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Hilft ein Gefälligkeitsattest vom Arzt gegen die verhasste Maske?
28.08.20 - Die meisten Mitmenschen binden sich zur Zeit mehr oder weniger klaglos einen Mund-Nasen-Schutz vor die untere Gesichtshälfte, wenn sie sich in geschlossene Räume begeben. Zugegeben: schön ist das nicht, aber die Alternative, sich oder andere anzustecken, ist noch weniger prickelnd. Tatsächlich gibt es aber auch unter Ärzten ausgewiesene Corona-Leugner wie den Urologen Dr. Jens B. aus Nordhessen, der in einem Internetvideo von einer "angeblichen Corona-Pandemie" und "Corona-Hoax" spricht. Er kam auf die Idee, ein Blanko-Attest zum Runterladen auf seine Homepage zu stellen, das einen angeblich von der Maskenpflicht befreien soll. "Hiermit bestätige ich, dass das Tragen eines Mundschutzes für o.g. Person aus medizinischen Gründen nicht ratsam ist. Mit freundlichen Grüßen, Dr. med. Jens B.", ist dort zu lesen.
Die hessische Ärztekammer warnt ausdrücklich vor solchen Gefälligkeitsattesten zur Befreiung von der "Maskenpflicht". Präsident Dr. med. Edgar Pinkowski sagt dazu: "Die Ausstellung von Blanko-Attesten ist berufsrechtlich nicht akzeptabel". Die Verbreitung des Coronavirus könne nur durch die konsequente Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln eingedämmt werden. Dazu gehöre auch das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen, das in Hessen nicht nur im öffentlichen Nahverkehr oder beim Einkaufen, sondern auch in Einrichtungen des Gesundheitswesens Pflicht sei, betont der Präsident der Landesärztekammer.
In Einzelfällen könne es Ausnahmen von der Maskenpflicht geben, etwa für Kinder oder aber gesundheitlich eingeschränkte Personen, denen das Tragen einer Maske nicht zumutbar bzw. nicht möglich ist. "Hierfür ist dann allerdings eine ärztliche Bescheinigung auf der Grundlage einer gesicherten Diagnose – z. B. einer schweren Herz- oder Lungenerkrankung – erforderlich."
Sollten Ärztinnen und Ärzte dagegen Atteste wider besseres Wissen, aus Gefälligkeit und ohne individuelle Untersuchung ausstellen, könne dies Gegenstand berufsrechtlicher Maßnahmen gegen sie sein. Auch machten sie sich unter Umständen wegen des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse strafbar, erklärt Pinkowski. Das Berufsgericht der Landesärztekammer kann deshalb sogar die Approbation entziehen.
"Ich schäme mich für diesen Kollegen!"
Der Petersberger Arzt und Allgemeinmediziner Ralph Hönscher reagiert auf das Verhalten seines nordhessischen Kollegen angesprochen mit Kopfschütteln: "Ich schäme mich für diesen Kollegen! Die Ausstellung von Gefälligkeitsattesten für Patienten, die man weder gesehen noch untersucht hat, verstößt eindeutig gegen das ärztliche Ethos und ist absolut verwerflich". Er könne nicht begreifen, was diesen Mediziner geritten habe, denn die Maskenverweigerer gefährdeten sich und vor allem andere. "Wir müssen nach bestem Wissen und Gewissen handeln und damit leben, dass wir uns auf diese Weise schützen müssen, auch wenn es uns nicht gefällt." Das Ausstellen von Blanko-Attesten müsse strafrechtlich verfolgt werden. Ralph Hönscher ist seit Mai dieses Jahres neuer Vorstandsvorsitzender des regionalen Ärtzenetzes Gesundheitsnetz Osthessen. (Carla Ihle-Becker)+++