Archiv

Der Leiter des Fuldaer Stadtarchivs Dr. Thomas Heiler hielt das Einführungsreferat.

Referentin Michaela Queck

08.04.09 - Region

45. Kulturtagung auf dem Volkersberg mit zahlreichen Fachvorträgen zur Geschichte

Bestens besucht war die 45. Kulturtagung des Rhönklub e.V., die am vergangenen Wochenende, erstmals unter der Leitung des neuen Hauptkulturwartes Josef Kiesel aus Bad Kissingen, stattfand.

Mit dem Grundsatzreferat des Leiters des Fuldaer Stadtarchivs, Dr. Thomas Heiler, begann die Tagung. Am Anfang seines Vortrages zitierte Heiler aus Publikationen von Leopold Höhl, Franz Anton Jäger, Joseph Schneider und Wilhelm Heinrich Rhiel, die sich alle vier mit der Rhön im 19. Jahrhundert befassten. Fazit dieser Autoren: ein einfaches, aber schönes Ländchen, aber ein Land der armen Leute. Berichte über die Rhön aus früheren Jahrhunderten liegen kaum vor. Im 18. Jahrhundert habe es überall im Land rechtlose Bauern, behäbige Bürger und prächtige Adelige gegeben. Über das Leben von damals liegen kaum Berichte vor. Im 17. Jahrhundert –also vor der Barockzeit – tobte der 30-jährige Krieg, der das Leben prägte. Hunger und Krankheiten, schreckliche Erlebnisse, die man kaum beschreiben könne, waren an der Tagesordnung. Die Menschen stumpften in ihren Gefühlen und Empfindungen ab. Das Ausmaß der Zerstörung sei nicht messbar. Die Geburtenzahlen erreichten im Jahr 1637 ihren Tiefstpunkt. Erst ab 1654 kletterten sie wieder etwas in „normale“ Bereiche.

Als Quelle für diese Zahlen dienten dem Referenten Steuerzahlen. Interessant waren die Einwohnerzahlen zu Beginn des 17. Jahrhunderts aus unserer Gegend: Fulda zählte im Jahr 1605 nur 3635 Einwohner, Hammelburg 3390, Gersfeld 725 und Brückenau 920. In den Dörfern stiegen die Einwohnerzahlen übrigens nach dem 30-jährigen Krieg schneller wieder an als in den Städten. Die Bauern durften herrenloses Ackerland übernehmen. Wüstungsvorgänge konnten sogar teilweise rückgängig gemacht werden. Das Bild vom rechtlosen Bauern geriet ins Wanken. Im Mittelalter waren die Bauern bekanntlich leibeigen! Heiler zitierte aus Eugen Thomas: „Der Fuldaer Bauer ist ein begüterter, der Abgaben leisten kann, ist gleich einem Bürger....“. Abgaben waren z. B. Martinsgänse, Rauchhühner (wer einen Kamin hatte!), bei Tod des Bauern das „Besthaupt“ (bestes Stück Vieh). Man unterschied Bauern, Hintersiedler und Hüttner sowie Beisassen, die zur Miete wohnten. Ein Hüttner hatte kaum Besitz. Im Jahr 1790 lebten z. B. in Hilders 181 Bauern, 176 Hintersiedler und 183 Hüttner. Ein Bauer konnte durchaus trotz aller Abgaben 200 Gulden reinen Jahresverdienst haben, so dass es ihm möglich war, Geld zu verleihen.

Die reichsten Steuerzahler lebten in Hammelburg und Fulda. Volkers z.B. galt als ärmstes Dorf mit nur 11 „halben“ Bauern. Oft konnte das Land seine Bewohner nicht mehr ernähren (z. B. bei Missernten, Dürreperioden, langen, kalten Wintern). Dann suchte man in den Städten nach geregeltem Einkommen. Aber in der Rhön gab es nur 5 Städte, nämlich Fulda, Hammelburg, Brückenau, Geisa und Hünfeld. Das Leben in den Städten war jedoch nicht besser als auf dem Land. Hier gab es viele alte Bürgerrechte. Das Leben am Hof war ausschweifend. In einer Beschreibung heißt es über Fulda: „Die Stadt ist schmutzig, aber das Schloss ist sehr sauber. Überall herrscht Überfluss im Schloss. Es gibt vorzügliche Weine. Dort leben die größten Trinker Europas.“. Wer am Hofe eine Anstellung erhielt, hatte gewissermaßen einen „Lottogewinn“ gemacht. Der Fuldaer Fürstabt stellte 185 Leute Personal ein, hatte 20 Orchester, mehrere Jäger und Künstler und viele Handwerker. Der Fürstbischof von Würzburg hatte 300 Mann Personal. Es war die Zeit des Absolutismus und unter den Herrschern entbrannte ein Wettstreit. Viele Protokollstreitigkeiten und damalige Vorschriften seien aus heutiger Sicht einfach lächerlich.

Bauwerke des Barock

Michaela Queck aus Bad Brückenau hatte sich die Bauwerke des Barock zum Thema gewählt. Einer der Fürsten des 18. Jahrhunderts habe den Ausspruch getan „Bauen ist ein Teufelsding. Wenn man anfängt, kann man nicht mehr aufhören!“. In Würzburg und Fulda haben die Baumeister Petrini und Dientzenhofer gewirkt. Johann Dientzenhofer entstammt einer Maurerfamilie, seine 4 Brüder waren ebenfalls Architekten. Nach einer Italienreise kommt er als Stiftsbaumeister nach Fulda: Er schuf in Fulda in den Jahren 1704 – 1712 den Fuldaer Dom und das Residenzschloss. Nicht nur in Fulda, auch auf dem Land hat er seine Spuren hinterlassen, u.a. in Burghaun. Der Franziskanerpater Antonius Peyer schuf Kloster Altstadt bei Hammelburg und Kloster Volkersberg, außerdem die Propstei Thulba. Die Wanderfreunde konnten viele Anregungen für ihre Touren zu kulturhistorischen Barockbauwerken z.B. in Zella und Schleid oder Münnerstadt mit nach Hause nehmen.

Bildhauer Johann Joseph Kessler

Im Jahre 1711 wurde in Simmershausen in der Rhön Johann Joseph Kessler geboren. Dieses genialen Bildhauers nahm sich Dr. Karen Schaelow-Weber in ihrem Vortrag an. Der Sohn eines Gerichtsassessors kommt im Alter von 11 Jahren in die Lehre zu Johann Neudecker in Fulda. Dieser nimmt ihm mit nach Hadamar bei Limburg. Dort gab es die Hadamarer Barock-Schule. 1742 eröffnet er eine Werkstatt in Fladungen. Bald finden sich in Königshofen, in Bildhausen und Kleinwenkheim Altäre von ihm. Leubach, Reyersbach und Wegfurt folgen. Seine Altäre sind Licht durchflutet – hell und freundlich. Besonders fleißig zeigt er sich im Raum Königshofen, wo er 1745 hin heiratet und sesshaft wird. Als Höhepunkt seines Fleißes kann das Augustiner Rokoko in Münnerstadt bezeichnet werden. Leider verstarb er bereits im Alter von 48 Jahren an einer Fieberepidemie.

Rhöner Klosterkomponisten

„Rhöner Klosterkomponisten – Valentin Rathgeber und Zeitgenossen“ betitelte Dr. Erasmus Gass aus Oberelsbach seine Ausführungen. Es war in der Tat erstaunlich, was er an musikalischen Talenten zu Tage fördern konnte. Musikbeiträge bei Messen stießen in den Klöstern im 17. Jahrhundert nicht auf Zustimmung. Die Musici nähmen ihren liturgischen Dienst nicht ernst genug. Es habe sogar geheißen: „Figuralmusik ist für die Kirche Unsinn!“. Valentin Rathgeber aus Oberelsbach aber habe die Klöster eines Besseren belehrt. In unglaublichem Fleiß schuf er Messen, Requien und Arien für die musikalische Umrahmung der Gottesdienste. Das Augustinergymnasium in Münnerstadt sei ein Konservatorium gewesen. Dort ist in den Jahren 1650 – 1818 ein Fünftel aller Patres zu Musikern ausgebildet worden.

Jeder 2. Organist kam aus Münnerstadt. Das Gymnasium bot ein umfassendes Musikstudium. Folgende Komponisten gingen aus der bedeutenden Ausbildungsstätte hervor: Eugen Willkomm (1676 – 1744); Pater Valentin Rathgeber (1682 – 1750); Pater Felix Gass (1715 – 1752); Pater Cajetan Bonfig (1730 – 1797) und der Musiklehrer Georg Joachim Hahn (1712 – 1772). Herausragend war Rathgeber, von dem allerdings nur noch wenige Werke erhalten sind. Rathgebers Lebenslauf ist durchaus interessant. Geboren 1682 in Oberelsbach, geht er nach der Ausbildung durch seinen Vater 1685 nach Würzburg. 1703 beginnt er seine theologischen Studien. 1707 wird er aus der Schule verwiesen. 1708 holt man ihn nach Kloster Banz. 1711 wird er zum Priester geweiht. 1729 begibt er sich auf eine Werbefahrt für seine kirchenmusikalischen Werke. Nach neuesten Erkenntnissen hat er das Kloster nicht einfach verlassen, also ohne Erlaubnis. Er ist 9 Jahre lang in den verschiedensten Klöstern unterwegs und muss also ein Schreiben seines Abtes gehabt haben. ER keehrt nach Kloster Banz zurück und legt eine Generalbeichte ab. 1744 weilt er zur Kur in Bad Kissingen. Er ist schwer an Gicht erkrankt. Am 2. Juni 1750 stirbt er.

Besonderes Schmankerl

Zu einem ganz besonderen Höhepunkt der Kulturtagung gestaltete sich das Orgelkonzert am Abend in der Klosterkirche Volkersberg. Dr. Erasmus Gass stellte all die in seinem Vortrag genannten Komponisten an der Orgel vor. Viele Rhön- und Musikfreunde hatten sich eingefunden, um den Klängen der Orgel zu lauschen. Kerstin Kiesel verlas zwischen den Musikstücken Texte über die Komponisten und deren vorgestellte Werke. Dr. Gass kam nicht ohne eine Zugabe aus. Sein Lohn war ein frenetischer Applaus. +++


Die von Regina Rinke mit der Justus-Schneider-Medaille geehrten Baldur Kolb (links) und Josef Laschütza.

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