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REGION Der Stadtpfarrer bei O|N

Impulse von Stadtpfarrer Buß: Die zehn Gebote Gottes

27.02.21 - Auf die Frage, was das Christentum sei, antwortete ein Junge: "Christentum ist das, was man nicht darf." So denken viele. Und wenn man sie nach dem Grund für diese merkwürdige Ansicht fragt, reden sie oft von den Zehn Geboten: "Da heißt es doch immer: Du sollst nicht!" Was für ein schreckliches Missverständnis! Da hilft nur ein Blick in die Bibel.

Stadtpfarrer Stefan Buß. Archivfoto: O|N / Hendrik Urbin

Und dort finde ich unter der Überschrift "Die zehn Gebote" vor dem ersten "Du sollst" den Satz: "Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus Ägypten, aus der Knechtschaft geführt habe." (Ex. 20,2). Das also steht am Anfang: Ich bin der Herr, dein Gott, der dich befreit hat aus der Sklaverei, von dem, was dich sonst fesselt und dein Leben beherrschen und bestimmen will. Im Grunde geht es in allen Geboten um das erste Gebot (vgl. Ex. 20,3) und um den Gott, der nicht droht oder zwingt, sondern befreit, der Freiheit schenkt.

Der Theologe Ernst Lange (1927 – 74, evangelischer Theologe) nannte sie einst die zehn Artikel der großen Freiheit, die Gott schenkt. Dabei geht es dann allerdings nicht um jene grenzenlose Freiheit, von der manche träumen, als brächte sie ihnen das große Glück. Frei zu sein von allen Bindungen, auch von der Bindung an Gott, das hat noch keinen auf Dauer glücklich gemacht. Auch wenn mancher den Eindruck hat, die 10 Gebote engen das Leben total ein, so eröffnen sie doch, richtig betrachtet, einen erstaunlich weiten Freiraum. Es mag ja Auslegungen gegeben haben, die mehr Gesetz waren als Weisung Gottes, aber die zehn Gebote sind dem Menschen gegeben als eine Lebensordnung Gottes, in der einer dem anderen Raum zum Leben gibt, und nicht das Recht des Stärkeren gilt und die Freiheit des Marktes.

Die Zehn Gebote sind als Lebensordnung für den Menschen gemacht und nicht gegen ihn oder um ihn einzuengen oder zu drangsalieren. Der englische Schriftsteller Gilbert Keith Chesterton (1874 – 1936) erzählte dazu einmal folgende Geschichte: "In Urzeiten spielten die Kinder im Paradiesgarten des Vaters aller Menschen, geborgen und zufrieden. Keines von ihnen fühlte sich eingeengt oder gefangen durch die hohe Mauer, die ihr Jugendglück umgab - bis ein heranwachsender Spielgefährte auf die Mauer aufmerksam wurde und eben dies verspürte: "Man traut uns nicht!" rief er den anderen zu. "Man behandelt uns wie Unmündige! Lasst uns die Mauer abreißen!"

Die anderen folgten ihm nach kurzem Zögern. Doch als sie die Mauer niedergelegt hatten, entdeckten sie, dass ringsum und unmittelbar an ihrem Fuß die Klippen steil ins Meer abfielen. Die Mauer, die sie umfangen hatte, war der Schutz vor dem Tod in der See. Seitdem aber drängten sich die Kinder ängstlich in der Mitte der Insel zusammen. Keines wagt mehr die alten, freien Spiele; ihre scheinbare Befreiung ist ihnen zur Last geworden." Es gibt Grenzen und Begrenzungen, die allererst ein freies Leben ermöglichen. Im Straßenverkehr sind das nicht nur die Schilder mit Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Verboten, sondern vor allem die Leitplanken am Rande. Man braucht sie besonders dann, wenn man von der Straße abzukommen droht. Von der Art sind die Zehn Gebote.

Die negativen Formulierungen haben dennoch eine positive Botschaft. Nicht: dies und das musst du tun, um Gottes Willen zu erfüllen, sondern: dies und das kommt für dich nicht mehr in Frage, wenn du in lebendiger Beziehung zu dem Gott lebst, der es gut dir meint, weil er dich aus der Knechtschaft in die Freiheit führen will. Er ist ein eifernder, aber auch ein barmherziger Gott, eben ein leidenschaftlich liebender Gott, dessen Verhalten sich nicht ausrechnen lässt. Er ist der wahrhaft Freie, der wahre Freiheit gewährt - im Vertrauen auf ihn. (Stefan Buß) +++


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