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Eine Ortsansicht von Silberhof. 1938 musste der am Nordosthang des Großen Auersbergs gelegene Weiler dem Truppenübungsplatz weichen. - Fotos: Archiv Jürgen Lieb

GERSFELD (RHÖN) Die Geschichte des Truppenübungsplatzes

Leben in Armut - Heute: Reichtum der Flora und Fauna im Truppenübungsplatz

27.09.19 - Die Geschichte des Truppenübungsplatzes, vor allem die der abgesiedelten Dörfer übt auch heute noch eine große Faszination aus. So war der Vortrag in der Stadthalle Gersfeld zum ehemaligen Weiler „Silberhof“, der 1938 im Zuge des Baus des Truppenübungsplatzes abgesiedelt wurde, voll besetzt.

Es war ein Natur- und Kulturhistorischer Vortrag, der von Walter Kömpel(Oberbach), der im Herbst vorigen Jahres ein Buch zur Geschichte des „Silberhofs“ herausgegebenen hat und Joachim Jenrich (Gersfeld), der seinerseits über das Naturrefugium im Truppenübungsplatz bestens informiert ist, gemeinsam gestaltet wurde. 151 Bilder haben die beiden Referenten im Laufe des Abends gezeigt. Es seien natürlich nur ausgewählte Beispiele, denn beide Themen geben auch Stoff für abendfüllende Vorträge.

Kömpel begann mit allgemeiner Geschichte: 1936 wurde der Bau des Truppenübungsplatz zwischen Gersfeld, Bad Brückenau, Motten und Wildflecken beschlossen. Die im Gebiet liegenden Dörfer wurden abgesiedelt, auf bayerischer Seite waren es Reußendorf mit Weiler Silberhof (Adamshof, Sarahof, Heinrichshof und Marxehof), Altglashütten mit dem Wiesenhaus und Haus Franken, Neuglashütten, der Weiler Dörrenberg zu Kothen gehörend, der Schmelzhof bei Kothen, Werberg mit den Auersberghöfen, der Ebertshof zur Gemeinde Römershag gehörend und Rothenrain mit Disbachmühle und -hof. Auf hessischer Seite wurden Kippelbach, Dalherda und Hintergichenbach (einzelne Gehöfte und die Mühle) abgesiedelt.

Die ersten Bewohner verließen ihre alte Heimat im Jahr 1937, der Rest musste bis zum 1. beziehungsweise 15. April 1938 die angestammte Heimat verlassen. Mehr als 2.500 Menschen waren davon betroffen. Der erste Schuss fiel am 8. Februar 1938, in der Nähe von Silberhof, abgefeuert durch General Dollmann Der Silberhof lag am Nordostabhang des Großen Auersbergs.  Heute erinnert nichts mehr an den Silberhof, die ehemaligen Höfe und Gebäude sind verschwunden.  Doch es gibt noch Fotografien und in alten Dokumenten finden sich Hinweise.  In seinem Vortrag stellte Kömpel den Silberhof als typischen Rhön-Weiler dar, in dem das Leben  hart und entbehrungsreich war. Die Bewohner lebten von der kargen Landwirtschaft, der Herstellung von Pottasche, der Waldarbeit, dem Abbau von Schwerspat oder handelten mit selbst hergestellter hölzerner Ware oder irdenem Geschirr.

Nach der Schule ging es zum Skilaufen. Diese Aufnahme entstand im Jahr 1930. ...Foto: Archiv Achim Matthes, Wildflecken

Das Gasthaus zur „Rhön-Blume“: Der Eigentümer des Anwesens war die Familie ...Foto: Buch Silberhof/Walter Kömpel

Der Weiler Silberhof war ein typisches Rhöndorf.

Erstmals wurde der Silberhof 1696 urkundlich erwähnt, es war eine Streusiedlung, die zur Gemeinde Reußendorf gehörte. Seinen Namen erhielt der Silberhof, weil die ersten Siedler noch im Glauben waren, dass sie bei Grabungen auf Silber gestoßen seien. Sie mussten sich jedoch bald damit abfinden, dass es sich bei den Schürfungen lediglich um Schwerspat handelte. Der Silberhof galt als ärmstes Dorf Unterfrankens und so blieb es nicht aus, dass viele Einwohner auswanderten, zunächst nach Ungarn und später nach Nordamerika, um dort ihr Glück zu suchen. Bei der Absiedlung lebten 171 Menschen im Silberhof. Es war ein reges Dorf mit elf Vereinen, so gab es einen Kriegerverein, eine Freiwillige Feuerwehr, einen Darlehnskassenverein, einen Rhönklub Zweigverein, eine Musikkapelle, eine Ortsgruppe Kriegsbeschädigter, eine Kleinbauerinnung, einen Fußballverein, einen Ortsbienenverband und in späteren Jahren die Hitler-Jugend. An Gewerbetreibenden werden Müller, Glasmacher, ein Gastwirt, Pottaschensieder, Aschensammler, Weber, Ziegler, Schneider, Schuhmacher, Maurer und Steinhauer genannt. Es gab Gemeinde- und Polizeidiener, Wald- und Flurhüter, Leichenschauer und eine Hebamme.

„Des einen Leid, des anderen Freud“, leitete Joachim Jenrich auf seinen Part des Abends über. Durch die Einrichtung des Truppenübungsplatzes entstand zugleich ein Naturrefugium, das einem Nationalpark gleich komme. Auf 7.300 Hektar Fläche habe sich ein Rückzugsraum für eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt bilden können, vor allem Arten, die Ruhe brauchen, seien hier heimisch geworden. Die Störungen durch die militärische Nutzung seien heute nur noch gering, es gebe große Flächen, die nicht betreten werden und in denen auch nicht gejagt werde. Beispiele für besondere Tierarten sei der Schwarzstorch, der sich im Tal der kleinen Sinn äußerst wohl fühle. In der Nähe von Rommers habe Jenrich in diesem Jahr sieben Jungstörche gesehen. „Der Waldvogel hat im Truppenübungsplatz ein Refugium gefunden und nachwuchsreiche Horste.“ Die Amerikaner haben zu ihrer Zeit in Wildflecken Bäume zerschossen, die heute Brutplätze für den Uhu bieten. In etlichen Sprengtrichtern im Boden haben sich kleine Biotope gebildet, die für eine Vielzahl an Tieren Lebensraum sind. Die Vogelwelt im Truppenübungsplatz sei beeindruckend so sei das Braun- und Schwarzkehlchen ebenso beheimatet wir die Bekassine. Allerdings sei zu bemerken, dass die Freiflächen zunehmend verbuschen. Zu Zeiten der Amerikaner sei oft im Offenland geschossen worden, was zu Flächenbränden führte. Mit der Bundeswehr wurde dem Einhalt geboten, doch dies habe zur Folge, dass die Arten des Offenlandes sich verabschieden.

Der Biber und Fischotter seien mittlerweile im Truppenübungsplatz genauso zu Hause wie die Wildkatze, die sich sogar auf der Schießbahn herum treibe um Mäuse zu fangen. Mit Luchs und Wolf seien auch große Beutegreifer in die Rhön zurück gekehrt, zumindest haben sie das Gebiet durchstreift. Wohl fühle sich das Muffelwild, ein Rudel mit gut 100 Tieren und Rotwild, das sich in den Truppenübungsplatz zurück gezogen habe und auf der Gersfelder Seite zu finden sei. Die Falterwelt mit Schwalbenschwanz, Kaisermantel und Schachbrettfalter sei bei den jährlichen Wandertagen zu bestaunen. Jenrich warnte eindringlich auf eigenen Faust den Truppenübungsplatz aufzusuchen, um zu wandern und die Tierarten zu sehen. Dies sei nicht nur verboten und werde von der Kommandantur auch streng überwacht, sondern auch gefährlich für Leib und Leben aufgrund der militärischen Nutzung und der noch immer im Boden befindlichen Munition und Blindgänger aus amerikanischen Zeiten. (pm)+++


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