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Alle Corona-Maßnahmen, jede Einschränkung und jedes Verbot dienen einem übergeordneten Ziel: Unser Gesundheitssystem vor einer Überlastung bewahren! - Fotos: Hendrik Urbin

FULDA Corona-Stress am Klinikum Fulda

Intensiv-Chef Professor Greim: "Betten haben wir, nur nicht genug Personal"

28.11.20 - Alle Corona-Maßnahmen, jede Einschränkung und jedes Verbot dienen einem übergeordneten Ziel: Unser Gesundheitssystem vor einer Überlastung bewahren! Aber: Am Freitag meldete das Robert-Koch-Institut mit 426 Corona-Toten binnen 24 Stunden einen traurigen Rekord, 3.826 COVID-Patienten auf den Intensivstationen sind ebenfalls ein Höchstwert. Wie angespannt ist die Lage im größten Krankenhaus der Region, dem Klinikum Fulda?

"Mit diesen hohen Infektionszahlen werden wir noch einige Zeit zu kämpfen haben", ...

OSTHESSEN|NEWS hat mit Prof. Dr. Clemens-Alexander Greim, der als Klinikdirektor der Anästhesie die Intensivstation leitet und Klinik-Chef Priv.-Doz. Dr. Thomas Menzel gesprochen. Beide sind auch für das Land Hessen die Ansprechpartner im Versorgungsbereich der osthessischen Krankenhäuser in den Kreisen Fulda, Hersfeld-Rotenburg und Vogelsberg.

"Mit diesen hohen Infektionszahlen werden wir noch einige Zeit  zu kämpfen haben", sagt Prof. Greim. Die Intensivmedizin hinke der Zahl der Neuinfektionen etwa mehr als zwei Wochen hinterher, weswegen in den kommenden Tagen mit weiteren schwerkranken COVID-Patienten zu rechnen sei. "Dann aber denke und hoffe ich, erreichen wir wieder ein Plateau und die Zahlen sinken wieder langsam ab", gibt sich der Chefarzt optimistisch.

Interview mit OSTHESSEN|NEWS im Klinikum Fulda.

Auf den beiden Intensivstationen am Klinikum Fulda werden aktuell etwa 30 Intensiv-Patienten behandelt, 16  davon wegen COVID-19. Jeder von ihnen sei intubiert und müsse beatmet werden. Einer der Patienten sei sogar von einem Lungen-unterstützenden Verfahren abhängig - ohne dieses er nicht mehr leben würde, berichten die beiden Mediziner. Bis zu 70 Betten mit Beatmung stünden theoretisch zur Verfügung, "nur das Personal fehlt", erklärt Greim. Schon jetzt sind 90 Mitarbeiter im Einsatz. "Aber die Isolation und strikte räumliche, wie auch personelle Trennung zwischen COVID und Nicht-COVID-Patienten erfordert einen großen Mehraufwand von Pflegekräften und Ärzten", so Prof. Greim weiter.

Chefarzt Greim: "Ich bin beeindruckt von der Ruhe"


Prof. Dr. Clemens-Alexander Greim, Direktor der Klinik für Anästhesie, Intensiv- ...

Klinikum-Chef Priv.-Doz. Dr. Thomas Menzel

Der Klinik-Chef und der Anästhesie-Chef stellten sich den Fragen von O|N-Chefredakteur ...

Ein weiteres Problem: Auch Klinikmitarbeiter haben ein Privatleben, auch sie können mit Corona-Infizierten in Kontakt geraten oder sich gar infizieren. "Durch die Quarantäne fallen die Mitarbeiter länger aus. Dann versuchen wir sie so schnell wie möglich wieder einsatzfähig zumachen, indem wir sie nach einigen Tagen testen. Bei negativem Ergebnis können sie arbeiten, was alle auch wollen, das ist toll!", lobt Klinik-Chef Dr. Menzel seine Belegschaft. Prof. Greim schließt sich an: "Ich bin beeindruckt von der Ruhe und Sachlichkeit, mit der meine Mitarbeiter auf der Intensivstation diese schwere Aufgabe, vor der sie im Moment stehen, auch angesichts des schon ausgedünnten Personals meistern."

Um den Mitarbeitern Bedenken und Ängste zu nehmen, hat die Klinikleitung ein Informationssystem für die Mitarbeiter eingerichtet, um regelmäßig  über die Lage mit aktuellen Zahlen und Einschätzungen den Vorstands zu berichten – auch werden Fragen der Mitarbeiter einzeln beantwortet. Dies sei viel Arbeit, lohne sich aber. "Es schafft ein Vertrauensverhältnis, welches in den letzten Wochen auch deutlich spürbar ist", so Prof. Dr. Greim. "Eine klare Kommunikation und Transparenz in allen Bereichen und Abteilungen ist unser Schlüssel zum Erfolg", bestätigt Menzel.

"Jeder, der uns braucht, wird versorgt!"


Die Belastung ist hoch, dennoch sei die Situation aus Sicht des Klinikums händelbar: "Wir nehmen unsere Verantwortung ernst und jeder der zu uns kommt, soll sich geborgen fühlen. Trotz der COVID-Belastung können wir die Krankenversorgung in unserem Haus gut aufrecht erhalten. Natürlich werden beispielsweise nicht dringliche Untersuchungen oder Operationen nach hinten verschoben, aber jeder der uns braucht, speziell im Notfallmedizinischen Bereich, wird von uns mit vollem Einsatz versorgt."

Warnungen anderer Intensivmediziner, das deutsche Gesundheitssystem stünde vor einem Kollaps, nennt Prof. Greim "übertrieben". Er erklärt: "Wir haben ein sehr gutes Gesundheitssystem hierzulande mit rund 28 Intensivbetten auf 100.000 Einwohner. Das ist höher als in anderen europäischen Staaten. Von daher haben wir zunächst einmal eine bundesweit sehr gut aufgestellte Intensivkapazität." 

Natürlich variiere die Auslastung in einzelnen Krankenhäuser in bestimmten Regionen. Im südhessischen Raum beispielsweise habe man eine hohe Dichte an sehr schwer erkrankten COVID-Patienten, sodass man auch das Fuldaer Klinikum zur Aufnahme von Patienten aus diesem Gebiet aufgefordert habe. "Logischerweise führt das dazu, dass wir durch die gegenseitige Unterstützung innerhalb unseres Bundeslandes unsere Kapazitäten bis zum Rande auslasten", so Intensivmediziner Greim. Bereits im Normalfall sei seine Station zu 85 Prozent ausgelastet, auch ohne COVID. Im Moment sind es 90 Prozent.

Prof. Greim und sein Team hoffen, dass der Stellenwert der Intensivmedizin und der ...

Um weitere Kapazitäten zu schaffen, müsse man auf Personal zurückgreifen, dass nicht die gleiche hohe fachliche Kompetenz hat - "ein Qualifikationsmix", berichtet Greim und erklärt weiter: "Wir versuchen Mitarbeiter aus anderen Stationen in der Intensivmedizin einzusetzen, die dann den medizinisch hochkompetenten Fachpflegekräften als Hilfe zur Hand zu gehen - helfende Hände im wahrsten Sinne des Wortes."

In der Öffentlichkeit werden Krankenhäuser häufig dafür kritisiert, nicht genug getan zu haben, um vorbereitet zu sein. "Die Krankenhäuser haben mit Hilfe des Bundes viel unternommen. Durch zur Verfügung gestellte Mittel konnten die Stationen mit zusätzlichen Betten ausgestattet werden. Der Bund kann allerdings nicht innerhalb von wenigen Monaten zusätzliches Pflegepersonal kreieren, das ist ein langer Prozess der Jahre dauert", so Greim im OSTHESSEN|NEWS-Gespräch. Er hofft, dass der Stellenwert der Intensivmedizin und der Pflegeberufe durch die aktuelle Situation steigt.

Auf den beiden Intensivstationen am Klinikum Fulda werden aktuell etwa 30 Intensiv-Patienten ...

Trotz dieser Einschätzung blickt man auch im Fuldaer Klinikum voller Hoffnung auf die voraussichtlich in wenigen Wochen startenden Impfungen: "Meiner Einschätzung nach hat man hier einen guten und langfristig wirkenden Impfstoff gefunden. Wenn wir es schaffen eine 60 prozentige Impfrate zu bekommen, sind wir ganz nah an der Herdenimmunität und dann ist diese Pandemie zu Ende. Die Impfung so vieler Menschen bedeutet allerdings einen enormen Aufwand. Wir werden den Landkreis dabei so gut wir können unterstützen und natürlich auch hier im Haus Impfungen für unsere Mitarbeiter durchführen", so Dr. Menzel.

Auf das Fuldaer Klinikum und seine Mitarbeiter warten weitere Wochen harter Arbeit, doch nach allem Anschein endlich mit einem Ziel vor Augen. (Michelle Kedmenec / Christian P. Stadtfeld) +++


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