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Lygia Wagenführer und Heiko Denner begleiteten die Ausstellungseröffnung gelungen mit ihren Liedern aus alter Zeit. - Fotos: Eva Wiedenröder

FLADUNGEN “Volk - Heimat - Dorf."

Ausstellungseröffnung im Fränkischen Freilandmuseum

02.04.19 - Seit dem Wochenende hat das Fränkische Freilandmuseum wieder geöffnet. Gleich zu Beginn der neuen Saison wartet man mit einer Sonderausstellung auf. Unter dem Titel “Volk - Heimat - Dorf. Ideologie und Wirklichkeit im ländlichen Bayern der 1930er und 1940er Jahre” gibt sie sehr interessante und aufschlussreiche Einblicke in das dörfliche  Alltagsleben von damals und den Einfluss der NS-Propaganda. Zum vielschichtigen Thema gibt es in den nächsten Wochen und Monaten obendrein ein Begleitprogramm mit Führungen und Vorträgen.

Am Sonntagmittag zur Ausstellungseröffnung Im Freilandmuseum Fladungen drängten ...

Der stellv. Vorsitzende des Museumszeckverbandes, Bezirkstagspräsident Erwin ...

Die Exponate, wie hier die von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern hergestellten ...

Der offiziellen Teil der Eröffnung am Sonntagmittag ging im Saal des Museumsgasthofs “Zum Schwarzen Adler” über die Bühne. Dort konnte der stellvertretende Vorsitzende des Zweckverbandes Fränkisches Freilandmuseum, Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel, eine große Zahl geladener Gäste begrüßen, u.a. auch Vertreter anderer Museen.

Manches fällt erst auf den zweiten Blick auf: so ist auf der Handkurbel dieser Honigschleuder ...

Unter den Ausstellungsstücken findet sich auch eine sog. Kochkiste aus vergangenen ...

Dotzel umriss einführend kurz das Anliegen der Ausstellung, die als Gemeinschaftsprojekt der Arbeitsgemeinschaft süddeutscher Freilichtmuseen, der auch die Fladunger Einrichtung angehört, entstanden ist. Wenn von den 1930er und 40er Jahren die Rede ist, geht es meist um die große Politik. Die Ausstellung möchte aber gezielt das Alltagsleben dieser Zeit auf dem Lande und die ideologische Durchdringung der Gesellschaft durch das NS-Regime beleuchten. Es handelt sich um keinen strengen Zeitschnitt der Jahre 1933 bis 1945, gab es doch auch schon politische und gesellschaftliche Veränderungen vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten und auch die Nachkriegsjahre waren noch von dieser Zeit geprägt. Die Ausstellung befasst sich schwerpunktmäßig mit den Themen Landwirtschaft, Alltagsleben, Siedlungsbau, Verfolgung und Gewalt. Das Fladunger Museum hat sich u.a  mit Beiträgen über den “Dr.-Hellmuth-Plan” und dem Reichsarbeitsdienst (RAD) auf der Rhön an der Konzeption der Ausstellung beteiligt.

Kriegsspielzeug gab es schon im Kaiserreich. Daran anknüpfend hielt in den 1930er ...

Der Reichsarbeitsdienst (RAD) auf der Rhön ist ein Thema der Ausstellung im Freilandmuseum. ...

Eine sehr aufschlussreiche Ausstellung, die zu Denken gibt, zumal Begriffe wie “Volk” und “Heimat” in unseren Tagen wieder missbräuchlich Verwendung finden, wie Dotzel bemerkte. Er dankte mit Museumsleiterin Ariane Weidlich dem Kurator und stellv. Museumsleiter Heinrich Hacker und den beim Aufbau der Ausstellung beteiligten Mitarbeitern des Hauses. Solch eine Ausstellung sei von einem Museum alleine gar nicht machbar, wie Weidlich herausstellte und auf die Bedeutung von Kooperationen, wie die Arge süddeutscher Freilichtmuseen, und die daraus resultierenden Synergie-Effekte verwies. Sie schätzte sich glücklich über weitere Partner, wie den Museumsverbund Rhön-Saale oder die Kulturagentur Rhön-Grabfeld. Eine weitere Kooperation entwickelt sich mit dem Rhönmuseum. “Wir sehen uns nicht als Konkurrenz, sondern als Einrichtungen, die sich ergänzen”, betonte Weidlich. Im Rhönmuseum werden übrigens auch die Vorträge zur Sonderausstellung stattfinden. Darüber, dass die beiden Museen eng zusammenarbeiten möchten, äußerte sich Fladungens Bürgermeisterin Agathe Heuser-Panten in ihrem kurzen Grußwort hocherfreut.

Museen tragen mit der Vermittlung der Geschichte eine besondere Verantwortung der Erinnerung, hatte die Museumsleiterin deutlich gemacht. Mit der Sonderausstellung hat sich das Freilandmuseum ein “schwieriges, belastetes und belastendes Thema” vorgenommen, das bislang in vielen Museen zu kurz gekommen ist, wie Heinrich Hacker weiter ausführte.

In der Ausstellungspraxis und dem Zeigen von Nazi-Devotionalien haben sich die Museen lange schwer getan. Doch schon auf scheinbar “unschuldigen” Gegenständen, wie Honigschleudern und Kochkisten, Kleider und Kinderspielzeug prangt das  Hakenkreuz und sie offenbaren auf den zweiten Blick, dass das als einfach und idyllisch propagierte Landleben alles andere als unpolitisch war.

Auch in der Provinz war die Ideologie des Regimes allgegenwärtig. Das zeigte Hacker an mehreren Beispielen auf,  wie einem Foto aus dieser Zeit von einem sog. “Hergottswinkel”, wo in der Stube gleich neben dem Kruzifix, Jesu und Maria wie selbstverständlich ein Portrait des Führers hängt. Das wirft freilich die Frage auf, ob die Menschen Hitler tatsächlich als Heilsbringer gesehen haben. Dem mochte Hacker nicht uneingeschränkt zustimmen. “Zu viele Aktenvermerke aus dieser Zeit sprechen dagegen. Gerade in den erzkatholischen Gegenden Unterfrankens hat es Widerstand gegeben”, so der Ausstellungsleiter.

Hacker ging in seinem kurzen Vortrag und beim anschließenden Rundgang durch die Ausstellung unter anderem auch auf den nach dem unterfränkischen Gauleiter und späteren Regierungspräsidenten Otto Hellmuth benannten “Dr.-Hellmuth-Plan” ein. Ziel seine “Rhönaufbauplans“ war die völlige Umgestaltung von Landwirtschaft, Landschaft und Bevölkerung, wobei die Errichtung von ertragreichen Erbhöfen und ihre Besetzung mit geeignet erscheinenden Menschen eine wichtige Rolle spielten. Die Umsetzung ging einerseits mit Kultivierungsmaßnahmen auf der Hochrhön einher, die vom RAD sowie von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern durchgeführt wurden. Auf der anderen Seite sah der Plan eine rassenbiologische Erfassung der Rhönbevölkerung vor. Das war mit einer sog. „Durchmusterung“ und im schlimmsten Fall mit Sterilisierung, Internierung, Umsiedlung oder gar dem Euthanasie-Tod verbunden. Dem Ausstellungsbesucher stellt sich die Frage, was wohl aus der Rhön und ihren Bewohnern  geworden wäre, wenn die Nationalsozialisten ihre Pläne in vollem Umfang umgesetzt hätten.

Die 1930er Jahre in Deutschland waren nicht nur vom gesellschaftlichen Umbruch geprägt. Sie brachten auch die ersten großen Musikstars zum Vorschein und ließen vielen Menschen den zumeist sehr politischen Alltag vergessen. Diesen Aspekt  verkörperten bei der Ausstellungseröffnung  Lygia Wagenführer (Gesang) und Heiko Denner (Klavier) vortrefflich mit ihren Liedbeiträgen. (eva) +++


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