Archiv
Besondere Feste sollen die Innenstädte fördern. Im Bild das Genussfestival auf der Pauluspromenade - vor der Corona-Pandemie - Archivbilder: Hendrik Urbin

REGION Professor Dr. Ing. Thomas Krüger

Wie werden sich unsere Dörfer und Städte verändern? - Antworten vom Experten

11.02.21 - Durch die Corona-Pandemie werden die Diskussionen über die Zukunft unserer Städte und Dörfer forciert. In Zeiten von Homeoffice und Lockdown stellen sich viele Menschen die Frage, wo sie künftig wohnen und arbeiten möchten. Die Nachfrage nach Bauplätzen auf dem Land boomt, viele Neubaugebiete entstehen.

Auf der anderen Seite befürchten die Stadtplaner einen massiven Leerstand in den Innenstädten. Der Online-Handel nimmt zu. Was bedeutet dies für die größeren Städte? In Fulda zum Beispiel beschäftigt sich ein runder Tisch mit Fachleuten aus verschiedenen Bereichen mit dieser Thematik. Die Herausforderungen sind in vielen Regionen in Deutschland ähnlich.

Interessant ist auch der Blick von außen. Wir haben uns mit Professor Dr. Ing. Thomas Krüger unterhalten. Krüger ist Leiter des Arbeitsgebietes "Projektentwicklung und Projektmanagement in der Stadtplanung" an der HafenCity Universität Hamburg. Lesen Sie nachfolgend unser Interview:

Die dörfliche Struktur gewinnt offenbar an Attraktivität. Raus aus der Stadt scheint ein Trend zu sein. Wie sehen Sie die Zukunft der ländlichen Regionen? Welche Voraussetzungen (außer dem schnellen Internet) sind nötig, um Menschen und Unternehmen in die kleineren Kommunen und Dörfer zu locken?

Professor Dr.-Ing. Thomas Krüger, HafenCity Universität Hamburg (HCU) ...Foto: privat

Prof. Dr.-Ing. Thomas Krüger: Sofern die ländlichen Räume nicht von wirtschaftlicher Auszehrung bzw. erheblichem Verlust an Arbeitsplätzen betroffen sind, sind die Perspektiven für ein stärker dezentrales Leben und Arbeiten durch das weltweite Netz und eine verstärkte Digitalisierung von Wertschöpfungsprozessen günstiger denn je. Es werden allerdings nicht viele "Städter" auf "das Land" ziehen, aber wahrscheinlich mehr auf dem Land, insbesondere in  Kleinstädten, Aufgewachsene nach der Ausbildung wieder zurückkehren. Voraussetzung ist, dass Menschen verschiedener Lebens- und Wohnformen und kultureller Präferenzen bzw. "Szenen" sich wohlfühlen, das heißt sich treffen und vernetzen können: mehr sichtbare Vielfalt der Lebensstile.

Wie bewerten Sie die Frage der Mobilität? Ist es realistisch, dass sich alternative Antriebsarten durchsetzen, oder gar der öffentliche Nahverkehr etwa auf der Schiene durchsetzen wird?

Prof. Dr.-Ing. Thomas Krüger: Leistungsfähige und insbesondere auch komfortable Verbindungen im Öffentlichen Verkehr zwischen den Kleinstädten und in die großen Städte sind eine Voraussetzung für die Verkehrswende. Diese werden ergänzt durch individuelle E-Mobilität mit leichten (!) Fahrzeugen bzw. Lasten-, Dreirad- (mit Wetterschutz) und einfachen E-Bikes. Damit lässt sich der größte Teil der individuellen Alltagsmobilität im Nahbereich umweltschonend bewältigen. Fahrbare Wohnzimmer-Sitzgarnituren und Hybrid-SUV's braucht niemand!

Viel Natur - die dörfliche Strukturen in der Region werden immer beliebter attraktiver ...

Die Digitalisierung wird in Deutschland immer wieder diskutiert - wie sehen Sie Deutschland im internationalen Vergleich? Was muss sich verbessern?

Prof. Dr.-Ing. Thomas Krüger: Das ist nicht mein Fachgebiet. Ich kann nur als Nutzer staunen über die im internationalen Vergleich geringe Leistungsfähigkeit der Netze, den geringen Stellenwert, den digitale Kompetenz bisher in der Lehre, nicht nur in Schulen, auch an Hochschulen, hatte - Lehrer:innen sind entscheidene Multiplikator:innen! -, aber auch die vielen massiven Barrieren, die der Datenschutz erzeugt. Das ist gerade in der räumlichen Planung ein echtes Handicap, um gute Lösungen zu entwickeln.

Lockdown, leere Fußgängerzonen, Homeoffice - insbesondere die Händler und Gastronomen in den Innenstädten haben derzeit kaum Umsätze. Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf das Verhalten der Menschen aus?

Prof. Dr.-Ing. Thomas Krüger: Das weiß noch keiner. Ich vermute, dass viele Menschen über ca. 25 auch in Zukunft vorsichtiger sein werden. Zumal zu vermuten ist, dass in einer weiterhin hoch vernetzten Welt, der intensiven Industrialisierung unserer Lebensmittelproduktion und der Durchdringung selbst der einst entlegenen Natur durch die Menschen Viren und Bakterien (und Informationen darüber) zukünftig eine deutlich größere Rolle spielen werden.
Jüngere Menschen dagegen brauchen den, auch engen, Kontakt außerhalb der Familie und ggf. Fremde. Das ist eine anthropogene Konstante und ist gut so. Ihn diesen dauerhaft zu verwehren wird nicht funktionieren und widerspricht der menschlichen Natur. Es ist die Quelle der Evolution.

Viele Händler und Gastronomen befürchten Geschäftsschließungen. Schon vor der Corona-Pandemie diskutieren lokale Entscheider, wie die Innenstädte attraktiver gestaltet werden können. Dr. Heiko Wingenfeld, Oberbürgermeister von Fulda, hat vor wenigen Tagen einen Fünf-Punkte-Plan vorgestellt (Link zum Hintergrund: https://osthessen-news.de/n11642285/wenn-die-buerger-geimpft-sind-dankes-und-buergerfest-nach-pandemie-ende.html ). Ein richtiger Ansatz?

Leere Plätze und Fußgänger während der Corona-Pandemie

Prof. Dr.-Ing. Thomas Krüger: Ich kenne Fulda nicht. Was Dr. Wingenfeld skizziert stimmt allerdings in vielem mit dem überein, was auch ich für richtig halte. Die Stadt muss - prominent vertreten - die Initiative ergreifen und die Akteure der Innenstadt zusammenbringen. Die Innenstadt muss (wieder) der Ort werden, wo es Dinge und Erlebnisse gibt, die es sonst nirgendwo gibt. Ein Ort, wo die Menschen hingehen, weil da "etwas los" ist und es wirklich Neues zu sehen gibt. "Straßenkultur" kann dabei eine entscheidende Rolle spielen. Einkaufen werden die Menschen dann nebenbei auch.

Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht die Anbindung der ländlichen Regionen an die großen Zentren in Deutschland? Stichpunkte sind der Deutschland-Takt der Bahn und der Ausbau von Fernverkehrsstrecken, zum Beispiel Frankfurt am Main-Fulda-Erfurt.

Prof. Dr.-Ing. Thomas Krüger: Vernetzung bzw. Erreichbarkeit (im Umweltverbund) ist absolut zentral (s.o.). Es ist gerade das Potenzial der ländlichen Regionen, sehr hohe Lebensqualität zu bieten, und zugleich Teil der modernen vernetzten Gesellschaft zu sein. (Hans-Hubertus Braune) +++


Über Osthessen News

Kontakt
Impressum

Apps

Osthessen News IOS
Osthessen News Android
Osthessen Blitzer IOS
Osthessen Blitzer Android

Mediadaten

Werbung
IVW Daten


Service

Blitzer / Verkehrsmeldungen Stellenangebote
Gastro
Mittagstisch
Veranstaltungskalender
Wetter Vorhersage

Social Media

Facebook
Twitter
Instagram

Nachrichten aus

Fulda
Hersfeld Rotenburg
Main Kinzig
Vogelsberg
Rhön