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Staffelübergabe im Jahr 1998: Dr. Wolfgang Hamberger überreicht die Amtskette an seinen Nachfolger Dr. Alois Rhiel. - Foto: Stadtarchiv Fulda / Manfred Fross, O|N-Archiv

FULDA Dr. Alois Rhiel und Gerhard Möller

Dr. Wolfgang Hamberger zum 90. Geburtstag: Zwei Ex-OB erinnern sich

25.08.20 - Von Dr. Alois Rhiel, Oberbürgermeister von 1998 bis 2003

"Wenn wir heute auf Wolfgang Hambergers Lebenswerk schauen, dann rücken natürlich die 28 Jahre in den Mittelpunkt, in denen er als Oberbürgermeister an der Spitze der Stadt Fulda stand. Dieses herausgehobene öffentliche Amt einen derart langen Zeitraum auszufüllen, ist schon für sich genommen eine sehr beachtliche Leistung.

Noch mehr Respekt verdient die Tatsache, dass unter seiner Führung unsere Stadt sich in zum Teil auch recht stürmischen Zeiten bestens entwickelt hat. Da lohnt es sich auch einmal "hinter die Kulissen zu schauen" und zu zeigen, wie er im Inneren den komplexen "Organismus Stadtverwaltung" führte und Sorge trug, dass die Prozesse für die Stadtentwicklungsprojekte möglichst reibungslos und zielgemäß verliefen.

Gleich vier OB auf einmal (von links): Dr. Alois Rhiel, Dr. Wolfgang Hamberger, Dr. ...

Keine einfache Aufgabe. Denn die Entscheidungswege in einer kommunalen Selbstverwaltung sind schon allein aufgrund der Stellung der vielen ehrenamtlichen Mandatsträger im Magistrat und Stadtverordnetenversammlung sehr anspruchsvoll. Als zusätzlich herausfordernd für den Verwaltungschef kommt hinzu, dass es neben dem Oberbürgermeister in der Funktion des Bürgermeisters und Stadtbaurates zwei weitere hauptamtliche Magistratsmitglieder gibt, die unabhängig von Weisungen für ihren Aufgabenbereich Verantwortung tragen. Wie löste Wolfgang Hamberger nun diese Herausforderung, um dennoch die "Einheit der Verwaltung" zu sichern?

Als Bürgermeister habe ich das in den Jahren 1984 – 1989 hautnah erlebt. Sein Führungsinstrument hieß "Kapellenbesprechung", benannt nach dem Sitzungsraum in der früheren Katharinenkapelle. Im Kreis der Dezernenten und deren Amtsleitern führte Wolfgang Hamberger straff durch die jeweilige Tagesordnung der vorab angemeldeten, zur Entscheidung anstehenden Themen. Waren die einzelnen Inhalte entscheidungsreif ausdiskutiert und alle Argumente vorgetragen, wandte sich der Oberbürgermeister an seine ebenfalls anwesende Sekretärin mit den Worten: "Bitte schreiben Sie".

Was nun folgte war ein Stenodiktat in Perfektion: "Überschrift …., neuer Satz …., Anführungszeichen …, Absatz …., Spiegelstrich …., Semikolon …., Satzende …" Annähernd alle Bestandteile der Orthografie der deutschen Sprache wurden bedient. Dabei herrschte andächtige Stille in der großen Runde. Für uns, Bürgermeister und Stadtbaurat, war dann vor allem genaues Zuhören angesagt. Spiegelte nämlich das eine oder andere vom OB im Diktat Festgehaltene nicht oder nur teilweise unsere, als die für unser Dezernat Verantwortlichen, Auffassung wider, dann bestand in diesem Moment die letzte Chance, eine Klärung herbeizuführen. Denn Schweigen galt als Commitment.

Bereits am Nachmittag desselben Tages fanden wir, die Teilnehmer der Besprechung, die Inhalte des Stenogramms, maschinengeschrieben und von OB Hamberger unterschrieben, als bindende Vereinbarungen schwarz auf weiß in unseren Posteingängen.

Diese Methode der Führung schaffte Transparenz in den Verantwortlichkeiten, zeigte auf, wer für welche Schritte Verantwortung zu übernehmen und was bis wann zu erledigen war und garantierte einen dynamischen Prozess zur Erreichung der kleinen und großen Vorhaben der Stadtentwicklung durch das Team des hauptamtlichen Magistrats.

Von Gerhard Möller, Oberbürgermeister von 2003 bis 2015

Gerhard Möller

Dr. Hamberger habe ich immer als eindrucksvolle Persönlichkeit mit großer Kompetenz und Autorität wahrgenommen. Als Amtsleiter und Erster Kreisbeigeordneter hatte ich in meinen Dezernaten zwar vorwiegend mit den jeweiligen Bürgermeistern und Stadtbauräten zu tun; in den Aufsichtsgremien der ÜWAG und Sparkasse konnte ich Dr. Hamberger aber unmittelbar erleben. Zu meiner späteren Kandidatur als Oberbürgermeister hat er mit intensivem Zuspruch und Unterstützung beigetragen.

Als ich am Ende meiner OB-Zeit den Empfang zu seinem 85. Geburtstag vorbereitete, hatte ich noch einige Details mit ihm abzustimmen. Auf dem Rückweg von Wiesbaden nach Fulda telefonierte ich mit ihm in der Mittagszeit. Ich entschuldigte mich zunächst für meine Störung in der Mittagspause. Darauf entgegnete er mit spontan: "Warum Mittagspause? Ich arbeite! Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen!" Dieser deutliche Hinweis offenbarte ein Charakteristikum seiner Haltung auch im verdienten Ruhestand: Nicht Ruhe oder Langweile, sondern weiterhin ein vita aktiva!

Dies gilt auch für zwei seiner weitergeführten Aufgaben im Ehrenamt, in die ich später auf seine Bitte hin nachfolgte: "Literatur im Stadtschloß" und Fuldaer Geschichtsverein. Die von ihm entwickelte und persönlich organisierte Literaturreihe ist bis heute fester Bestandteil unseres Kulturlebens, überregional beachtet und in der Literaturwelt geschätzt, unübertroffen festgehalten in seinem Buch "Wenn andere lesen". Von 1993 bis weit über seine Amtszeit hinaus – bis 2014 – hat Dr. Hamberger diese Reihe mit insgesamt 120 Lesungen seine Prägung gegeben.

Den Fuldaer Geschichtsverein hat Wolfgang Hamberger 20 Jahre lang bis 2010 als Vorsitzender geführt, zuvor 17 Jahre als Stellvertreter. Ihm ist die Herausgabe der zweibändigen Fuldaer Stadtgeschichte zu verdanken, ein herausragend bleibendes Standartwerk, das Maßstäbe gesetzt hat – so wie sein gesamtes Wirken während und nach seiner OB-Zeit. Zum herzlichen Glückwunsch gesellt sich großer Dank. (pm) +++


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