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Hanns-Uwe Theele (links) und Werner Auth von der "Interessengemeinschaft barrierefreies Fulda" haben den Fuldaer Bahnhof unter die Lupe genommen. - Fotos: Maria Franco

FULDA Von Barrierefreiheit kaum eine Spur

Stressfaktor Bahnhof: "Bei den Gegebenheiten ist man aufgeschmissen"

13.05.20 - "Willkommen auf der dunklen Seite" - das könnte den Eindruck beschreiben, den viele Menschen mit Behinderung beim Betreten des Fuldaer Bahnhofs verspüren. Was zunächst etwas überspitzt klingen mag, ist bei genauerer Betrachtung Realität und verlangt den Betroffenen viel Konzentration ab. Hanns-Uwe Theele und Werner Auth von der "Interessengemeinschaft barrierefreies Fulda" haben sich vor Ort die Problemstellen angeschaut. Erfüllt der Bahnhof die Kriterien der Barrierefreiheit für Menschen mit Handicap - ob mit Sehbeeinträchtigung oder im Rollstuhl?

Schon auf dem Foto fällt auf: Im Hintergrund ist der Eingang des Bahnhofs sehr dunkel. ...

Theele engagiert sich seit 20 Jahren zum Thema Inklusion und Barrierefreiheit und erkennt nach wie vor große Mängel. Auch Werner Auth, der selbst eine Sehbehinderung hat, sieht dringenden Handlungsbedarf. "Letztes Jahr wurde der Umbau des Bahnhofs offiziell bekanntgegeben." Wieso ist eine dringende Veränderung nötig? "Viele wissen nicht, wie beispielsweise die Situation für Blinde hier ist." Denn: Am unteren Eingang geht es vom grellen Licht ins Dunkle - das fällt selbst beim Interview mit O|N unangenehm auf. "Bei solchen Gegebenheiten ist man aufgeschmissen", so Auth. Der heutige Standard sieht ein Leitliniensystem vor und sollte schon ab dem Eintritt in den Bahnhof Blinde oder Menschen mit Sehbehinderung durch das Gebäude lenken.

Zwar sei bereits ein Blindenschalter beim Busfahrplan am Bahnhofsvorplatz nahe dem Brunnen eingerichtet worden - doch wie soll ein Blinder dorthin finden? "Als Betroffener möchte man eigentlich so selbstständig wie nur möglich unterwegs sein. Das ist hier aktuell einfach nicht gegeben", erklärt Auth.

Wo bleibt die Veränderung?

Die Politik hätte Mittel bereitgestellt, damit der Bahnhof barrierefrei gestaltet werden kann, ergänzt Theele. "Bis Januar 2022 muss alles fertig sein. Das Geld ist da, worauf wird gewartet? Noch nicht einmal ein Ansatz ist geschafft." Wenn bereits etwas geplant ist, müsste bestmöglich Absprache mit dem Behindertenrat gehalten werden. "Worauf kommt es beim Umbau hauptsächlich an? Was ist das Wichtigste?"

Der Fuldaer Bahnhof ist der zentrale Verkehrsknotenpunkt für die osthessische Region. Durch ICE-Verbindungen und den internationalen Reiseverkehr hat die Barockstadt mehr Attraktivität erlangt. Doch der Blick auf künftige Großveranstaltungen gibt zu denken, wie Auth klarstellt. Es stehen Events wie die Landesgartenschau 2023 und der Hessentag 2021 mit über 10.000 Menschen bevor. "Der Bahnhof ist das Aushängeschild der Stadt. Ein gewisser Standard ist einfach erforderlich."

Weitere Hürden: Der Weg zum Zug

Die Treppen im Bahnhof müssen besser gekennzeichnet sein.

Ein Leitsystem müsste den Weg zur Information gewährleisten und zu den entsprechenden Gleisen führen. Auch die Treppen erfordern eine gewisse Kennzeichnung. "Zur Absicherung muss mindestens die erste Kante sichtbar gemacht werden - und das oben und unten", erklärt Auth.

Rampe zu den Gleisen - Zugverbindungen - Warteraum

Die Rampen zu den jeweiligen Gleisen sind viel zu steil angelegt. Theele hat das Glück, einen elektrischen Rollstuhl zu besitzen. Ältere Menschen oder unmotorisierte Rollstuhlfahrer kommen die Steigung nicht hoch. "Es ist außerhalb jeder Norm", stellt er fest. Auch am Gleis lauern Gefahren. Die Geräuschkulisse erschwert die Orientierung für Blinde. "Es gibt hier kein Sperrfeld mit Leitsystem. Ich muss mich mit dem Stock langsam rantasten", so Auth. Und schon folgt das nächste Problem: "Der ICE hat oft Verspätung. Mit einem Blick auf die Tafel komme ich nicht weit." Die Zugverbindungen müssten mit einem Knopf, der mit dem Leitsystem gekoppelt ist, abrufbar sein. Was ist, wenn es draußen kalt ist und man sich ins Warme stellen möchte? Der Warteraum am Gleis ist für Rollstuhlfahrer jedenfalls nicht nutzbar - der Absatz ist viel zu hoch. "Die Unterstellmöglichkeit bringt uns nichts", sagt Theele.

Die Rampe ist zu steil.

Werner Auth am Bahngleis: Ohne Leitliniensystem sind hier Menschen mit Sehbeeinträchtigungen ...

Langsam muss sich Auth mit dem Stock rantasten.

Der Fahrplan sollte ebenfalls angepasst werden.

Das nächste Problem: Wie soll jemand im Rollstuhl in den Warteraum kommen? ...

Die Stufe ist eine Hürde


Bahngleis 1

Der Aufenthalt im Bahnhof ist für Menschen mit Behinderung anstrengend. Bahngleis 1 birgt weitere Gefahren und ist weder für Sehbehinderte noch Rollstuhlfahrer barrierefrei. "Wir haben hier ein ganz dunkles Bahngleis, das schlecht ausgeleuchtet ist. Dadurch kann ich mich nicht zu 100 Prozent konzentrieren und die Entfernungen nicht gut einschätzen", erklärt Auth.

Die Rampe setzt nicht auf den Boden an: Der Bahnsteig müsste angehoben werden. ...Foto: privat

Auch für Menschen mit Sehbeeinträchtigung ist die Stufe vom Zug gefährlich. ...

Beide sind sich einig: Bahngleis 1 muss dringend ausgebessert werden.

Kommt der Zug am Bahngleis 1 an, ist die Klappe zum Einsteigen für Rollstuhlfahrer zu steil und berührt nicht den Boden. Aber auch für Blinde sind die Stufen gefährlich. "Der Zug hat wahnsinnig hohe Stufen", so Auth. Beide sind sich einig: Der Bahnsteig muss dringend angehoben werden. "Wir wollen nicht alle zehn Meter nach Hilfe fragen." Die "Interessengemeinschaft barrierefreies Fulda" möchte ein Umdenken erzielen und auf die Dinge aufmerksam machen, die auf den ersten Blick vielleicht nicht als Problemstellen wahrgenommen werden.

Ein Statement von der Deutschen Bahn und der Stadt Fulda wurde zu dem Thema angefragt. (Maria Franco) +++


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