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Ab sofort verfügt der Landkreis Fulda über ein zwölfköpfiges Team, das befähigt ist, sich um jene Helfer zu kümmern, die besonders belastende Einsätze absolviert haben. - Archivfoto: O|N

FULDA Hilfe nach besonders belastenden Einsätzen

Neu ausgebildet: Zwölfköpfiges Helferteam für Rettungskräfte

27.04.19 - Tragische Verkehrsunfälle, Brände mit Todesopfern, Unglücke, bei denen Kinder beteiligt sind: Solche Ereignisse gehen nicht spurlos an den Rettungskräften vorbei. Ab sofort verfügt der Landkreis Fulda über ein zwölfköpfiges Team, das befähigt ist, sich um jene Helfer zu kümmern, die besonders belastende Einsätze absolviert haben. Für alle zwölf ist das Thema nicht neu, denn sie selbst sind in der Gefahrenabwehr tätig – als Feuerwehrleute, Notärzte, in Diensten des DRK oder der Malteser. Und deswegen wissen sie umso besser, wie schwer manche Ereignisse zu verarbeiten sind.

Fachdienstleiter Gefahrenabwehr Frank Reith (links), Kursleiterin Beate Grziwotz-Heller ...Foto: Leoni Rehnert

Zwei Wochenenden haben die elf Männer und eine Frau vieles über Psychotraumatologie erfahren und darüber, auf was bei Einzelgesprächen mit Kolleginnen und Kollegen zu achten ist. Sie haben Einblick erhalten, wie Gruppenmaßnahmen ablaufen sollten, etwa Gespräche direkt nach extrem stressreichen Situationen, bei denen sich die Einsatzkräfte quasi öffnen und auch ihre Nöte erklären können.

Beide Seminarblöcke beinhalteten jeweils einen hohen Praxisanteil, der in aller Regel zur wichtigen Selbstreflexion führt, bei der die Teilnehmer ihre individuellen Grenzen erkennen können – und auch das wiederum verarbeiten müssen. So fasst Kristina Schmidt, Sprecherin der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) des Landkreises Fulda, die Inhalte zusammen.

Schwerer Unfall auf der B27 im Sommer 2018 Archivfoto: Nina Bastian

„Diese Art der Betreuung der Rettungskräfte wird immer wichtiger“, sagt sie und nennt etwa Ereignisse wie den Verkehrsunfall auf der B27 bei Marbach, bei dem drei Menschen starben, oder auch den dramatischen Flugunfall auf der Wasserkuppe. „Die Rettungskräfte funktionieren in solchen Situationen verlässlich professionell, aber man kann davon ausgehen, dass sie die Belastung mit nach Hause nehmen. Da müssen wir ansetzen“, sagt Erster Kreisbeigeordneter Frederik Schmitt, Dezernent für die Gefahrenabwehr.

In den vergangenen drei Jahren investierte der Landkreis schwerpunktmäßig in die Ausbildung von zivilen Einsatzkräften, um nach schwerwiegenden Erlebnissen und Todesfällen den Bedürfnissen von Augenzeugen, Angehörigen und Hinterbliebenen gerecht werden zu können. Damit wurde ein Netz zur Betreuung und Stabilisierung in den ersten Stunden geschaffen. „Dies ist uns durch verschiedene Ausbildungslehrgänge und im Zuge der Zusam-menlegung der Kriseninterventions- und Notfallseelsorgesysteme sehr gut gelungen“, sagt Kristina Schmidt.

Flugunglück auf der Wasserkuppe Archivfoto: Martin Engel

Jetzt lag der Schwerpunkt auf der Ausbildung und Qualifizierung von aktiven Einsatzkräften aller Hilfsorganisationen, um Kompetenzen für die Nachsorge ihrer Kolleginnen und Kollegen zu erlernen. „Wir wissen aus eigener Erfahrung, welche Belastungen auf die Einsatzkräfte einwirken; gerade bei den jüngeren Kameraden“, sagt Andreas Friedrich und ergänzt: „Vieles stecken sie weg, aber man weiß nicht, wie gut sie in der Lage sind, das Erlebte auch auf Dauer zu verarbeiten.“ Deswegen war es ihm, wie auch den anderen elf Teilnehmern ein Anliegen, sich in diesem Bereich zu engagieren.

Die beiden Wochenenden waren für alle interessant und lehrreich. Denn wenngleich sie teils bereits Vorkenntnisse hatten, sind die Strategien für eine psychische Nachsorge anspruchsvoll. „Wir müssen für zweierlei bereitstehen“, sagt der Leitende Notarzt Dr. Carsten Dittmann: „Zum einen sind wir direkt an der Einsatzstelle, auf der Rettungs- oder Feuerwache da, zum anderen aber auch ein paar Tage nach dem Geschehen.“

Wichtig ist in diesem System, dass das Team auch die Grundlage für präventive Arbeit erarbeitet hat – zum Beispiel Faktoren, auf die man achten muss. „Dabei geht es etwa um die Frage, welche Signale sind bei jemandem zu erkennen, weil er sehr belastet ist? Ist er in sich gekehrt oder sind Veränderungen in seiner Persönlichkeit zu erkennen?“, zählt Daniel Zeier auf.

Rettungsdienst und Feuerwehr an der Einsatzstelle Archivfoto: Marius Auth

Und das soll auch kommuniziert werden: „Denn genau darin liegt auch ein wirksamer Ansatz der Prävention. Wenn die Kollegen wissen, dass es dieses Hilfesystem gibt, ist das bereits eine Unterstützung“, ist sich Torsten Röder sicher. So sieht das auch Michael Aschenbrücker: „Wir haben alle längere Einsatzerfahrung und waren bislang ein Stück weit allein mit unseren Belastungen. Wir haben uns untereinander ausgetauscht, aber ein spezielles Team ist ein enormer und wichtiger Fortschritt.“ Und Carsten Dittmann ergänzt: „Das Bewusstsein ist gestiegen, dass man als Einsatzkraft auch Schwäche zeigen darf. Die Wichtigkeit, diese Situationen professionell aufzufangen, wurde auch vonseiten des Landkreises erkannt. Mit dem Team haben wir eine wichtige Stütze geschaffen, das zudem nach Leitlinien arbeitet, die nahezu weltweit Gültigkeit haben.“ Überrascht habe dabei, wie einfach die Regeln offenbar zu erlernen sind, sagt Aschenbrücker. „Ich denke, wir haben erfahren, wie man mit einfachen Mitteln eine strukturierte Nachsorge machen kann. Wir haben den Grundstein gelegt, daran immer weiter zu wachsen“, sagt Marco Taschner.

Ganz wichtig ist für das Team auch die Funktion von Koordinatorin Kristina Schmidt, die die Einsätze planen und auch mit durchführen wird. Sie hat bereits große Erfahrung: Seit mehr als zehn Jahren ist sie in der Einsatzkräftenachsorge aktiv, sowohl in der Einzelbetreuung als auch in der Leitung von Gruppeninterventionen. „Diese Arbeit ist ebenfalls hilfreich, um den Führungskräften den Rücken freizuhalten“, sagt Carsten Dittmann und ergänzt: „Wenn man bei einem extremen Einsatz weiß, dass ein Team vor Ort ist, das ein Gespür für die Belastungen der Einsatzkräfte und ein Auge auf sie hat, dann ist das sehr wertvoll.“ (pm) +++


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