Archiv
Mordanklage verworfen: Brandstifter zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt
27.08.20 - Man konnte den großen Stein förmlich plumpsen hören, der dem Angeklagten von der Seele fiel, nachdem Richter Josef Richter das Urteil gegen ihn verkündet hatte. Der 50-Jährige wird wegen schwerer Brandstiftung zu zwei Jahren verurteilt, doch ins Gefängnis muss er nicht: die Strafe wird für fünf Jahre auf Bewährung ausgesetzt. Zusätzlich verpflichtete ihn das Gericht, der Nebenklägerin ein Schmerzensgeld zu zahlen und 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit abzuleisten. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor die zunächst erhobene Anklage wegen versuchten Mordes fallengelassen.
"Das Anzünden eines Hauses, das Menschen zur Wohnung dient, scheint mit diesem Urteil zu milde bestraft zu sein", räumte Richter Richter in seiner Urteilsbegründung gleich zu Beginn ein. Doch der einzig geltende Maßstab für die Kammer sei gewesen, die persönliche Schuld des Angeklagten gerecht zu beurteilen. Dieser habe bis kurz vor der Tat ein untadeliges Leben als Bäcker geführt und sich zeitlebens in seinem Heimatort vielfach ehrenamtlich betätigt. "Er half, wo immer Not am Mann war", befand der Richter. Doch diese kleine heile Welt sei zwei Wochen vor der Tat plötzlich zusammengebrochen, als nämlich die Geschossdecke der Wohnung über ihm herunterkam. Ab diesem Zeitpunkt litt der 50-Jährige unter Angstattacken, schlief und aß kaum noch, begann dafür aber zu trinken. Mit seinem geringfügigen Einkommen konnte er die Reparatur des Schadens nicht finanzieren und setzte seine Hoffnung auf die Versicherung. Doch als diese sich mit Hinweis auf bereits seit längerem bestehende Feuchtigkeitsschäden zu zahlen weigerte, stürzte das den Angeklagten in tiefe Verzweiflung. Seine Suche nach einer neuen Wohnung blieb erfolglos, er trank immer mehr.
Verzweifelte Situation
Am 20. Oktober 2018 brach auch noch die Decke im Bad herunter - der Mann wusste keinen Ausweg mehr und beschloss, seinem Leben ein Ende zu machen. Nach einem Streit mit seiner Freundin, die daraufhin das Haus verließ, tränkte er Kissen mit flüssigem Grillanzünder und steckte sie in Brand. Als sich Flammen und Rauch schnell ausbreiteten, flüchtete er in die benachbarte Pizzeria. Dort erklärte er, er habe jetzt seine Wohnung angesteckt. Das hörte ein Zeuge im Lokal, der bei einem Blick aus dem Fenster feststellen musste, dass dieses Eingeständnis stimmte: aus dem Nachbarhaus drangen bereits heftige Rauchschwaden.Im ersten Stock befand sich währenddessen die Bewohnerin mit ihren drei und fünf Jahre alten Kinder in heller Panik. Ersthelfer konnten sie über eine Leiter aus dem Fenster retten. Die Feuerwehr löschte schließlich den Brand, der das Haus zunächst unbewohnbar machte. "Die Familie leidet noch heute unter der Tat, vor allem die Kinder haben noch immer Angst- und Schlafstörungen", erklärte der Richter.