Prozessauftakt zum tragischen Tod der 16-jährigen Sophia im Neuhofer Bahnhof

06.08.19 -

Hier am Neuhofer Bahnhof ereignete sich das tragische Unglück Foto: O|N

Der tragische Tod der 16-jährigen Schülerin Sophia aus Neuhof wäre "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" zu verhindern gewesen, wenn die vier Angeklagten an jenem verhängnisvollen 4. Februar 2010 ihren jeweiligen Job ordentlich gemacht hätten. So lautet in Kurzform der Kern der vielseitigen Anklageschrift, die Staatsanwältin Lambiel am heutigen Dienstag vortrug. Zum Prozessauftakt waren so viele Kamerateams und Medienvertreter im Landgerichtssaal vertreten, dass Eintrittsnummern vergeben werden mussten. 

Großer Medienandrang im Gericht Fotos: Jonas Wenzel (Yowe)

Die vier Angeklagten und ihre Verteidiger

Es war kalt an jenem Februarmorgen vor fast zehn Jahren. Am Bahnsteig des Neuhofer Bahnhofs wartete die 16-jährige Schülerin, um mit dem aus Frankfurt kommenden Regionalexpress nach Fulda weiterzufahren. Laut Anklage war der Bahnsteig zu dieser Zeit nicht durchgehend auf der vorgeschriebenen Tiefe von 1,80 m - ausgehend von der Bahnsteigkante -, sondern zum Teil lediglich bis auf 1,24 von Schnee geräumt. Infolgedessen befanden sich eine erhebliche Anzahl der wartenden Schüler, die sich bereits wie üblich vor der Einfahrt des Regionalzuges auf dem Bahnsteig aufhielten, außerhalb des Sicherheitsbereichs, also im Bereich hinter der Sicherheitslinie zur Bahnsteigkante hin. Zusätzlich zu dem mangelhaften Räumzustand habe es dort nicht nur vereinzelte, sondern erhebliche Eisbildungen gegeben, die durch einen ordentlichen Winterdienst hätten verhindert werden können. Unmittelbar vor Einfahrt des Zuges in den Bahnhof rutschte die Schülerin auf einer vereisten Stelle im Bereich der Bahnsteigkante aus und stürzte ins Gleisbett, wo sie von dem einfahrenden Zug überrollt wurde und tödliche Verletzungen erlitt.

Sophias Mutter und ihr Anwalt Rudolf Karras vertreten die Nebenklage

Die vier jetzt vor Gericht stehenden Angeklagten waren in unterschiedlichen Funktionen für die Sicherheit auf dem Bahnsteig zuständig: Der 41-jährige Angeklagte Magnus K. hatte am Tattag ab 05:30 Uhr Dienst als Fahrdienstleiter am Bahnhof Neuhof, während der 67-jährige Bogumil D. seit 2002 zuständig für die Koordination der mit dem Winterdienst beauftragten Subunternehmen in Hessen und damit auch am Bahnhof Neuhof war. Der 58-jährige Angeklagte Ralf K. war zur Tatzeit Leiter des Bahnhofsmanagements Kassel bei der Firma DB Station & Service AG und für die Verkehrssicherungspflicht der Bahnsteige am Bahnhof Neuhof verantwortlich. Der 46-jährige Ergün K. war als Geschäftsführer der Gebäudereinigungsfirma K & C aufgrund eines Werkvertrags über die Beseitigung von Schnee und Eis zum Tatzeitpunkt für den Winterdienst am Bahnhof Neuhof zuständig gewesen. Laut Anklage habe er am Tattag aber keinen Winterdienst versehen. 

Langes juristischen Hin und Her vor Prozesseröffnung

Vorsitzender Richter Josef Richter

Dem heutigen Prozessbeginn vor dem Landgericht war ein jahrelanges juristisches Hin und Her vorausgegangen. Die Staatsanwaltschaft Fulda hatte 2012 ihre Ermittlungen aus Mangel an Beweisen eingestellt. Dagegen legte Sophias Mutter Beschwerde ein, der die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt stattgab und den Fall zur weiteren Ermittlung ans Amtsgericht Fulda verwies. Dort sah man sich angesichts des Umfangs des Verfahrens außerstande und übertrug den Fall dem Landgericht. Doch zu einer Verfahrenseröffnung kam es auch dort zunächst nicht, weil die damaligen Umstände und Zuständigkeiten nicht hinreichend geklärt werden könnten, argumentierte das Gericht. Gegen diese Einschätzung legten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Mutter des Opfers wiederum erfolgreich Beschwerde ein. Schließlich entschied das Oberlandesgericht Frankfurt, dass das Verfahren vor dem Landgericht Fulda doch noch eröffnet werden musste, bevor der Fall am 4. Februar 2020 - also zehn Jahre nach dem Tod der Schülerin - verjährt wäre. Es sind 30 Verhandlungstage bis zum Januar 2020 vorgesehen. (Carla Ihle-Becker)++