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Die Bundesregierung will das Jagdgesetz erneuern - Ratgeber fordern den erhöhten Abschuss von Schalenwild - Symbolbilder: Pixabay

REGION Jagdgesetzänderung noch in diesem Jahr

Waldstrategie 2050: Bund plant Waldwende auf Kosten von Reh und Co

HintergrundDer deutsche Wald umfasst mit 11,4 Millionen Hektar 32 Prozent der Gesamtfläche des Landes, in Hessen sind es sogar über 42 Prozent. Über 50 Prozent der Fläche gehört dem Staat oder Gemeinden. Die Ergebnisse der letzten Bundeswaldinventur aus dem Jahr 2012 belegen: Der Wald in Deutschland ist im Vergleich zur Inventur aus dem Jahr 2002 vorratsreicher, älter, naturnäher und gemischter geworden. Der Anteil der Laubbäume ist auf rund 43 Prozent angewachsen.

25.07.20 - Der weltweite Tierschutz steht für die Bundesregierung offenbar an oberer Stelle. Das zumindest lassen allein rund 170 Meldungen auf der Homepage des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vermuten. Um die über 6.000 Tierarten wie beispielsweise Eisbär und Polarfuchs in der Arktis zu schützen, zahlen die Deutschen Millionen an Euro. Rohstoffe, so fordert die Bundesregierung außerdem medienwirksam, dürfe in dieser Region nur noch unter höchsten Umweltstandards abgebaut werden, um Flora und Fauna zu schützen. Der Bund weiß: "Das Bewusstsein der Bevölkerung für Tierschutzbelange ist weiter angestiegen."

Was für Bär und Fuchs in anderen Teilen der Erde gilt, scheint den heimischen Tierarten allerdings abgesprochen zu werden, denn Reh und Co. haben hierzulande keine große Lobby.

In Zukunft soll beim Abschuss nicht mehr bei Geschlecht oder Altersklassen differenziert ...

Auf gleicher Homepage heißt es: "Nur wenn die Waldeigentümer lokal die Möglichkeiten haben, darauf hinzuwirken, dass die Schalenwildbestände effektiv abgesenkt werden, lassen sich die Verjüngungsziele im Hinblick auf die Klimaanpassung erreichen und die ökonomischen Risiken der Forstbetriebe verringern."

Umgestürzte und tote Bäume nach Extremwetterlagen wie Stürmen oder Dürreperioden, Waldsterben aufgrund von Käfer- oder Pilzbefall: Der Bund scheint einen Schuldigen gefunden zu haben, der für Umwelteinflüsse sowie jahrzehntelange Misswirtschaft im Forst bezahlen soll.

Waldstrategie 2050 heißt das Zauberpapier, dass endlich alles richten soll. 15 Professoren aus forstlichen Versuchs – und Forschungsanstalten sowie aus Universitäten wollen das altbewährte Bundesjagdgesetz endgültig revolutionieren. Als "Wissenschaftlicher Beirat Waldpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft" hatten sie es in der Hand, die Eckpunkte der Waldstrategie 2020 zu überarbeiten. Laut der Pressesprecherin des BMEL soll die Ausarbeitung bereits im kommenden Frühjahr dem Kabinett zur Abstimmung vorgelegt werden. Eine entsprechende Änderung des Jagdgesetzes ist also geplant.

Reh- und Rotwild als Sündenböcke

75 Seiten umfasst das Werk, welches sich auch mit dem Thema "Wald und Wild" befasst. Eine der Kernaussagen: Teure Schutzmaßnahmen von jungen Bäumen könnten eingespart werden, wenn das Schalenwild signifikant reduziert wird. Auch haben die Berater der Bundesregierung eine Lösung, um Wildunfälle künftig zu verhindern: Reh und Co könnten bereits vorher geschossen werden.

Doch wer soll schießen?

Die Jagd, so kommen die Experten zu dem Schluss, sei ein "sehr emotionales Thema". Dem "überholten Revier- und Prestigedenken" der Jäger solle endlich Einhalt geboten werden. "Ein zentrales Hindernis für ein effizientes Wildtiermanagement zur Verbesserung der Verjüngungssituation im Wald ist die Tatsache, dass die Jagdausübung vielfach in der Hand von Jägern liegt, die bei der Jagd Entspannung vom beruflichen Alltagsstress und Erholung in der Natur suchen und dem Waldzustand gegenüber der Jagd keinen Vorrang einräumen", heißt es wörtlich in der Forderung des Wissenschaftlichen Beirates. Der gestresste Hobbyjäger, meinen die Verfasser also, soll nicht nur Flora und Fauna bestaunen, sondern mehr Wild schießen.

Ein "zentrales Hindernis"

Die Jäger sollen es richten - und das, obwohl sich diese gegen eine Gesetzesänderung ...

Um den Waidmännern dahingehend mehr zu motivieren, müsse die Jagdgesetzgebung angepasst werden. Die Ratgeber schlagen beispielsweise einen verpflichtenden Mindestabschuss vor. Wer als Revierpächter dagegen verstößt, soll künftig Besuch von staatlichen Jägern bekommen, die eine "Ersatzvornahme" durchführen. Generell sind die Experten für mehr staatliche Kontrolle: So sollen die Forstbehörden die Wildtierpopulation ständig überwachen – und bei zu viel Wild einschreiten dürfen.

Hege und Pflege des Wildes scheinen dem Beitrat hingegen ein Dorn im Auge zu sein. Nicht verwunderlich ist also ihre Forderung "bestehende gesetzliche Regelungen, die sich aus dem Hegegedanken des Reichsjagdgesetzes ableiten, aus dem Jagdgesetz zu Gunsten wildbiologischer und ökologischer Erkenntnisse zu entfernen."

Die traditionelle Jägerschaft habe, wie auch noch im alten Gesetz aus dem Jahr 1934 verankert, die Hege der Tiere und den Aufbau attraktiver Wildtierpopulationen im Sinn. "Hier muss es zu einer grundlegenden Neuausrichtung kommen", meint deswegen der Rat und schlägt vor, entsprechende "Gesetzeslücken" endlich zu schließen. Was das Zusammenschießen des Bestandes mit "wildbiologischen Erkenntnissen zu tun hat, beantworten die 15 Spezialisten allerdings nicht.

Kein Schutz mehr für Ricken und Co?

Auch der Rotwildbestand soll minimiert werden

Dafür sollen die Waldeigentümer (über 50 Prozent des deutschen Waldes gehört dem Staat oder Gemeinden) lokal mehr Möglichkeiten bekommen, Schalenwildbestände effektiv abzusenken. Von "gebräuchlichen undefinierten Begriffen wie gesunder Wildbestand, und ausgeglichenes Geschlechterverhältnis" müsse man sich verabschieden. "Wenn hierdurch der Spielraum für alle Waldbesitzer deutlich erweitert würde, würde es auch zu einer höheren Variabilität der Managementstrategien kommen.

Mehr Kosten für den Jagdpächter?

Zu bedenken gibt die Fachrunde außerdem, "dass die Wildschäden im Wald (anders als in der Landwirtschaft) von den Jagdausübungsberechtigten meist nicht erstattet werden, sodass sie ihre Jagdkonzepte nicht auf eine Schadensminderung im Wald ausrichten." Ob dieser Hinweis eine verpflichtende Kostenübernahme von weiteren Wildschäden für die Jäger in Zukunft bedeutet, scheint zumindest möglich.

Weitere Verkürzungen der Schonzeiten

Um ihr Ziel, die Schalenwildbestände in den deutschen Wäldern möglichst effektiv zu senken, zu erreichen, greifen die Experten zu kreativen Mitteln: So fordern sie beispielsweise zusätzlich eine Zulassung weiterer technischer Methoden, die die Bejagung effizienter machen oder eine Anpassung der Jagdzeiten an die Erfolgsaussichten der Jagd.

Auch wenn die "Waldstrategie 2050" erst im kommenden Jahr beraten wird, steht in diesem Jahr bereits eine Änderung des Jagdgesetzes an. Im September, so bestätigte eine Sprecherin des BMEL auf Anfrage von OSTHESSEN|NEWS, soll ein entsprechender Entwurf dem Kabinett vorgelegt werden. Der Inhalt: Anforderungen an Büchsenmunition, neue Bestimmungen für die Jäger- und Falknerausbildung und -prüfung sowie einen Schießübungsnachweis. "Darüber hinaus enthält der Entwurf neue Regelungen zum Thema Wald und Wild, wie die Bundesministerin sie in ihrem Eckpunktepapier auf dem Waldgipfel im Herbst 2019 bereits angekündigt hat", so die Sprecherin. Bereits diese, so geht aus dem Papier hervor, sieht "einen angepassten Wildbestand" sowie weitere Verpflichtungen für die Jägerschaft vor. (Miriam Rommel) +++


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