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Frieda Braun in Ellis Saal - BH-Spitzenträger für Hubarbeiten nicht vorgesehen
15.09.20 - Mit einem Knaller startete der Kulturverein Ellis Saal in die neue, wegen der Corona-Pandemie deutlich abgespeckte Saison 2020/21. Die verantwortlichen, kulturverrückten Weiteröder haben den Schritt in die kulturelle Normalität mit Abstrichen gewagt und wurden belohnt. Die Vorfreude auf einen unterhaltsamen Abend war dem Publikum anzusehen, die entspannte Atmosphäre trug dazu bei, dass sich die insgesamt 129 Besucherinnen und Besucher ausgesprochen wohl fühlen konnten. Bei Frieda Braun, die in Ellis Saal keine Unbekannte ist, wäre der Saal in "normalen Zeiten" mit den üblichen 360 besetzten Plätzen aus allen Nähten geplatzt.
Frieda Braun, "aufgeregt wie eine Henne, flink wie ein Wiesel, schüchtern wie ein Feldhase" wurde mit frenetischem Applaus begrüßt. Auch in ihrem neunten Soloprogramm bleibt sie sich treu, begeistert mit frisch Erlebtem und frei Erfundenem und strapaziert dabei die Lachmuskeln ihrer Fans aufs Äußerste. Die Themen "Mias Herpes" und "Yoga mit ihrer legendären Splittergruppe, allesamt Frauen mit knarzigen Charakteren" zogen sich wie ein roter Faden durch das Programm, in dem die sympathische Sauerländerin ab und an selbst mal den Faden verlor. Das wäre gar nicht aufgefallen, hätte sie nicht selbst darauf hingewiesen.
Dem Begrüßungsritual in der Corona-Zeit mit einem einfachen, ehrlichen, trockenen "Guten Tag" ist Frieda gar nicht so abgeneigt, erinnert sie sich doch mit Schaudern an übertriebene Umarmungen mit Küsschen immer und überall und den Kuss mit Schleimhautkontakt, den Erich Honecker dem "Russen" auf den Mund drückte – oder umgekehrt. Nur von dem bloßen Anblick bekommt die Mia mit ihrem Kontroll- und Reinigungszwang Herpes. Frieda hat auch einen Reinigungsfimmel, erinnert sich gemeinsam mit dem Publikum an "Ariel wäscht nicht nur sauber, sondern rein" oder an Tilly, die eine Kundin ihre rauen Hände in Geschirrspülmittel - natürlich war es Palmolive - baden ließ. Außerdem trennt sie sich von allem überflüssigem Zeug im Haushalt, wobei die Emsa Knabberetagere eine tragende Rolle spielte.
Frieda, die ihr Programm "Erst mal durchatmen" getitelt hat, lernte beim Yoga das richtige Atmen. "Ich nehme auf, ich gebe ab" sind die begleitenden Mantras. Nur ihre Freundin kapierte das nicht. "Ich nehme ab", sprach sie beim Einatmen. "Ich gebe auf" beim Ausatmen. Die weitere Erkenntnis "Ich akzeptiere Grenzen, ich erwarte nichts" kann Frieda jeden Tag anwenden, wenn ihr Erwin wieder nur das Marmeladenglas vom Frühstückstisch abgeräumt hat. Die Yoga-Stunden wurden noch lustiger, als die "Alten Herren" im Namen der Sprunggelenke wie gestrandete Wale auf der Yogamatte lagen und von der Splittergruppe beobachtet wurden. "Im Wort Sprunggelenk ist das Wort ungelenk schon drin", beurteilt Frieda das Gesehene.
Die Haribo-Colorado Dose vorbeugend vor einem "Fressanfall" im Keller zu verstecken, stößt auf großes Verständnis beim Publikum. Die Schilderung über Pedikürefische, die Hornhaut fressen, die Klorollen-Barbie, die schon mit Stiletto-Fuß geboren wurde, der Frust, einen BH in größerer Körbchengröße zu benötigen und die damit verbundene Feststellung, dass "Spitzenträger für Hubarbeiten nicht vorgesehen sind", sorgten für Erheiterung. Es sollte noch heiterer werden, als Frieda den Martinstag in ihrer Heimatgemeinde schilderte. Wigbert, ihr Schwiegersohn, musste den wunderschönen, von allen geliebten "Martin" kurzfristig ersetzen. Mit Nudelsieb als Helm auf dem Kopf, wurde Wigbert von vier Begleitern schräg auf dem Pferd sitzend festgehalten und sah sich außerstande, dem besoffenen Bettler den wärmenden Mantel zu reichen. Das muss man sich bildlich vorstellen, dann laufen die Lachtränen.
Das gut zweiständige, bejubelte Programm wurde durch eine Pause unterbrochen, die gern genutzt wurde, sich im Biergartenhaus mit Getränken zu versorgen und dort auch zu verweilen. Karin Benkendorf alias Frieda Braun freute sich sichtlich, wieder auf der Bühne zu stehen, fand anerkennende und wertschätzende Worte für den ehrenamtlichen, deutlich größeren Einsatz der Verantwortlichen in Corona-Zeiten. Karin Benkendorf ist an diesem Abend das 400. Vereinsmitglied von dem Kulturverein "Ellis Saal" geworden. Trotz Hygiene- und Abstandsregeln war dies ein anregender Abend, der deutlich aufzeigte, dass die Menschen Kulturangebote schon immer und gerade in dieser Zeit wünschen und schätzen. (Gudrun Schmidl) +++