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Das innovative Projekt wird seit einiger Zeit in der niederbayerischen Kommune Dingolfing eingesetzt. - Foto: picture alliance/dpa | Armin Weigel

REGION In Osthessen derzeit nicht geplant

Statt Streusalz: Bald Gurkenwasser auf glatten Straßen?

01.02.21 - Ein ziemlich unkonventionelles Pilotprojekt aus Bayern sorgt derzeit für Aufsehen. Statt das herkömmliche Streumittel, ein Salz/Sole-Gemisch, zu verwenden, das auch auf den osthessischen Straßen gestreut wird, geht die niederbayerische Kommune neue Wege. Gemeinsam mit einem Gurkenhersteller setzt man auf ein innovatives Produkt.

Gemeinsam mit dem Gurkenhersteller Develey setzt das Staatliches Bauamt Landshut das alternative Mittel bereits seit 2019 um - dadurch könne die Umwelt entlastet werden: "Die Umweltbelastung verringert sich erheblich. Das Projekt ermöglicht es, aktuell jährlich bis zu 200 Tonnen Salz einzusparen - und das ohne zusätzlichen Trinkwasserverbrauch. Maximal können 1.000 Tonnen Salz und 10 Millionen Liter Wasser pro Jahr eingespart werden", erklärt Tobias Nagler vom Staatlichen Bauamt auf OSTHESSEN|NEWS-Anfrage.

Die bisher geübte Praxis der Glättebekämpfung werde zunehmend durch die Vermeidung von Glättebildung ersetzt. Als besonders effektive Methode der Vermeidung habe sich die Präventivstreuung bewährt. "Dazu produziert die Straßenmeisterei zunächst eine sogenannte Sole, indem sie in einer hochmodernen Anlage Steinsalz in Wasser löst. Diese so entstandene Flüssigkeit wiederum wird auf die Straßen ausgebracht", so Nagler weiter.

Weniger Salz wird benötigt


Der Vorteil dieser flüssigen Salzsole: Zur Vermeidung von Glättebildung wird weniger Salz benötigt als zum Auftauen vorhandener Glätteschichten. Wird eine Präventivstreuung herkömmlich mit Salz durchgeführt, ist der reine Salzanteil etwa dreimal so hoch wie bei der Flüssigmethode. Die reduziert den Salzverbrauch deutlich, Verluste durch Verkehr oder Wind entfallen. Durch den hohen Wirkungsgrad der Methode können mit stark reduziertem Salzanteil sichere Fahrbahnzustände bis in den nächsten Morgen gewährleistet werden.

Die Entsalzung der Gurken ist bei der Produktion sehr wichtig. Das Nebenprodukt wird ...Fotos (2): Develey

"Das Gurkenwasser der Firma Develey enthält bereits neun Prozent Salz. Salzsole, die Eis zum Schmelzen bringt, benötigt einen Salzgehalt von rund 22 Prozent. Man spart sich also bei der Produktion Wasser und Salz, da ja bereits eine gewisse Basis vorhanden ist", erklärt Nagler zur Umsetzung des Projektes.  

In Osthessen derzeit nicht geplant

Auch bei Hessen Mobil hat man vom innovativen Projekt aus Niederbayern gehört - eine Verwendung in Osthessen kommt allerdings derzeit nicht infrage: "Momentan gibt es keinerlei Bedarf, dieses Projekt auch in unserer Region umzusetzen. Generell haben wir den Grundsatz: Nicht mehr als nötig zu streuen, weil uns die Natur einfach am Herzen liegt. Im nördlichsten Teil Hessens gibt es ein ähnliches Projekt: in Bad Karlshafen ist das dortige Solebad ein guter Partner. Dort wird nach einem ähnlichen Verfahren agiert", erklärt Marco Lingemann, Pressesprecher bei Hessen Mobil.

In diesen Tanks wird das Gurkenwasser aufbewahrt.

Beim Gurkenwasser handelt es sich nicht um das Wasser im Glas der Essiggurken, sondern um das salzhaltige Wasser, in dem die Gurken bis zur Produktion zwischengelagert werden. Die Firma Develey verarbeitet jährlich 17.000 Tonnen Gurken zu Gewürzgurken. Sie landen jeden Sommer zunächst in 1.000 Silos mit Salzlake. Gehen die Gurken dann in die Produktion, bleiben pro Silo rund 10.000 Liter Salzwasser übrig, die von Develey mühsam in der hauseigenen Kläranlage geklärt werden müssen. Allerdings kann auch im Klärprozess das im Wasser enthaltene Salz nicht komplett zurückgehalten werden, wodurch erhebliche Salzmengen in Gewässer gelangen. Mit der Weiterverwendung im Winterdienst wird das Gurkenwasser also einer zweiten Bestimmung zugeführt.

"Man könnte von einer Art Nachbarschaftshilfe sprechen. Die Betriebsgelände unserer Straßenmeisterei in Dingolfing und der Firma Develey liegen direkt nebeneinander. Vereinfacht gesagt: Die einen entsorgen genau das, was die anderen herstellen. Und so haben sich beide Betriebe einfach zusammengetan. Wir verwenden das übrig gebliebene Salzwasser von Develey weiter und verringern so die Gesamtmenge an Salz, das in die Umwelt gelangt – eine Win-win-Situation", gibt Nagler preis.

Besondere Lagerstätte

Das Steinsalz wird in sogenannten Salzlagerhalle, die Sole wird in der Soleanlage gelagert. Zur weiteren Verwendung müssen zunächst Schwebeteilchen aus dem Gurkenwasser herausgefiltert werden. Anschließend wird das Gurkenwasser auf dem Werksgelände von Develey in Tanks aufgefangen und von den angesprochenen neun Prozent auf 22 Prozent "aufgesalzen". Danach liefert ein Tanklaster die gebrauchsfertige Flüssigkeit zur Einlagerung in die Soleanlage der Straßenmeisterei. Das Ausbringen auf unsere Bundes- und Staatsstraßen erfolgt über Streuteller an den Fahrzeugen. Diese Methode hat aber nicht speziell mit dem Einsatz des Gurkenwassers zu tun, sondern wird für alle Streumethoden verwendet.

"Gerade läuft der zweite 'Pilotwinter' mit einer angestrebten Liefermenge von 1.000 Tonnen Sole an fünf Straßenmeistereien im Umkreis von circa 75 Kilometer. Develey hat die Soleproduktion industrialisiert. Die letzte Ausbaustufe erfolgt nächstes Jahr, sodass der Prozess dann zu 100 Prozent automatisch läuft", erklärt das bayerische Unternehmen.

Develey ist Ende 2019 ein Joint Venture mit dem bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr eingegangen, um das im Dingolfinger Werk übrig gebliebene Salzwasser nachhaltig weiterzuverwenden. Dieses wird jetzt zu Sole recycelt und von den bayerischen Straßenmeistereien eingesetzt. Dass die so entstandene Sole ohne Bedenken auf den Straßen aufgebracht werden kann, belegen zahlreiche vorab durchgeführte Tests und ein Gutachten des bayerischen Staatsministeriums. 

"Das Pilotprojekt entlastet die Umwelt erheblich von Salzeinträgen", sagt Michael Durach, Geschäftsführer von Develey. "Wir freuen uns sehr über die Zusammenarbeit mit dem bayerischen Staatsministerium, da das Projekt absolut im Einklang mit der Nachhaltigkeitsstrategie unseres Unternehmens steht." Das Unternehmen ist schon seit Jahren im Bereich Nachhaltigkeit aktiv und 2019 für sein weitreichendes Engagement mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet worden. (Kevin Kunze)+++


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