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Das Gästebuch des Landtages - Fotos: Hessischer Landtag

WIESBADEN O|N im Landtag

Das Gästebuch des Hessischen Landtages: Weltpolitik zu Gast in Hessen

07.02.21 - Das Gästebuch des Hessischen Landtages ist eine Fundgrube. Die Einträge in all den Jahren sind so unterschiedlich wie die Gäste des Parlaments. Und manchmal ist auch die Weltpolitik zu Gast.

Behutsam zieht Karin Caetani den roten Wälzer aus dem Pappschuber. Ein Prachtstück aus Ziegenleder und Bütten. Auf dem Einband prangt in Golddruck der Hessenlöwe. "Es geht sehr interessant los", sagt Caetani aus der Stabsstelle Protokoll und legt das schwere Gästebuch auf den Tisch im blau tapezierten Kabinettzimmer des Hessischen Landtages. Dann schlägt sie den Band auf.

Der erste Eintrag stammt vom 6. Mai 1988. Zuvor gab es kein Gästebuch im Landtag. An jenem Tag vor 32 Jahren trafen sich die Präsidenten der Staats- und Verfassungsgerichtshöfe von Bund und Ländern in der hessischen Landeshauptstadt. Eine der Unterschriften stammt von Roman Herzog, der damals Präsident des Bundesverfassungsgerichts war. Jahre später wird Herzog noch einmal unterschreiben – während seines Antrittsbesuchs als Bundespräsident am 3. Mai 1995.

Einträge des Dalai Lama, des tibetischen Oberhaupts; dieser hier stammt vom 27. Mai ...

Eintrag von „S.E.Yasser Arafat“

Das Gästebuch des Hessischen Landtages, das von der Stabsstelle Protokoll gehegt und gepflegt wird, wurde in den ersten Jahren seiner Existenz nur selten genutzt. Erst nach und nach finden sich mehr Einträge. Freigehalten werden meist zwei Doppelseiten. Auf die erste rechte Seite schreibt eine Kalligraphin nach dem Besuch in Schönschrift den Namen des Gastes und den Anlass seines Besuchs – und fertigt so quasi jedes Mal ein Deckblatt. Auf der zweiten rechten Seite tragen sich die Gäste ein.

Schauspiel- und Opernensembles der Maifestspiele, Datenschutzkommissionen aus dem benachbarten Ausland, Friedenspreisträger aus aller Welt, Staats- und Ministerpräsidenten, Botschafter und Generalkonsuln – so verschieden die Gäste sind, so unterschiedlich verewigen sie sich im Gästebuch. Da gibt es einen gemalten Wandersmann, ein Blümchen, einen gezeichneten Comic-Kopf, aber oft auch bloß Zeilen. Bundespräsidenten zum Beispiel notieren nur ihren Namen auf dem Büttenpapier: Nach Herzog haben sich Johannes Rau, Horst Köhler und Christian Wulff auf den Seiten verewigt. So ist das Gästebuch auch eine Chronik deutscher und hessischer Geschichte der vergangenen drei Jahrzehnte.

Weltpolitik zu Gast in Hessen

Manchmal ist auch die Weltpolitik zu Gast. Im September 1996 kam "S.E.Yasser Arafat" nach Wiesbaden. So steht es in dem Wälzer aus Ziegenleder. An den damaligen hessischen Parlamentspräsidenten Klaus Peter Möller (CDU) und den damaligen hessischen Ministerpräsidenten Hans Eichel (SPD) schrieb der erste Präsident der palästinensischen Autonomiegebiete in arabischer Schrift: "Wir versprechen Ihnen, dass wir die Verwirklichung des gerechten und ewigen Friedens, des Friedens der Mutigen, umsetzen werden." Im Juni 2006 trug sich der frühere Staatspräsident der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, in das Gästebuch des Landtages ein – ein Friedensnobelpreisträger, genauso wie Arafat.

Dass die Einträge der Kalligraphin korrekt sind, ist sehr wichtig. Darauf muss das Protokoll achten, denn Fehler verzeiht das Buch nicht. Karin Caetani seufzt. Wenn sich dennoch einmal ein Fehler in den Band schleicht, muss die Protokollmitarbeiterin handeln. Mit einem Post-it markiert sie die Seite, auf der die Sache korrigiert werden muss. Gott sei Dank passiert das sehr selten. 2017 war der erste Band voll. Das Protokoll erwarb Band zwei. Wieder Ziegenleder, wieder Büttenpapier. Mehr als 1000 Euro kostet so eine handgemachte Kostbarkeit.

Der 3. Mai 1995 muss ein stressiger Tag gewesen sein. "Es gibt so Tage, da springen wir", erzählt Caetani, die aus Wien stammt und seit 15 Jahren für das Protokoll des Landtages arbeitet. Erst kam der damalige Bundespräsident Roman Herzog nach Wiesbaden, wenige Stunden später war der Dalai Lama in der Landeshauptstadt zu Gast. Das Oberhaupt der Tibeter, das Hessen regelmäßig besucht, hat Caetani bei späteren Besuchen tief beeindruckt, weil der Gast den Menschen so zugewandt war. Normalerweise legt Karin Caetani immer einen Montblanc-Füller für die Gäste bereit. Doch was ist zurzeit schon normal? Wegen der Ansteckungsgefahr durch das Corona-Virus geht das nicht mehr. Deshalb hat das Protokoll einen Satz schmucker Kugelschreiber bestellt. Nachdem sich die Gäste eingetragen haben, dürfen sie das Schreibgerät als Andenken behalten. Doch in der Pandemie sind die Besuche im Landtag ohnehin selten geworden. Gerade erst mussten die Antrittsbesuche dreier ranghoher Diplomaten verschoben werden. Karin Caetani hofft nun, dass es bald besser wird. Sie sagt: "Ich habe Entzugserscheinungen." (pm) +++


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