruppel: Im Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie ...

Anne Schielke werden die lebensrettenden Stammzellen transplantiert

Eine Geburtstagsfeier voller emotionaler Momente...

Über einen Zeitraum von fast zwölf Jahren haben Joachim Ruppels Daten in der Deutschen Stammzellspenderdatei (DSSD) „geschlummert“. Am 31. März 2016 schlägt die große Stunde des Kirchheimers. Per peripherer Blutstammzellspende werden in Frankfurt am Main die zur Transplantation benötigten Stammzellen aus seinem Venenblut gewonnen. Joachim Ruppel lässt der Empfängerin seiner Stammzellen einen anonymen Brief mit Genesungswünschen hinterlegen. Ob sie jemals mit ihm in Kontakt treten wird, steht in den Sternen. Weiblich, deutsch, Jahrgang 1986 – mehr weiß er nicht über sie.

Einen Tag später, am 1. April 2016, heißt es für Anne Schielke „alles oder nichts“: der schwerkranken Frau werden die lebensrettenden Stammzellen transplantiert. Sie kämpft sich zurück ins Leben. „Mir geht es gut“, erzählt sie. „Wenn es so bleibt wie jetzt, kann ich gut damit leben.“

Zwei Jahre ziehen ins Land: Ein persönlicher Kontakt ist nun möglich. „Hallo Frau Schielke! Einen schönen Gruß aus Hessen wünscht jemand, der Sie gerne mal kennenlernen möchte“, schreibt Joachim Ruppel am 28. August dieses Jahres via WhatsApp an seinen „genetischen Zwilling“. Eine Stunde später erhält er die langersehnte Antwort. „Schöner kann der Tag nicht starten! Ich würde Sie gerne anrufen, aber das würde jetzt in die Hose gehen, weil ich nur heulen würde. Ach: ich sag einfach Du…“, schreibt Anne Schielke. Noch am selben Abend telefonieren die beiden miteinander.

Eine Brücke ist geschlagen. Joachim Ruppels Frau Silke ergreift die Initiative. Sie lädt Anne Schielke zur Geburtstagsparty ihres Mannes ein. „Die Feier habe ich Joachim zum Geburtstag geschenkt“, berichtet sie. Mit 13 Personen tritt die „Fraktion Wismar“ die Reise nach Kirchheim an. Anne Schielkes Lebensgefährte Sebastian Krocker ist ebenso mit von der Partie wie ihre engsten Freunde.

Anne Schielke kämpft sich zurück in Leben.

An ihrer Seite: Lebensgefährte Sebastian Krocker.

Anne Schielke und Joachim Ruppel stehen sich gegenüber: Wortlos fallen sich die beiden in die Arme, klammern sich fest aneinander, blicken sich tief in die Augen. „Das passt mit uns“, resümiert der 54-Jährige. „Da stand nichts Fremdes zwischen uns. Wir waren uns von Anfang an sympathisch.“ Übrigens: Im April 2019 wird sich Familie Ruppel in den hohen Norden begeben. Schließlich will Annes „dritter Geburtstag“ beziehungsweise jener 1. April vor drei Jahren, an dem ihr Hoffnung, eine Überlebenschance und Genesung geschenkt wurden, gemeinsam gefeiert werden. (Stefanie Harth) +++