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Die beiden Angeklagten D. und H. wurden vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen - Foto: Luisa Diegel

SCHOTTEN / GIEßEN Tödlicher Sturz auf dem Hoherodskopf

Beide Angeklagte im Fall Sina E. vom Landgericht freigesprochen

01.03.19 - Das Gießener Landgericht hat die Angeklagten im Fall der tödlich verunglückten Sina E. freigesprochen und folgte damit den Plädoyers von Staatsanwalt und Verteidigung. Nach vier Verhandlungstagen waren am Vormittag die Plädoyers im Fall Sina E. gehalten worden. Die Staatsanwaltschaft war von ihrer ursprünglichen Forderung abgerückt und plädierte - wie auch die Verteidigung der Angeklagten auf Freispruch. Die Vertreter der Nebenklage wollten aber nach wie vor eine Verurteilung der angeklagten Betreiber der Anlage, hatten aber kein konkretes Strafmaß gefordert. 

In seiner Urteilsbegründung legte der Vorsitzende Richter Jost Holtzmann dar, dass die Kammer das Verhalten der Angeklagten im Vorfeld der Errichtung des „Free-Fall-Tower“ als unbedacht und nachlässig bewertet. Die Angeklagten hätten sich nicht über die Gefährlichkeit der betriebenen Anlage informiert. Vielmehr sei es durch an der Errichtung beteiligte Unternehmen zu gravierenden Abweichungen von vorhandenen Vorgaben gekommen. So seien in der Nähe des als Auffangvorrichtung für Springende dienenden Luftkissens gefährliche Hindernisse in Form von spitzzulaufenden Basaltkegeln zu finden gewesen. Auch die Länge der oberen Sprungplattform sei entgegen der Vorgaben deutlich zu kurz gewesen.

Gleichwohl seien die Angeklagten freizusprechen gewesen, denn es sei nach Anhörung der Sachverständigen nicht feststellbar, dass die festgestellten Fehler auch zum Tod von Sina Erb geführt hätten. Die Vorschriften zur Länge der oberen Plattform dienten dem Schutz vor einer Kollision mit der unteren Plattform, was hier nicht erfolgt sei. Dass die Kollision mit einem der vorhandenen Steine den Tod des Mädchens herbeigeführt habe, sei nach Ausführungen des angehörten rechtsmedizinischen Sachverständigen zwar plausibel. Der Sachverständige habe es aber als auch einigermaßen wahrscheinlich dargestellt, dass der Tod des Mädchens allein durch den Sturz von der Plattform aus acht Metern Höhe verursacht worden sein könnte, ohne dass es auf die Kollision mit einem Stein ankomme.

Staatsanwaltschaft plädierte auf Freispruch

Staatsanwalt Rouven Spieler betonte, das Gericht habe nicht darüber zu entscheiden, ob es nun richtig sei, Minderjährige von einem solchen Turm springen zu lassen. „Wir sind dafür da, zu prüfen, ob in diesem Fall  fahrlässig gehandelt wurde.“ Sina hatte sich bei ihrem Sprung am oberen Gitter festgehalten, bekam dadurch einen Linksdrall und fiel so nicht auf das Luftkissen, sondern daneben. „Wenn das Gitter nicht da gewesen wäre, hätte sie keinen Seitendrall bekommen. Jedoch ist das Gitter zur Sicherheit angebracht und mit besten Absichten installiert worden“, so Spieler. „Es wäre deshalb vermessen zu sagen, dass es jedem hätte einleuchten müssen, dass das Gitter eine Gefahr darstellt.“ Laut TÜV Österreich liegen die Vorgaben bei der oberen Absprungplattform bei 1,3 Metern. Mit nur 1,09 Metern war diese bei dem Sprungturm auf dem Hoherodskopf zwar zu kurz, „der Sinn dieser 1,3 Meter liegt aber darin, dass man nicht auf der unteren Plattform landet. Das können wir deshalb den Angeklagten nicht zum Vorwurf machen.“

Fahrlässiges Handeln sieht der Staatsanwalt jedoch in der Umgebung, in die das Luftkissen eingebaut war. Die Betreiber sagten vor Gericht aus, dass sie sich beim Aufbau vollkommen auf die Mitarbeiter der beauftragten Firma verlassen hätten. „Ist es fahrlässig, die Steine dort stehen zu lassen? Sie waren jedenfalls so auffällig, dass man seinen gesunden Menschenverstand hätte einsetzen müssen, stattdessen haben die Angeklagten geschwiegen und die Steine dort stehen gelassen.“ Doch die Frage ist, ob Sina noch leben würde, wenn die Steine um das Luftkissen vorher entfernt worden wären, bliebe unbeantwortet. Der medizinische Gutachter sagt „ja“. Doch dann wäre sie auf den Boden aufgekommen, „sie könnte noch leben“. Aber niemand könne sagen, wie wahrscheinlich das ist. Für eine Fahrlässigkeit reichte das der Staatsanwaltschaft nicht aus, sie plädierte deshalb auf Freispruch.

Für Nebenklage ist es fahrlässige Tötung

Der Anwalt der Nebenklage sieht das anders. Schon die Auswahl des Platzes sei ungeeignet gewesen, „die Felsen, Steine und das Hydrantenschild waren Hindernisse“. Schwierigkeiten sieht die Nebenklage darin, dass es keine bindenden gesetzlichen Bestimmungen gibt, woran sich das Gericht hätte halten können. Bis zur Schließung der Beweisaufnahme waren sich Zeugen und Gutachter beispielsweise nicht einig, ob der Free-Fall-Tower nun als Sprungturm, Gerüst oder als fliegender Bau einzuordnen ist. Kritik äußerte die Nebenklage daran, dass ein Gerüstbauer beauftragt wurde, der vorher noch nie einen Sprungturm geplant hat, auch die Gerüstbauteile waren von unterschiedlicher Qualität. Auch deshalb zieht die Nebenklage fahrlässiges Handeln in Betracht und plädierte deshalb auf fahrlässige Tötung.

„Unsere Mandaten sind tief betroffen, der Fall beschäftigt sie bis heute“, beginnt der Verteidiger sein Plädoyer. Doch die Angeklagten haben den Vorfall nicht vorhersehen können. „Funsportanlagen sind immer mit einem Risiko verbunden. Die Steine konnte jeder sehen, der gesprungen ist.“ Doch für die Verteidigung waren die Steine keinesfalls ursächlich für den tödlichen Verlauf des Sprungs gewesen. „Der Kopf ist nämlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht auf den Stein geschlagen.“ So hatten es zumindest die Zeugen ausgesagt, die das Unglück gesehen haben und Sina zur Hilfe geeilt sind. Die Verteidigung ist sich sicher: „Es ist nicht immer jemand verantwortlich, wenn ein Unglück passiert.“ Deshalb plädierten sie für ihre Mandanten ebenfalls auf Freispruch. (Luisa Diegel) +++


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