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Machen eine schwierige Zeit durch: "Campo"-Chef Stefan Wehner (links) und sein Kollege Reginald Bukel vom "Catwalk" im Centhof - Fotomontage: Martin Engel / Weitere Fotos: Martin Engel / O|N-Archiv

FULDA Wenn keiner mehr Klamotten kauft

"Mode ist wie Obst: Liegt sie zu lange, dann wird sie immer weniger wert"

28.01.21 - Selbst der leichteste Wollschal liegt derzeit schwer wie Blei in den Regalen. Denn seit dem zweiten Lockdown geht kaum noch jemand Bekleidung kaufen. "Wir sitzen immer noch auf 50 Prozent unserer Winterware", sagt Stefan Wehner vom Modehaus "Campo" am Platz Unterm Heilig Kreuz in Fulda. Und bei seinem Kollegen Reginald Bukel vom "Catwalk" im Centhof sind es sogar noch 70 Prozent. Dabei wird derzeit bereits die neue Frühjahrskollektion geliefert.

Stefan Wehner vor seinem Geschäft am Platz Unterm Heilig Kreuz

"Im Grunde genommen handeln wir mit verderblicher Ware", sagt Stefan Wehner. "Denn Mode ist wie Obst: Wenn man es zu lange liegen lässt, will es keiner mehr haben. Das ist bei der Mode genauso. Sie müsste eigentlich zum Saisonende abverkauft sein." Und Reginald Bukel ergänzt: "Sie haben gerade bei Winterartikeln auch immer Modefarben und im nächsten Jahr werden diese eben andere sein. Man kann das nicht einfach einlagern und im nächsten Jahr ist alles weg. Einen Großteil davon muss man abschreiben."

Berge von Kleidung: Ein völlig verkorkstes Corona-Jahr

Stefan Wehner und Reginald Bukel sind beide im City-Marketing engagiert. Die Innenstadt ist ihnen wichtig, doch da ist seit fast einem Jahr – mit kurzer Unterbrechung im Sommer und Frühherbst – so gut wie nichts los. "Wir hatten im letzten Frühjahr Berge von Kleidung, dann mussten wir schließen, haben wieder aufgemacht und konnten die Ware nur noch mit großen Abschlägen verkaufen. Und jetzt – im zweiten Lockdown – ist der Zeitraum noch länger", sagt Reginald Bukel.

Trotz verordneter Schließung ließ es sich Stefan Wehner nicht nehmen, das "Campo" ...

Durch die Schließung im Hauptmonat Dezember und den Softlockdown im November habe es starke Umsatzeinbußen gegeben, beklagt Stefan Wehner. "Und jetzt in den Schlussverkaufsmonaten Januar und Februar können wir ebenfalls die Winterware nicht absetzen. Wenn überhaupt, ist sie in späteren Schlussverkäufen nur für einen Bruchteil des Einkaufspreises zu verkaufen."

Nur bedingt eine Option: der Online-Handel

Der Online-Handel sei nur bedingt eine Option, meint der "Campo"-Chef. "Wir verkaufen zwar über Online-Sale, aber das ist nicht zu vergleichen mit den analogen Schlussverkaufsaktionen, die es sonst immer gab. Aber natürlich ist das eine gewisse Chance, und wir müssen uns kurzfristig auf eine Kombination von stationärem Handel und Online einstellen."

Reginald Bukel sieht darin aber auch eine Gefahr: "Viele Kunden kommen vielleicht gar nicht mehr zurück, die in den Online-Handel abgewandert sind und dem dann letztendlich treu bleiben. Wir können nicht erwarten, dass wir irgendwann die Ladentüren aufmachen und alle sind wieder da. Wann wir zum alten Geschäft wieder zurückkehren können, das ist die ganz große Frage."

Das nächste Sorgenkind: die Frühjahrskollektion

"Catwalk"-Chef Reginald Bukel mit einer Angestellten

Nach dem verkorksten Geschäft mit der Winterware, droht nun die nächste Sorge um die Frühjahrskollektion. Stefan Wehner: "Als wir diese im Juli geordert haben, sind wir alle fest davon ausgegangen, dass wir nicht wieder in einen zweiten Lockdown kommen, denn die Politik hat damals versprochen, dass der Einzelhandel nicht wieder schließen müsse. Ich weiß nicht, wann wir wieder öffnen. Die Kanzlerin hat von Ostern gesprochen, aber da ist die Hälfte der Frühjahrssaison schon rum." Und auch Reginald Bukel befürchtet, dass "die neue Kollektion mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits veraltet sein wird, wenn wir wieder öffnen".

Der "Catwalk"-Inhaber steht derzeit in Verhandlungen mit den Herstellern: "Die einen sagen ,Bestellt ist bestellt‘, die anderen ,Okay, wir teilen‘. Die Hersteller sitzen ja auch auf ihrer Ware. Wie aber kann man das alles finanzieren? Das wird schwierig, weil das Dimensionen annimmt, die kaum mehr zu stemmen sind."

Dringend erbeten: Rasche Unterstützung vom Staat

Endlos langes Warten auf Kundschaft

Stefan Wehner und Reginald Bukel hoffen auf eine rasche finanzielle Unterstützung von der Bundesregierung durch die Fixkosten-Regelung und die Überbrückungshilfe 3. "Das darf halt nicht dauern, bis die Beamten des Finanzministeriums aus den Sommerferien kommen, das muss zügig laufen", so Stefan Wehner. "Ansonsten laufen wir große Gefahr, dass die Innenstädte ihr Gesicht verlieren." Und Reginald Bukel ergänzt: "Mit anhaltenden Geschäftsschließungen und mit nur sehr dahin tröpfelnden Hilfen, die teilweise Hürden haben, die von vielen gar nicht überwunden werden können, kann man sich die Folgen ausmalen: Null Einnahmen, laufende Kosten, wenig Hilfen – wie lang kann das wohl gut gehen?"

"Wir müssen jetzt alle an einem Strang ziehen"

Für einen sehr guten Ansatz auf lokaler Ebene, um so schnell wie möglich aus der Krise im Einzelhandel insgesamt, aber auch in der Gastronomie und im Hotelgewerbe zu kommen, hält Reginald Bukel einen kürzlich von OB Dr. Heiko Wingenfeld und der IHK angeregten 5-Punkte-Plan. "Voraussichtlich Ende nächster Woche werden sich alle großen Player an einen Tisch setzen. Dabei geht es um die Fragen: Was kann man für Konzepte nach vorne erarbeiten? Welche Hilfestellungen können die einzelnen Institutionen leisten? Und wie können wir die Mitbürger abholen, damit sie wieder in die Stadt kommen? Wir müssen jetzt alle an einem Strang ziehen, anders kriegen wir diese Kuh nicht mehr vom Eis." (Matthias Witzel) +++


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