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Auf dem rechten Bild hält sich der Polizeibeamte am Wagendach fest und tritt in das Innere des Fahrzeugs - wo der Inhaftierte sitzt. - Screenshot: HR

REGION Freund und Helfer in der Kritik

Nach Polizeigewalt in Frankfurt: Was passiert mit dem Ansehen der Polizei?

20.08.20 - Die Polizei, dein Freund und Helfer. Doch wie viel Helfer und vor allem Freund steckt wirklich in der Uniform? Seit einigen Tagen sorgt die Frankfurter Polizei für Aufsehen. Mittlerweile zeigen mehrere Videos, die in den sozialen Netzwerken und Medien kursieren, wie ein 29-Jähriger von Polizisten getreten wird, und das, obwohl er bereits fixiert ist und auf dem Boden liegt. Wird Polizeigewalt zum Problem der Gesellschaft oder ist es doch die Ausnahme? 

"Fußtritte durch einen Polizisten sind durch nichts, aber rein gar nichts zu rechtfertigen", betont Enis Gülegen, Vorsitzende des Landesausländerbeirates. Und auch andere Politiker zeigen sich von dem Vorfall schockiert, denn "Vertrauen in die Polizei kann in der Bevölkerung nur existieren, wenn sich die Polizei dieses Vertrauens würdig erweist. Sich also an Recht und Gesetz hält, während sie für Sicherheit und Ordnung sorgt", erklärt Eva Goldbach, innenpolitische Sprecherin der Grünen Landtagsfraktion. Und weiter: "Wir verlangen von unseren Polizeiangehörigen, dass sie sich zu jedem Zeitpunkt und bei jedem Einsatz korrekt verhalten". Doch ist das überhaupt möglich? Immerhin sind auch die Uniformierten letztendlich nur Menschen.

Innenminister Peter Beuth reagiert ebenfalls zügig auf den Vorfall und beruft eine "Expertenkommission zum Umgang mit Fehlverhalten sowie zur Erarbeitung eines neuen Leitbilds der hessischen Polizei und Evaluierung ergriffener Maßnahmen" ein. Immerhin ist "eine gut funktionierende Polizei, die für Bürgerinnen und Bürger da ist und zu der alle Vertrauen haben, das Rückgrat des Staates", betont Prof. Dr. Angelika Nußberger, Vorsitzende der Expertenkommission.

Überforderung bei den Polizeibeamten?

Bad Soden-Salmünsters Bürgermeister Dominik Brasch war selbst lange Polizist und weiß, wie es ist, "einer gewalttätigen Gruppe gegenüberzustehen, bedroht, beschimpft und angegriffen zu werden", weil es "fast schon zum Alltag vieler Polizeibeamter" gehört. "Wer im Rahmen seiner gesetzlichen Befugnisse handelt, und dazu gehört in manchen Situationen auch die Anwendung von Gewalt, sollte keine Konsequenzen fürchten müssen. Wer hingegen agiert wie der Beamte in Frankfurt, muss meiner Meinung nach jedoch ebenfalls die notwenige Konsequenz erfahren." Die Kritik an den suspendierten Beamten bewertet Brasch daher als "voll und ganz berechtigt", das Fehlverhalten gehöre entsprechend verurteilt. Doch woran liegt es, dass Polizisten zu solchen Methoden greifen? 

Dominik Brasch, Bürgermeister der Stadt Bad Soden-Salmünster, war selbst Polizeibeamter. ...Archivfoto ON/Joana Gibbe

"Da es nicht der einzige Vorfall ist, der in diesen Tagen durch die sozialen Medien gespült wird, ergibt sich für mich ein Bild, das unter anderem auch den Schluss zulässt, dass bei solchen Festnahmesituationen eine gewisse Überforderung der handelnden Beamten festzustellen ist." Deshalb sei es "erforderlich, dass innerhalb der Polizei die Aus- und Fortbildung, das sogenannte Einsatztraining entsprechend verstärkt und ausgebaut" werde. Generell dürfe man aber auch nicht vergessen, dass von einem Polizeibeamten verlangt wird, "im Bruchteil einer Sekunde Maßnahmen rechtssicher zu beurteilen und entsprechend zu handeln. Eine Vorstellung, die nicht selten utopisch ist und bleiben wird". "Gerade die Polizeibeamten im Streifendienst, die tagtäglich mit ähnlichen Situationen konfrontiert werden können, sollten daher mehr und regelmäßiger beschult werden."

"Zu undifferenziert und im bekannten Schwarz-Weiß-Muster"

Während vor kurzem noch Schlagzeilen, wie "Wer unsere Polizei angreift, der greift unsere Gesellschaft an" durch die Medien gingen, ist nun die Rede von Polizeigewalt. "Zu undifferenziert und im bekannten Schwarz-Weiß-Muster", bewertet der Bürgermeister die öffentliche Diskussion. "Aus meiner Erfahrung kann ich jedenfalls überzeugt sagen, dass die Masse an Polizeibeamten in unserem Land nicht nur gesetzestreu und professionell arbeiten, sondern sich darüber hinaus auch mit ihrem Beruf identifizieren, für ein gerechtes und neutrales Handeln einstehen und Vorfälle, wie den benannten in Frankfurt oder rechte Tendenzen oder Straftaten, ebenfalls scharf verurteilen." 

Die Polizei "unter Generalverdacht zu stellen" sei allerdings nicht hilfreich. "In jeder Situation mit filmenden Passanten konfrontiert zu sein", kann außerdem "gerade junge Beamte in ihrem Handeln" verunsichern, erklärt der Ex-Polizist. Dass das Grundvertrauen in die Polizei gänzlich verloren ist, denkt Brasch aber nicht, "doch solche Vorfälle können sicherlich dazu beitragen, dass es nachhaltig Schaden nimmt". "Das Video, welches zur öffentlichen Debatte geführt hat, zeigt eines jedoch auch deutlich: Die Kontrollmechanismen innerhalb der Polizei haben funktioniert. Der Einsatzleiter hat den Vorfall registriert, ist eingeschritten und hat den Vorfall gemeldet", erklärt der Bürgermeister.

Auch der Innenminister betont, "dass die übergroße Mehrheit der Polizeibeamten ihren Aufgaben engagiert, gewissenhaft und verantwortlich nachgeht". "Das Ansehen der Polizei darf daher nicht länger unter dem Fehlverhalten Einzelner leiden."

In der Nacht zum Sonntag kam es in Sachsenhausen zu einem Polizeieinsatz. Eine alkoholisierte Gruppe wurde zunächst des Platzes verwiesen. Aus der Menge heraus kam es dann zu Beleidigungen seitens der Gruppe. Ein 29-Jähriger soll den Beamten außerdem ins Gesicht gespuckt haben, erklärt das Polizeipräsidium Frankfurt in einer Pressemitteilung. Am Sonntagmorgen gegen 5:30 Uhr kam es in der Dreieichstraße dann zur Festnahme des Mannes. Weil er sich dieser widersetzte, musste er "zu Boden gebracht" und "sein Widerstand gebrochen werden". Währenddessen soll es zu "unzulässiger Gewaltanwendung seitens der Polizeibeamten gegen den am Boden liegenden Tatverdächtigen gekommen sein" – ein Beobachter filmte die Szene und stellte sie ins Netz. Ein weiteres Video zeigt außerdem, wie der Inhaftierte in den Polizeiwagen verbracht wird. Ein anderer Polizist hält sich daraufhin am Dach des Fahrzeuges fest und tritt ins Innere – wo der 29-Jährige sitzt. Mittlerweile wurden gegen drei Beamte Disziplinarverfahren eingeleitet und ein "Verbot des Führens der Dienstgeschäfte ausgesprochen". Des Weiteren wird gegen sie wegen der Körperverletzung im Amt ermittelt. Gegen den 29-Jährigen wird wegen des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte ebenfalls ermittelt. (Joana Gibbe) +++


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