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Willy Kreuzer vertritt seit einem Jahr Bürgermeister Alexander Altstadt in Schlitz. - Fotos: Franziska Schaub

SCHLITZ Nach Schlaganfall von Bürgermeister Altstadt

Seit September 2019: Willy Kreutzer vertritt ehrenamtlich Schlitzer Bürgermeister

05.10.20 - Der September 2019 wird dem beschaulichen Städtchen Schlitz (Vogelsbergkreis) in Erinnerung bleiben: Innerhalb einer Woche fallen sowohl der erste Stadtrat Hans-Helmut Dickert, als auch Bürgermeister Alexander Altstadt (CDU) krankheitsbedingt langfristig aus. Der erst seit Frühjahr 2019 amtierende Bürgermeister erleidet einen Schlaganfall, den die Burgenstadt beim gleichzeitigem Wegfall seines direkten Vertreters vor die große Frage stellt, ob es möglich ist, dass ein ehrenamtlicher Stadtrat die Amtsgeschäfte im Sinne des Schlitzerlandes weiterführt. Schnell zeichnet sich ab, dass es lediglich einen Stadtrat gibt, der diese Aufgabe, auch in Hinblick auf den zeitlichen Umfang, übernehmen kann: Willy Kreuzer. Fast ein Jahr ist das nun her. Ein ganzes Jahr, in welchem Kreuzer Altstadt ehrenamtlich als Bürgermeister vertritt. OSTHESSEN|NEWS traf ihn nun im Schlitzer Rathaus.

Altstadt erlitt im September 2019 einen Schlaganfall und konnte bisher nicht ins Amt ...Archivfoto: Niklas Brumund

Willy Kreuzer (68) wirkt gelassen, mit einem sympathischen Lächeln auf den Lippen, wie er da hinter dem großen Schreibtisch im Schlitzer Rathaus sitzt. "Es kam damals sehr überraschend", beschreibt er die Umstände nach den plötzlichen Ausfällen von Altstadt und Dickert. Leicht sei eine solche Entscheidung nicht zu fällen. "Ich bin ein paar Tage in mich gegangen. Man muss sich fragen: Traut man sich das zu? Kann man das vom Alter her packen? Man muss es auch erstmal mit der Familie durchsprechen." Den politischen Gremien sei schnell klar gewesen, dass sie die Amtsgeschäfte lieber von einem der Stadträte im Sinne der Schlitzerländer fortgeführt sehen wollen als von einem von der Kommunalaufsicht entsendeten Beamten, der die Verwaltung leitet. "Mir blieb also nichts anderes übrig", gibt Kreuzer schmunzelnd zu. Dass er die Position nicht des Geldes wegen ausführt, wird bei einem Blick in die Entschädigungssatzung der Stadt Schlitz deutlich.

Vollzeit-Job statt Opa-Dasein

Die Vertretung, die Kreuzer übernommen hat, ist ein Vollzeit-Job, mit dem er bei seiner Wahl als ehrenamtlicher Kommunalpolitiker wohl nicht gerechnet hätte. "Unter den Bedingungen würde ich es wieder machen. Aber wenn ich nicht gebraucht worden wäre, wäre mir das natürlich lieber gewesen", gibt er zu. Gesellschaftliches Engagement ist schon längst keine Selbstverständlichkeit mehr, umso höher ist es Willy Kreuzer anzurechnen, dass er diese Aufgabe übernommen hat. Denn eigentlich hatte er seine Zeit ganz anders verplant: "Ich wollte mein Opa-Dasein mit meinen sechs Enkeln etwas mehr genießen, in der Garage steht ein alter Schlepper, den ich restaurieren wollte und eigentlich wollte ich auch mehr Fahrrad fahren."

In seine Vertretungszeit fällt zudem auch die Corona-Pandemie. "Die größte Entscheidung hinsichtlich Corona war auf jeden Fall die Frage nach der Öffnung des Schwimmbades. Ansonsten sind wir allerdings bisher gut durch Corona hindurch gekommen", so sein Urteil. Und zumindest für Kreuzer hatte Corona einen Vorteil: Viele Veranstaltungen, die er als Vertreter hätte besuchen sollen, fielen aus.

"Erfreulich offen und fair"

Schlitzer Rathaus

Die ansonsten als sehr angespannt bekannte Stimmung in der Schlitzerländer Kommunalpolitik sei seiner Meinung nach besser geworden, was wohl auch daran liegt, dass Kreuzer sein Amt nicht parteipolitisch führt. So teilt Dr. Jürgen Marxsen von der BLS auf OSTHESSEN|NEWS-Nachfrage mit: "Wir sind Willy Kreuzer sehr dankbar, dass er es gewagt hat, ohne Vorbereitung ins kalte Wasser zu springen und unsere Stadt durch die kritische Situation nach den plötzlichen Erkrankungen von Bürgermeister und erstem Stadtrat zu steuern. Aus unserer Sicht hat er in diesem letzten Jahr den Bürgermeister engagiert und überzeugend vertreten. Hervorzuheben ist die gute Kooperation mit den Fraktionen, jedenfalls mit der BLS-Fraktion, die wir als erfreulich offen und fair empfanden, was unserer Schlitzer Kommunalpolitik sehr gutgetan hat."

Sein Engagement sorgt auch für hohes Ansehen in der eigenen Partei. "Die CDU-Fraktion rechnet es Willy Kreuzer hoch an, dass er in schwierigen Zeiten die Führung der Amtsgeschäfte übernommen hatte", erklärt Kevin Alles. "Im Rahmen der Sommertour der CDU-Fraktion wurde auf den Dörfern und in der Kernstadt die Arbeit von Willy Kreuzer sehr gelobt. Gerade auch die Arbeiten, welche auf dem kleinen Dienstweg erledigt werden können. Ebenfalls sein Engagement in allen weiteren Fragen, welche die Stadt direkt (ISEK, IKEK, stockender Breitbandausbau) als auch indirekt betreffen ist sehr zu loben."

"Wir ziehen unseren Hut"

"Herr Kreuzers Engagement ist nicht hoch genug einzuschätzen und aller Ehren wert", lobt auch Frank Döring (SPD), der vor allem die kollegiale Zusammenarbeit zwischen Magistrat und Parlament sowie die Erreichbarkeit und Zuverlässigkeit Kreuzers lobt. Daniel Braun (FDP) führt aus: "Das Bürgermeisteramt bietet eine große Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten, die natürlich auch mit großer Verantwortung einhergehen. Wer so ein Amt bekleidet, muss es auch bekleiden wollen, sich dazu entschieden haben. Willy Kreuzer ist es aufgrund der bedauernswerten Erkrankungen von Alexander Altstadt und Hans-Helmut Dickert hingegen plötzlich zugefallen. Zum Glück ist er ein honoriger, kluger und erfahrener Kommunalpolitiker. Die FDP-Fraktion zieht ihren Hut vor der Art und Weise, wie Willy Kreuzer sich der Aufgabe mit hohem, persönlichem Engagement, großer Gesprächsbereitschaft und schier unermüdlicher Tatkraft gestellt hat und immer wieder stellt." 

Klar ist: Schlitz braucht hauptamtlichen Bürgermeister

Willy Kreuzer selbst geht momentan davon aus, die Amtsgeschäfte bis zur Kommunalwahl 2021 zu führen, Bürgermeister Alexander Altstadt ist weiterhin krankgeschrieben. Trotz aller Dankbarkeit und Zufriedenheit werden auch andere Stimmen laut. "Klar ist auch: Schlitz braucht einen hauptamtlichen Bürgermeister! Gerade was mittel- und langfristige Projekte wie ISEK, IKEK und das neue Tourismuskonzept angeht, treten wir sonst nur weiter auf der Stelle", äußert sich Daniel Braun (FDP). Ähnliche Worte findet auch Frank Döring (SPD): "Es wäre trotz allem wünschenswert, dass schnellstmöglich wieder ein hauptamtlicher Bürgermeister im Amt ist."

Wie es in der Burgenstadt weitergeht, bleibt also abzuwarten. Doch unabhängig davon, wie eine langfristige Lösung für das Schlitzerland auch aussieht: Das beispiellose Engagement von Willy Kreuzer wird dankbar und wertschätzend in Erinnerung behalten und die verbesserte politische Zusammenarbeit, die diese außergewöhnliche Zeit hervorgebracht hat, hoffentlich beibehalten. Denn was Kreuzers Engagement angeht, sind sich die Parteien ausnahmsweise alle einig. (Franziska Schaub) +++


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