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Der Vogelsberg, sein Wasser und Frankfurt: "Höchste Zeit, dass Politik eingreift"
13.03.21 - Es ist ein Problem, welches den Vogelsberg seit Jahren belastet: das Vogelsberger Grundwasser, welches nach Frankfurt gepumpt wird. Jahrelang bemüht sich die Schutzgemeinschaft Vogelsberg bereits darum, gemeinsame Lösungen für den Grundwasser-Nutzungskonflikt zu finden. Doch bislang ist nichts geschehen. Für viele Vogelsberger ist das nicht länger hinnehmbar. In einem offenen Brief an Oberbürgermeister Peter Manuel Feldmann, den Magistrat und die Frankfurter Bürger fordert die Schutzgemeinschaft nun endlich zum Handeln auf.
"Die Vorstellungen von Stadtentwicklung der Damen und Herren des Magistrats und des Oberbürgermeisters basieren offensichtlich auf einem grenzenlosen Wachstum – auch beim Wasserverbrauch. Sie sind stolz auf ihren Bauboom und auf ihre Investoren. Sie wollen hunderte von Millionen Euro in Theater, Sportstätten, Schwimmbäder u.ä. Projekte stecken und wollen sogar komplett neue Stadtteile bauen. Und all diese Wasserfresser vollständig mit Trinkwasser versorgen, dessen Herkunft dem Magistrat schlicht gleichgültig ist", ärgert sich die Schutzgemeinschaft in dem offenen Brief.
Eine ganze Reihe an effektiven Konzepten, damit Frankfurt künftig stärker als bisher seine eigenen Wasserressourcen nutzt, haben sie der Stadt bereits vorgeschlagen. Doch diejenigen, die für die Frankfurter Wasserpolitik verantwortlich sind, interessiert das anscheinend wenig. "Sie verweigern sich den erforderlichen Maßnahmen", heißt es aus dem Brief. "So erklärt sich die Umweltdezernentin in Bezug auf eine umweltschonende Bewässerung von Gebäudebegrünung für 'Nicht zuständig'. Das Planungsdezernat fertigt unsere Forderung mit der unsinnigen Bemerkung ab, diese funktionierten nur mit Trinkwasser. Ihr Wirtschaftsdezernent, zuständig für die Wasserversorgung, macht derweil profitable Geschäfte mit dem Grundwasser und antwortet nicht auf unsere Schreiben."
Schutzgemeinschaft fordert Verpflichtungserklärung
Das vor Jahren wiederholt gegebene Versprechen der Stadtpolitik, "umgehend Betriebswassersysteme aufzubauen, um den Naturraum zu entlasten" wäre bis heute nicht einmal ansatzweise eingelöst. "Frankfurts Credo scheint nach wie vor zu sein: Die Metropole wächst, und das Umland hat unter allen Umständen das Wasser dafür zu liefern. Am besten so günstig, dass die Stadt weiter wie bisher Millionen am Wasserhandel verdienen kann."
Für die Schutzgemeinschaft ist klar: "Es ist allerhöchste Zeit, dass die Frankfurter Politik schnellstens effektive Maßnahmen zum Schutz des Naturraums der Fernwasser-Liefergebiete ergreift." Deshalb fordern sie die Politiker auf, eine Verpflichtungserklärung einzugehen, die folgende Punkte beinhaltet:
- Verbot des Aufgebens von städtischen Wasserwerken und ihrer Schutzgebiete.
- Reaktivieren der vollen Kapazitäten aller Frankfurter Wasserwerke, die noch Wasserschutzzonen besitzen für die ortsnahe Trinkwasserversorgung.
- Reaktivieren aller anderen Wasserwerke und Brunnen für die öffentliche Versorgung mit Nicht-Trinkwasser für geeignete Zwecke. Herstellen von sog. Betriebswasserinseln, auch für die direkte Nutzung von Niederschlagswasser vor Ort.
- Installieren einer umfassenden Mainwassernutzung für die Nicht-Trinkwasserversorgung.
- Baugenehmigungen für Neubauten und Umbauten sowie für Freiflächen nur dann, wenn dort ein Leitungssystem für die Nutzung von Nicht-Trinkwasser zumindest für die WC-Spülung und für Bewässerungszwecke installiert wird.
- Verbot der Bewässerung von städtischem Grün, Sportanlagen u.ä. sowie von Begrünungen, die mit städtischen Mitteln gefördert werden, mit Trinkwasser.
- Verpflichten aller Glieder der Frankfurter Wasserlieferkette auf das lückenlose Umsetzen der 'Umweltschonenden Grundwassergewinnung'.
Fernwasserbezug gesetzwidrig
Seit 150 Jahren erklärt sich Frankfurt, am Main und an der Nidda gelegen - und vielerorts mit hohen Grundwasserständen gesegnet - zum Wassermangelgebiet. In der Folge lässt sich die Stadt zu zwei Drittel vom Umland mit Grundwasser versorgen. Seit dem Jahr 2002 ist der überproportionale Fernwasserbezug gesetzwidrig. Denn nach § 50 Wasserhaushaltsgesetz ist eine Fernwasserversorgung nur dann und zeitlich begrenzt zulässig, wenn die ortsnahen Wasservorkommen für die öffentliche Wasserversorgung nicht ausreichen. "Was auf Frankfurt angesichts seines Wasserreichtums nicht zutrifft", so die SG.
"Wir appellieren dringlichst an Sie, mit den entsprechenden Maßnahmen sofort zu beginnen. Investieren Sie umgehend in die ortsnahe Absicherung Ihrer Wasserversorgung. Ein Tankwagen zur Bewässerung von Grünanlagen, der mehr als Feigenblatt dient, reicht bei weitem nicht aus. Wir werden es nicht länger akzeptieren, dass die Frankfurter Politik mit ihrer Untätigkeit die Daseinsvorsorge ihrer eigenen Fernwassergewinnungsgebiete unterläuft", so die Schutzgemeinschaft abschließend. (Luisa Diegel) +++