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Weihnachts-Premiere für Oberhirten! Bischof Gerber predigt im überfüllten Dom
26.12.19 - Zahlreich waren am Mittwochmorgen die Gläubigen im Fuldaer Dom erschienen, um den Segen von Bischof Dr. Michael Gerber zu empfangen. "Sicher war der Heilige Abend bei vielen von Ihnen völlig unterschiedlich", meinte er, "ich hoffe, sie hatten ein friedliches Fest." An Weihnachten feierten wir, dass Gott unserer Welt auf den Grund gegangen sei, dass er sich finden ließe in den Abgründen des menschlichen Lebens wie auf dem Grund unserer Seele – "und das mag uns Grund zur Hoffnung und zur Zuversicht sein.“ In seiner Predigt am ersten Weihnachtstag erinnerte der Oberhirte daran, dass die politische Ordnung Deutschlands und Europas nicht ohne die jüngere deutsche und europäische Geschichte zu verstehen sei.
„Nicht zuletzt jüngere und jüngste Ereignisse zeigen uns erschreckend auf, dass vieles, was wir als selbstverständlichen Grundkonsens betrachtet haben, plötzlich wieder zumindest von einem Teil der Gesellschaft infrage gestellt wird.“ Die kommenden drei bis zehn Jahre seien entscheidend für das Geschichtsbewusstsein, da es die letzten Jahre der Zeugen des Zweiten Weltkrieges seien, die den Mord von Juden und derer, die als „unwert“ definiert wurden, wären. Es gelte, nicht nur um die Geschichte zu wissen, sondern von ihr berührt zu sein und zu begreifen, „dass dahinter existenzielle Erfahrungen stehen, die auch eine Botschaft für uns heute haben.“ Wer noch die Gelegenheit hatte, die Zeugen im Original zu hören, trage eine Verantwortung aus der Geschichte für die Zukunft bis weit in die kommenden Jahrzehnte.
Zu Beginn seiner Predigt hatte der Bischof auf das Evangelium aus dem Johannes-Prolog hingewiesen: „Im Anfang war das Wort“. Von Anfang an habe die Kirche versucht, die Botschaft des Evangeliums in einen fruchtbaren Dialog mit der jeweils zeitgenössischen Philosophie zu setzen. „Dieser Dialog kann eine entscheidende Hilfe sein, um zu verstehen, was mit dem Evangelium gemeint ist und welche Bedeutung das Leben Jesu von der Krippe bis zum Kreuz für uns heute hat.“ Der jährlich an Weihnachten wiederkehrende Text sei als Aufforderung zu verstehen, auch heute den Dialog zwischen zeitgenössischer Kultur und der Botschaft des Evangeliums zu suchen. Von Jahr zu Jahr steigere sich die Fülle an Worten gerade auch in der virtuellen Welt. Hier sei vieles hilfreich, in der Medizin sogar lebensrettend, doch gleichzeitig werde man auch Zeuge der zerstörerischen Wirkung von Worten: „Hassbotschaften, die sich gegenseitig hochschaukeln und die Gefahr in sich bergen, zu schrecklichen Taten zu führen, wie wir sie im Mord an Walter Lübcke und beim Anschlag in Halle erleben mussten.“ Zugleich bestehe die Gefahr, dass via soziale Medien die Meinung vieler Menschen im Hinblick auf Wahlen manipuliert werde.
Die Haltung von Maria und Josef bezeugte das Wort, das sie ergriffen hatte, so der Bischof weiter. Sie könnten den Menschen unserer Zeit mit ihrer Haltung viel mitgeben von dem, was es heiße, in einer Welt voller Wörter als Menschen der Antwort und als verantwortungsvolle Menschen unterwegs zu sein. Sie hätten um ihre Geschichte gewusst. „Dem Zeugnis von Matthäus- und Lukasevangelium nach hat Josef einen Zugang zu seiner Geschichte, die Ortsangabe Bethlehem ist auch eine Angabe zum Selbstverständnis: Ich weiß, aus welcher Geschichte ich komme.“ Beide hätten die Worte der Hirten vernommen, die zur Krippe kamen. Für sie wären die fremden Hirten keine lästigen Gäste gewesen, die man am besten gleich wieder mit ein paar warmen Worten auf die Straße schickt.
"Unser Bild ist klar – was haben andere uns da noch zu sagen? Oftmals haben wir Gründe für die Annahme, dass das Gerede der Anderen jetzt eher lästig ist. Doch Maria und Josef zeigen eine andere Haltung. Es heißt von ihnen: Sie staunen über das, was die Hirten erzählen." Jenes Wort, von dem es im Evangelium heiße, dass es Fleisch geworden sei, habe Maria und Josef so tief in ihrem Inneren getroffen, dass es ihnen die Fähigkeit geschenkt habe, in noch so ungewöhnlichen Situationen staunen zu können. „Staunen ist der Anfang der Philosophie“, so habe es einmal der Philosoph Josef Pieper formuliert. „Wer staunt, wer das, was ihm begegnet, wer das, was ihm in den Worten des Gegenübers begegnet, nicht gleich in einer Schublade ablegt, sondern wer staunt, der kann neu den Dingen dieser Welt auf den Grund gehen.“ (pm) +++