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- Fotos: Julius Böhm

FULDA / VERDEN Schutzengel am Stauende

LKW-Fahrer Marvin Reichert (24) verhindert Schulbus-Katastrophe

23.07.19 - Es ist zweifelsfrei ein Horroszenario: Auf der Autobahn bildet sich ein Stau. Auto an Auto, Lastwagen an Lastwagen. Von hinten rauscht ein Lastwagen heran, übersieht das Stauende. Die Fahrzeuge im Stau haben keine Chance, werden ineinander geschoben, zerquetscht wie Blechdosen.  "Tagtäglich hört man von solchen Unfällen", sagt Marvin Reichert aus Fulda. Der 24-jährige Berufskraftfahrer fährt seit gut einem Jahr für die Firma Mehl Transporte. Seine Ausbildung hatte er bei der Spedition Zufall absolviert. Vor gut einem Monat wurde er in einen schweren Unfall auf der A 27 nahe dem Dreieck Walsrode in Richtung Bremen verwickelt - und zu einem Helden.

Reichert war auf dem Weg von Gotha nach Bremen. Auf einer geraden Strecke staute sich der Verkehr vor einer Baustelle. Der Osthesse kennt die Gefahren: "Ich habe die Warnblicker eingeschaltet und etwa 20 Meter hinter einem Bus angehalten. Ich schaue immer in den Rückspiegel", sagt Reichert. Der Bus hatte ihn kurz vorher überholt. Hinter ihm ist ein Lastwagen mit deutschem Kennzeichen. Doch dann: "Von hinten kam ein Lastwagen, der einfach nicht langsamer wurde. Als ich sah, dass dieser nicht mehr anhalten konnte, habe das Lenkrad herumgerissen und Vollgas gegeben. Dann habe ich nur noch den Einschlag gespürt", sagt der junge Lastwagenfahrer. Sein Fahrzeug wurde 100 bis 150 Meter nach vorne geschleudert, stieß gegen die Mittelleitplanke.

Schwerer Unfall auf der A 27 in Norddeutschland. Links im Bild der Lastwagen des Fahrers ...Foto: Polizeiinspektion Verden / Osterholz

Fotos (2): privat

Die Autobahnpolizei Verden/Osterholz schreibt später in einer Pressemitteilung: "Geistesgegenwärtig entschloss er sich, eine Lücke zwischen dem vollbesetzten Reisebus vor ihm und den hinter ihm stehenden Lkw des 66-Jährigen zu schaffen und mit Vollgas auf die linke Spur zu fahren. Dadurch wollte der 24-Jährige verhindern, dass auch der Reisebus in das drohende Unfallgeschehen verwickelt wird - was auch gelang. Der 38-jährige Rumäne am Steuer einer 40-Tonners fuhr zwar ungebremst auf und schob den am Stauende stehenden Lkw des 66-Jährigen auf den Gefahrguttransporter des 24-Jährigen. Der Reisebus jedoch blieb unbeschadet."


Medien feiern ihn als Helden

Der Osthesse wird leicht verletzt, kommt zunächst in ein Krankenhaus. In den Fachmedien und der lokalen Presse in Norddeutschland wird Reichert als "Held" gefeiert. Er selbst sieht sich keinesfalls als Held, ist bescheiden. Gefreut hat ihn aber, dass die Schulklasse aus Verden ihm aus Dankbarkeit ein Klassenbild und ein Präsentkorb mit regionalen Spezialitäten geschickt hat.

Seit dem Unfall schaut Marvin Reichert noch genauer nach hinten, sobald sich der Verkehr staut. "Der rechte Fuß steht immer vor dem Gaspedal", sagt er - um im Notfall ausweichen zu können. Wenn mehrere Fahrzeuge hinter ihm im Stau stehen fühlt er sich sicherer.


Doch warum kommt es immer wieder zu diesen schlimmen Unfällen am Stauenende? Reichert vermutet, dass in erster Linie die digitale Ablenkung durch Mobiltelefone oder Laptops schuld ist. Auch verlassen sich einige Fahrer zu sehr auf die Sicherheitssysteme, oder schalten diese aus, um ein paar Minuten herauszuholen, meint er. Aber gerade auch die ausländischen Fahrer stehen unter Stress, sind oftmals übermüdet. Bei dem Unfall auf der A 27 wird der mutmaßliche Unfallverursacher schwer verletzt, die beiden weiteren Lastwagenfahrer leicht. Die Autobahn ist mehrere Stunden voll gesperrt. Feuerwehr und Rettungsdienst sowie Rettungshubschrauber und das Technische Hilfswerk sind vor Ort im Einsatz. Der Sachschaden beträgt laut Polizeiangaben circa 300.000 Euro.

Nicht auszudenken, was passiert, wenn der Lastwagen ungebremst auf Reicherts Lastwagen und in der Folge auf den mit Schulkindern besetzten Bus kracht. Der Osthessen hat vermutlich sich selbst, aber auch die Schulkinder vor Schlimmeren bewahrt. Seit Montagmorgen um 7 Uhr Morgens ist Marvin Reichert wieder unterwegs. Erst am Freitag kehrt er von seiner Tour zurück. Am Lenkrad zählt für ihn nur 100 Prozent Konzentration. (Hans-Hubertus Braune) +++


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