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A49-Gegner zur Polizeigewalt: "Beamte pinkeln auf eingeklemmte Menschen"
25.11.20 - Seit Beginn der Rodungen für den Weiterbau der A49 vor etwa zwei Monaten kritisieren die Autobahngegner immer wieder die Arbeit der Polizei: Fast täglich schreiben sie in den sozialen Netzwerken von Polizeigewalt und Fahrlässigkeiten bei der Räumung der Baumhäuser. Am Mittwochmorgen zeigten sich die Baumbesetzer in einer Pressekonferenz bestürzt über den "gewaltsamen Polizeieinsatz" in den letzten 56 Tagen.
Die A49-Gegner lasen zu Beginn der Veranstaltung einen Brief von der Baumbesetzerin vor, die vor wenigen Tagen aus dem Tripod gestürzt ist: "Hätte mir vor zwei Wochen jemand gesagt, dass ich heute jedes Mal Angst habe, wenn ich aufstehe, hätte ich es nicht geglaubt. Doch das ist gerade Realität", beginnen die Zeilen. "Vier meiner Wirbel sind gebrochen, jetzt bin ich bei jedem Schritt auf Hilfe angewiesen. Dass ich überhaupt noch Schritte machen kann, ist reines Glück." Sie schreibt, sie sei wütend und traurig, dass dieser friedliche Protest so ausartet. "Und dann muss ich mir noch anhören, dass ich ja eigentlich selbst schuld bin. Ich hoffte, dass mein Sturz gereicht hätte, um die Polizei zu warnen. Doch nur einen Tag später wurde weiter fahrlässig das Leben anderer in Gefahr gebracht."
"Wald ist zum Schlachtfeld geworden"
Dann meldete sich Kim Lauterbach von der Waldbesetzung zu Wort. Seit Monaten ist sie im Wald und verteidigt diesen, lebt auf einer alten Eiche: "Ich nenne sie Tante Beate und erlebe täglich, wie lebendig dieser Baum ist." Den Danneröder Forst habe sie als friedlichen Ort kennengelernt - doch nun sei all das zum Schlachtfeld geworden. "Alles, was der Wald für mich getan hat, war ein Geschenk. Alles, was ich dem Wald jetzt sagen will, ist eine Entschuldigung. Eine Entschuldigung dafür, dass wir blind und selbstgefällig sind."Waldbesetzer Emmi ist ebenfalls wütend und entrüstet - auch, wie sehr das Thema derzeit entzerrt werde. Er schildert Bilder aus dem Wald, "wo Polizei mit Schlagstöcken auf eine kirchliche Beobachterin losgehen, Polizisten, die sich freuen, auf Baumhäuser zu kommen, wo die Kameras weg sind und sie niemand sieht, Polizisten, die den Aktivisten ins Gesicht schlagen und auf eingeklemmte Menschen pinkeln".
"Ich habe Angst vor der Polizei"
Während die Polizei immer wieder den Grundsatz äußert, Sicherheit gehe vor Schnelligkeit, sieht das für die Autobahngegner mittlerweile ganz anders aus. "Deshalb fordern wir dringend eine unabhängige Ermittlungsbehörde und eine Politik, die diese Gewalt stoppt." Denn Emmi sagt, er habe mittlerweile Angst vor der Polizei - davor, dass weitere Menschen abstürzen und sich schwer verletzen. "Der Polizeieinsatz muss deshalb sofort abgebrochen werden, die Polizei muss den Wald verlassen, damit nichts Schlimmeres passiert oder gar ein Mensch getötet wird."Zwei Sanitäter aus dem Dannenröder Waldbesetzung schildern außerdem ihre Eindrücke der letzten Tage und Wochen. Die Polizei sei für das Geschehene nicht alleine verantwortlich, viel mehr die Handlungen hinter einem gewaltsamen System. "Wir dokumentierten in den letzten Wochen Handgelenksverletzungen, Prellungen, Verrenkungen, Bindehautentzündungen durch Bauspäne, Panikattacken, Brüche." Außerdem würde für die Waldbesetzer die psychische Gewalteinwirkung zu den Verletzungen noch hinzukommen.
Die Baumbesetzer kritisieren außerdem, dass die Polizei Falschmeldungen in den sozialen Netzwerken veröffentlichen würden. Auch die Schwarz-grüne-Landesregierung steht bei den A49-Gegnern in der Kritik: "Was hier passiert, werden wir nicht vergessen und verzeihen. So sieht Grüne-Politik nicht aus. Wenn sich nicht schleunigst etwas ändert, dann treten Sie doch endlich zurück", spricht A49-Gegnerin Frieda Verkehrsminister Al-Wazir direkt an.