Archiv
O|N-Redakteurin Luisa Diegel hat die Geschehnisse rund um den Dannenröder Forst von Beginn an begleitet. - Archivfotos: O|N

HOMBERG (OHM) Ein persönlicher Rückblick

O|N-Reporterin Luisa Diegel: "Time to say goodbye, Danni"

16.12.20 - Wir haben gelacht, gefroren und teilweise auch einfach nur mit dem Kopf geschüttelt: Permanent waren meine Kollegen und ich in den letzten Wochen im - oder wegen - des Dannenröder Forstes im Einsatz. Jetzt, so scheint es, ist alles vorbei. Denn der letzte Baum ist gefällt und alle Baumbesetzer auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Nun ist es für mich Zeit, die vergangene und vor allem auch aufregende Zeit Revue passieren zu lassen. 

Ein Bild vom Herbst 2019: Einige Ausbaugegner ziehen in den Dannenröder Forst. ...

Schon seit über 40 Jahren ist die Autobahn 49 DAS Thema (derzeit neben Corona) im Vogelsberg. Zugegeben, mal mehr mal weniger. Doch spätestens nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig im Juni dieses Jahres gab es für die Vogelsberger in den letzten Wochen und Monaten kein anderes Thema, welches die Gemüter so erhitzte und die Meinungen so spaltete. Kurze Aufregung gab es aber schon im September letzten Jahres, als ein paar Ausbaugegner mit Sack und Pack in den Dannenröder Wald zogen. Erste Baumhäuser wurden damals bereits errichtet, danach wurde es erst einmal wieder ruhig um die Baumbesetzer.

Mit dem Leipziger Urteil ging es so richtig los

Nach dem offiziellen Urteil aus Leipzig überschlugen sich jedoch die Ereignisse. Und unsere Berichterstattung rund um die A49 und den Dannenröder Forst gingen so richtig los. Weitere Klagen gegen den Bau der Autobahn hier, Demos der A49-Gegner und Befürworter da.

Und dann waren ja immer noch die Menschen im Forst, die von Tag zu Tag immer mehr wurden. Im Sommer 2020 wollten wir genauer wissen, wie es nun im Camp der Baumbesetzer aussieht und bekamen im Juli eine exklusive Führung von Aktivistin Kim Lauterbach. Man kann von den Gegnern halten, was man will - aber was sie dort in dieser Zeit alles geschaffen haben, war zumindest für mich wirklich beeindruckend: Baumhäuser in 20-Meter-Höhe, kleine Straßen, ganze Infrastrukturen. 

Besuch bei den Aktivisten im Wald im Juli 2020.

September 2020: Eine Ausbaugegnerin harrt stundenlang auf einem Tripod aus. Für ...

Etwa zwei Monate später haben meine Kollegin Nina Bastian und ich dann einen ersten Vorgeschmack bekommen, was in den nächsten Wochen auf uns zukommen wird. Denn eigentlich wollte die Polizei an einem Tag im September anfangen, Barrikaden aus dem Wald zu räumen. Doch eine Ausbaugegnerin, die stundenlang auf einem Tripod ausharrte, machte diesen Plan zunichte. Erst am Nachmittag konnten Beamten sie mit großem Widerstand ihrerseits herunterholen. Schon damals waren wir geschockt darüber, wie die Polizeibeamten beschimpft wurden und wie respektlos die Ausbaugegner, vor allem aber die Dame auf dem Tripod, mit den Beamten umgingen. Im Gegenzug legten die Polizisten eine Engelsgeduld an den Tag, um die Tripodbesetzerin sicher auf den Boden zu holen. Das war alles, was sie an diesem Tag schafften. "Wie soll das denn dann erst aussehen, wenn es im Danni erst richtig losgeht?", dachten wir uns. Denn dort warteten 500 Barrikaden und tausende Ausbaugegner auf die Polizei.

Startschuss am 1. Oktober

Ausbaugegner verkleiden sich als Clowns und "interviewen" Polizeibeamte mit Karotten. ...

Am 1. Oktober war es dann so weit: Die Polizei startete mit etwa 2.000 Kräften die Räumungen im Herrenwald. Mittendrin: Ein fünfköpfiges-Team von OSTHESSEN|NEWS. Nach ein paar Anlaufschwierigkeiten waren meine Kollegen und ich am Mittag im ersten Sicherheitsbereich. Und das Bild war das gleiche, wie bei unserem letzten Einsatz im September - jedoch mit deutlich mehr Baumhäusern, Medienpräsenz und Autobahngegnern. Drumherum eine Menschenkette aus Polizisten. Und die Autobahngegner, die zu diesem Zeitpunkt nicht auf Bäumen oder Plattformen saßen, schauten ebenfalls dem Geschehen zu oder stellten sich der Polizei in den Weg. Ein Bild habe ich bis heute noch im Kopf: Ein paar der Gegner hatten sich als Clowns verkleidet, stellten sich vor die Polizeikette und "interviewten" sie mit Karotten. Für die einen lustig, für mich einfach nur respektlos. 

So zog es sich hin - Tag für Tag, Waldstück für Waldstück: Polizisten legten einen Sicherheitsbereich fest, dieser wurde geräumt, Bäume gefällt - und das alles unter extremen Widerstand der Ausbaugegner.

Es geht los: Am 1. Oktober starten die Räum- und Rodungsarbeiten im Herrenwald. ...



Tag "X" im Danni gekommen

Anfang November starteten die Arbeiten dann im Dannenröder Forst. "Der Tag X ist also gekommen" haben meine Kolleginnen und ich morgens im Auto gesagt. Immer mit dem gewissen Fragezeichen im Kopf: Wie geht das aus? Wird es quasi einen zweiten Hambacher Forst geben? 

Start im Dannenröder Forst auch für meine Kollegen und mich.

Im Nachhinein kann ich die Frage weder mit Ja, noch mit Nein beantworten. Denn dass die Polizeibeamten täglich von Ausbaugegner angegriffen wurden - sei es mit Fäkalien, Tritten, Beleidigungen oder Steinen - ist Fakt. Doch die Einsatzkräfte - und da schließen auch wir uns von O|N an - bekamen auch den friedlichen Protest zu spüren. Aktivisten, die mit Instrumenten oder friedlichen Demos auf sich aufmerksam machten, waren nämlich ebenfalls an der Tagesordnung. Und was wir als Presse fairerweise dazusagen müssen: Wir konnten mit beiden Parteien, mit Polizei und Ausbaugegnern, immer gut zusammenarbeiten. "Wir freuen uns, dass du wieder da bist", hab ich mehr als einmal von den friedlichen Aktivisten gehört. Umso trauriger ist die Tatsache, dass ein Teil der Baumbesetzer den Dannenröder Wald als ein Schlachtfeld gesehen hat, um ihre Unzufriedenheit der Politik an der Polizei auszulassen. 

Früh ging es am 10. November im Dannenröder Forst los.

Alles in allem schließe ich mich dem Fazit der Polizei an, die den Einsatz als "erfolgreich" betitelt. Denn das war er auch für mich. In dieser Zeit habe ich tolle Menschen kennengelernt, an Erfahrung gewonnen und wir sind als Team noch mehr zusammengewachsen. Auch mir wird der Danni und vor allem die tägliche Berichterstattung live aus dem Wald oder zuhause am Schreibtisch beim Tickern enorm fehlen. 

Doch wie singen es Andrea Bocelli und Sarah Brightman doch so schön: Jetzt heißt es "Time to say goodbye". Zumindest erst einmal mit unserer intensiven Berichterstattung. Denn das Thema A49 und Dannenröder Forst wird uns auch in Zukunft beschäftigen. So viel ist sicher. (Luisa Diegel) +++

Es gab auch friedlichen Protest.


Über Osthessen News

Kontakt
Impressum

Apps

Osthessen News IOS
Osthessen News Android
Osthessen Blitzer IOS
Osthessen Blitzer Android

Mediadaten

Werbung
IVW Daten


Service

Blitzer / Verkehrsmeldungen Stellenangebote
Gastro
Mittagstisch
Veranstaltungskalender
Wetter Vorhersage

Social Media

Facebook
Twitter
Instagram

Nachrichten aus

Fulda
Hersfeld Rotenburg
Main Kinzig
Vogelsberg
Rhön