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Unterschiedliche Testpraxis: Ist das der Grund für hohe Inzidenz in Fulda?
29.01.21 - Äpfel kann man nicht mit Birnen vergleichen - das lernt man in der Grundschule. Mit den nach wie vor zu hohen Inzidenzwerten im Landkreis Fulda hat das vermutlich durchaus etwas zu tun. Denn nach eingehender Recherche in den Nachbarkreisen hat sich herausgestellt, dass der Umgang mit den Erstkontakten von Corona-Infizierten hier anders gehandhabt wird, als dort. Während das Gesundheitsamt Fulda nach wie vor sämtliche Personen testet, die mit einem Corona-Infizierten in Kontakt gekommen sind, verzichten die anderen Kreise darauf und schicken die so genannten Erstkontakte ohne Krankheitssymptome ungetestet in Quarantäne. So wie es übrigens das Robert-Koch-Institut vorschreibt.
In Fulda sind außerdem nach Angaben des Landkreises rund 200 Personen mit der Erfassung der Erstkontakte beschäftigt, während es in den anderen Gesundheitsämtern offensichtlich wesentlich weniger Personal dafür gibt. Exakte Angaben darüber, wie viele Personen pro Landkreis insgesamt getestet wurden, fehlen generell. Die Recherche in den anderen Landkreisen verdichtet aber die Annahme, dass die unterschiedliche Vorgehensweise bei der Ermittlung und der Testung der Erstkontakte ausschlaggebend für die so eklatant viel höheren Inzidenzwerte im Kreis Fulda sein könnten. Wer viel testet, erfasst statistisch auch die Fälle, die keinerlei Symptome aufweisen - aber natürlich trotzdem ansteckend sind.
Vogelsbergkreis testet nur Personen mit Symptomen
"Jeder Fall ist ein Einzelfall und wird von uns individuell behandelt, dabei gehen wir nach der Symptomatik. Auch die Umstände sind entscheidend. Wenn beispielsweise ein positiver Fall aus einem Altenheim gemeldet wird, werden alle Bewohner und Mitarbeiter getestet", beantwortet VB-Kreissprecherin Sabine Galle-Schäfer unsere Frage nach der Testpraxis.
"Bei einer Ansteckung außerhalb solcher Einrichtungen – also im privaten oder beruflichen Umfeld - gehen wir streng nach den Richtlinien des Robert Koch-Instituts vor. Alle Kontaktpersonen der ersten Kategorie müssen sich in häusliche Quarantäne begeben. Somit wird die Gefahr weiterer Ansteckungen unterbunden – egal, ob getestet wird oder nicht.
Denn eine Testung ist laut RKI nur für K1-Personen vorgesehen, die Symptome zeigen. Symptomfreien K1-Personen, die sich unbedingt testen lassen wollen, ermöglicht unser Gesundheitsamt aber ebenso eine solche Testung."
Dieselbe Praxis im Landkreis Hersfeld Rotenburg
Auch vom Gesundheitsamt des Landkreises Hersfeld-Rotenburg heißt es: "Kontaktpersonen ersten Grades gehen nach RKI ohne Test in die vorgesehene Quarantäne. Im Allgemeinen sind das 14 Tage. Eine Testung erfolgt nicht routinemäßig, da auch ein negativer Test die Quarantänedauer nicht verkürzt. Die Testung asymptomatischer Kontaktpersonen ersten Grades ist immer eine Einzelfallentscheidung. Testungen gibt es beispielsweise bei der Entwicklung von Symptomen oder wenn die Person z.B. aus Personalmangel (Pflege) trotz Quarantäne arbeiten muss.
Asymptomatische Kontaktpersonen zweiten Grades werden nicht routinemäßig getestet. Im Übrigen kann der behandelnde Arzt bzw. die Ärztin bei Krankheitsverdacht auch stets selbst entscheiden, ob er testet."
Auch der Landkreis Offenbach schickt die Erstkontakte ohne Symptome ungetestet in Quarantäne
(Die Antworten nach der Testpraxis im Main-Kinzig-Kreis stehen noch aus.)
"Die Testpraxis im Kreis Offenbach ist analog der Vorgaben des Robert Koch-Instituts sowie der Corona-Test-Verordnung des Bundes. Bei Personen, die Symptome zeigen, trifft diese Entscheidung der behandelnde Arzt. Alle anderen können sich jederzeit, auch asymptomatisch, auf eigene Kosten testen lassen. Der Kreis hat einen Betreiber für ein Testzentrum gefunden." Knappe Antwort auf unsere Frage: Werden alle Kontaktpersonen 1. Grades getestet?
"Prinzipiell können sich alle Personen testen lassen."
Frage: Wie viele Personen wurden im Landkreis Offenbach auf das Corona-Virus von 1.1. bis 22.1. getestet? (keine Schnelltests). Antwort: "Dazu können wir keine belastbaren Zahlen liefern, da sich alle Bürgerinnen und Bürger in einer Arztpraxis ihrer Wahl oder einem Testzentrum sowie weiteren Einrichtungen, auch außerhalb der Kreisgrenzen, testen lassen können. Negative Testergebnisse sind nicht meldepflichtig." Wird aktuell mehr getestet als beispielsweise im November oder Dezember? Antwort: "Dies kann nicht beurteilt werden."
Und was sagt der Landkreis Fulda zu der unterschiedlichen Testpraxis?
"Im Hinblick auf die Test-Entscheidung des Gesundheitsamtes vor Ort eröffnen die RKI-Empfehlungen einen Ermessensspielraum, der pandemiebedingt auszulegen ist. Wir haben bisher immer gesagt, dass im Landkreis Fulda auch asymptomatische Kontaktpersonen getestet werden. Damit gehen wir über die RKI-Empfehlungen hinaus. Das hat den Vorteil, dass die Betroffenen größere Sicherheit erhalten. Zudem werden dadurch Infektionen dokumentiert, die sonst im Dunkelfeld bleiben würden.
Nachteilig ist unter Umständen, dass bei unterschiedlichen Verfahrensweisen die Vergleichbarkeit zwischen Regionen leidet. Dass im Landkreis Fulda auch asymptomatische Kontaktpersonen getestet werden, kann einer der Auslöser dafür sein, dass wir in der Inzidenz höher liegen. Aber nach unserer Auffassung ist es nicht der entscheidende Erklärungsansatz dafür", erklärt Kreissprecherin Leoni Rehnert auf unsere Recherche.
Also doch Äpfel mit Birnen verglichen? OSTHESSEN|NEWS findet die Situation äußerst unbefriedigend und bleibt am Thema dran.(Carla Ihle-Becker) +++