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Hanf hatte der Angeklagte angebaut, aber nicht gerade professionell - Symbolbild: pixabay

FULDA Außergewöhnlicher Fall

Amtsgericht: Kein Drogendealer, sondern Marihuana-Züchter aus Mitleid

12.02.21 - Mitleid und Altruismus lautete die nicht vorhersehbare Erklärung für Haschischbesitz und den unerlaubten Anbau von Marihuana. Das war das Ergebnis einer vormittäglichen Verhandlung am Donnerstag vor dem Amtsgericht Fulda. Die Staatsanwältin hatte dem Angeklagten zur Last gelegt, Haschisch und mehrere 100 g Marihuana besessen und in einem Gewächshaus Hanf angebaut zu haben, um das Rauschgift gewinnbringend an Schmerzpatienten weiterzuverkaufen. Doch der verbotene Handel ließ sich dem 46-Jährigen nicht nachweisen, obwohl die Polizei bei einer Hausdurchsuchung diverse Hanfpflanzen, Setzlinge, Drogenutensilien und Betäubungsmittel bei ihm sichergestellt hatte. 

Ausgangspunkt des ungewöhnlichen Verfahrens war eine Polizeikontrolle auf der A 7, bei der der Mann im Juli 2018 keine Papiere vorweisen konnte. Stattdessen fanden die Beamten auf dem Rücksitz seines Wagens knapp 27 Gramm Haschisch. Ein sofort durchgeführter Urintest ergab, dass der Beschuldigte keine Drogen konsumiert hatte, so dass die Polizisten ihn zu seiner Wohnung fahren ließen, wo er seinen Führerschein holen und vorzeigen sollte. Dort angekommen, stellten die beiden Beamten Cannabisgeruch im Hausflur fest, durchsuchten daraufhin die Wohnung des Mannes, wo sie auch fündig wurden. Daraufhin besorgten sie sich telefonisch einen Durchsuchungsbeschluss vom Amtsgericht und inspizierten noch Keller, Obergeschoss und Garten, wo sie ebenfalls BTM sicherstellten. 

Verteidiger Hans-Jürgen Hauschild monierte vor Gericht dieses Vorgehen der Polizisten. Sein Mandant habe ihnen keineswegs freiwillig Zugang zu seiner Wohnung gewährt und sei auch nicht vorschriftsmäßig über seine Rechte belehrt worden. Auch hätten die Beamten ihre Dokumentationspflicht verletzt. Insgesamt stelle deren Vorgehen eine willkürliche und bewusste Umgehung der Vorschriften dar. Der Verteidiger stellte in den Raum, dass der Tatverdacht gegen seinen Mandanten rechtswidrig erlangt worden sei und die sichergestellten Beweismittel deshalb nicht verwertbar seien. Dem widersprach die Staatsanwältin. Der verspätet angeforderte Durchsuchungsbeschluss sei bei dem begründeten Anfangsverdacht nicht ausschlaggebend - die gefundenen Drogen sprächen ja für sich.

Mitleid mit schwer erkrankten Freunden

Die entscheidende Wendung nahm der Prozess, als das Motiv des Angeklagten für den Drogenanbau zur Sprache kam. Was zunächst wie eine vorgeschobene Ausrede klang, überzeugte schließlich Gericht und Staatsanwältin und führte zu einem überraschend milden Urteil. Der nicht vorbestrafte gelernte Gärtner hatte das Marihuana aus Mitleid mit zwei schwer kranken Freunden angebaut, weil das THC ihre Schmerzen linderte. Eine enge Freundin habe nach einem Motorradunfall durch Wundbrand eine stark schmerzende Beinverletzung erlitten, ein enger Freund sei vor kurzem seinem Magen-Darm-Karzinom erlegen. Sie hätten ihn um Hilfe gebeten, weil ihnen das schmerzlindernde Cannabis zwar ärztlich verschrieben wurde, die Zuzahlung ihre knappen Mittel aber überfordert habe. In der Apotheke würden 10 g für 250 Euro gehandelt. Um beiden in ihrer Notlage zu helfen, habe er den Anbau übernommen, selbst aber keine Drogen konsumiert und es auch an niemand anderen verkauft. "Mein einziger Wunsch war, meinen Freunden zu helfen", sagte der 46-Jährige.

Richter Szymon Mazur konstatierte schließlich auch, dass die Aufzucht alles andere als professionell gewesen sei. "Ich will ihren Mandanten ja nicht beleidigen, aber das Zeug war verdammt schlecht!" Es habe weder professionelle Wärmelampen, noch Bewässerung gegeben und sich auch offensichtlich nicht um eine Drogenplantage zum Gelderwerb gehandelt. Der Angeklagte sei kein Schwerverbrecher, er habe keinen Handel betrieben und sich nicht  bereichern wollen, es bestehe auch keine Wiederholungsgefahr. Deshalb blieb es schließlich bei einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 30 Euro. Die Staatsanwältin hatte für eine sechsmonatige Bewährungsstrafe plädiert, der Verteidiger für 90 Tagessätze. (Carla Ihle-Becker)+++


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