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Internetbetrug wird immer professioneller: "Es kann jeden treffen"
09.07.21 - Das Internet: Ein virtueller Raum voller Möglichkeiten. Möglichkeiten, die sich auch Kriminelle zunutze machen. Die Form des Warenbetrugs in Kombination mit Identitätsklau ist dabei keine Seltenheit - auch auf Online-Verkaufsplattformen wie Ebay-Kleinanzeigen. "Internetbetrug ist unglaublich vielfältig. Umso wichtiger ist es, auf immer wieder auftretende Maschen hinzuweisen", erklärt Kriminalhauptkommissar Hendrik Mikulasch (38) vom Betrugskommissariat des Polizeipräsidiums Osthessen gegenüber O|N. Gemeinsam mit Kriminalkommissarin und Pressesprecherin Sandra Hanke (29) beleuchten sie das komplexe Thema.
Warenbetrug und Warenkreditbetrug - zwei Tatbestände mit denen Mikulasch in seinem Arbeitsalltag ständig konfrontiert ist. Auf Verkaufsplattformen wie Ebay, Vinted und Facebook Marketplace ist die erste Variante vorzufinden, "am häufigsten ist es aber tatsächlich auf Ebay-Kleinanzeigen der Fall". Ein typisches Szenario: Dort möchte ein Interessent bei einem Anbieter ein Produkt kaufen. Der Verkäufer täuscht eine fremde Identität vor, indem er einen Personalausweis vorzeigt. Der Interessent schenkt der vermeintlichen Verifizierung Glauben und überweist das Geld, erhält aber nie die Ware. "Handys, Spielekonsolen wie Nintendo Switch, Haushaltsgeräte wie Staubsaugerroboter oder Waschmaschinen - es ist eine bunte Mischung."
Zunahme an Fake-Shops
Eine andere Form des Warenbetrugs: Sogenannte Fake-Shops. Das sind Webseiten, die von Betrügern eingerichtet werden, um beliebte Produkte zum Kauf anzubieten - in der Sommerzeit zum Beispiel Pools. "Das hat mit Sicherheit in den letzten Jahren enorm zugenommen. Vor allem wie schnell von der einen Masche auf die nächste gewechselt wird", konstatiert der Experte. Jedoch sei das Ganze schwierig an genauen Zahlen festzumachen, da Warenbetrug durch Fake-Shops statistisch nicht standardisiert erfasst wird.
Warenkreditbetrug: Täter dreht Spieß um
Beim Warenkreditbetrug dreht der Täter das Ganze um. Er bestellt bei einem Verkäufer Ware, die zum Angebot steht, bezahlt das Produkt nach Erhalt aber nicht. "Manchmal kommt noch die Nachfrage, dass die Ware ins Ausland geliefert werden soll", sagt der 38-Jährige. An dieser Stelle gibt es zwei Varianten. "Entweder wird eine Kaufpreiszahlung mit gefälschten E-Mails vorgetäuscht - wir haben es in diesem Fall mit einem gefälschten Absender zu tun - hierzu zählen kleinere wertvolle Gegenstände wie Uhren, Handys und Schmuck." Die andere Variante tritt eher bei größeren Gegenständen wie Möbeln auf: "Der Verkäufer bekommt eine E-Mail von einer vermeintlichen Bank, dass eine überhöhte Zahlung für ihn eingegangen sei, nachdem er aufgefordert wurde, die Ware ins Ausland zu verschicken." Die E-Mail-Adresse ist dabei gefälscht und die Bank existiert in der Form nicht. Danach wird er von einer vermeintlichen Transportfirma aufgefordert, die Transportkosten vorab zu bezahlen, um anschließend das Geld von der fiktiven Bank zu erhalten. Die geforderten Transportkosten sind der Betrugsschaden.
Strafrechtliche Konsequenzen für Betrüger
Eins steht fest: Die Fälle sind im Laufe der Zeit komplexer geworden. Durch die Anonymisierungsmöglichkeiten, die das Internet bietet, sind diese auch gleichzeitig schwerer aufzuklären. Die Professionalität der Kriminellen habe zugenommen. "Die Polizei nutzt jedoch alle Möglichkeiten, die zur Verfügung stehen. Jeder Betrüger lernt dazu, genauso wie wir es tun. Sie passen ihr Vorgehen immer wieder an die Bedürfnisse der Menschen an, um den Opfern ein vermeintliches Gefühl der Sicherheit zu geben", stellt Hanke heraus. Kann ein Täter ermittelt werden, erwarten ihn empfindliche Strafen. "Die Frage der konkreten Tatbeteiligung muss vor Gericht geklärt werden. Grundsätzlich sind bei einer Verurteilung jedoch Geld- und Freiheitsstrafen möglich. Dabei kommt es auf den Einzelfall an. Das heißt zum Beispiel: Wie viele Fälle liegen vor, wie hoch sind die Schäden, wie lange läuft die Masche schon und welche Tatbeteiligung hat die Person", ergänzt Mikulasch.
Tipps der Polizei
Betrug sei eines der wenigen Delikte, von dem jeder betroffen sein kann. Wie kann sich nun jeder Einzelne schützen? "Bei Fake-Shops muss man immer genau schauen, mit wem man es zu tun hat." Eine Recherche im Internet und ein Blick auf das Impressum können da Abhilfe schaffen. "Sind die angegebenen Daten vollständig und plausibel? Bei Unsicherheit kann beispielsweise die Telefonnummer angerufen und die Adresse im Internet überprüft werden", so der Kriminalhauptkommissar. Gefälschte Siegel sind ebenfalls ein Indiz. Hilfreich ist eine Überprüfung der vermeintlichen Gütesiegel auf den Webseiten der Siegelaussteller wie "Trusted Shops". Darüber hinaus ist die Suche nach Erfahrungsberichten und Warnmeldungen, wie auf auktionshilfe.info, empfehlenswert. "Ansonsten sind weitere Tipps auf www.polizei.hessen.de und www.senioren-sind-auf-zack.de vorzufinden."Auch bei den Zahlungsarten können Betrüger bereits aufliegen. "Früher wurde man nur um Vorkasse gebeten. Heute sieht das anders aus. Es wird die Kreditkartenoption angeboten - doch diese funktioniert dann nicht und man wird doch um Vorkasse gebeten", schildert Mikulasch. Ein weiterer Hinweis für alle Geschäfte mit unbekannten Personen im Internet: "Auf gar keinen Fall das eigene Ausweisbild - wenn es nicht notwendig ist - verschicken. Das ist das A & O. Das Risiko ist einfach zu groß, auf Betrüger zu stoßen."
Die beiden Polizisten geben Betroffenen folgendes mit auf den Weg: "Man sollte sich keineswegs als Geschädigter schämen - nur, wenn über das Delikt gesprochen wird, kann man andere Menschen schützen." Betroffene sollten den Sachverhalt anzeigen, das geht auch ganz einfach über die Online-Wache. "Wichtig ist es, den Kommunikationsprozess zum Betrüger per Screenshots zu dokumentieren, E-Mails und Überweisungsbelege aufzuheben - das alles hilft uns in den Ermittlungen weiter."