Lupo muss seinen Fotoladen schließen - "Ich habe jetzt eine neue Berufung"

22.08.21 - Montagmittag im Foto-Studio von Lupo in der Maberzeller Straße. Ein etwas nervöser junger Mann braucht digitale Passbilder. "In fünf Minuten ist mein Termin" - er ist verdammt knapp dran. Ralph Leupolt bringt das nicht aus der Ruhe, routiniert richtet er die Kamera auf seinen Kunden und bittet ihn, zu lächeln. "Ich dachte, das darf man auf den neuen Passbildern nicht mehr", sagt der. "Die meisten Menschen meinen offenbar, dass sie jetzt finster ins Objektiv schauen müssten. Dabei gibt es zwischen breitem Lachen und Todernst doch noch etwas anderes, eben ein freundliches Gesicht", erklärt der Profi und händigt dem glücklichen Kunden zwei Minuten später seine perfekten Bilder aus. 

Mit FZ-Kollegin Anja Trapp am Rosenmontag

Ballfotograf beim Ball der Stadt Fulda

Gerade die geänderten Anforderungen an Passbilder haben zu einem gewaltigen Umbruch in Lupos Leben geführt. "Bis 2025 werden die vorschriftsmäßigen Fotos für Pass und Personalausweis nur noch in den Automaten von Bürgerbüros und Meldestellen erstellt werden, diese Verdienstmöglichkeit für Fotografen bricht also definitiv weg. "Das war bisher unser Hauptgeschäft", sagt der 59-Jährige, der 1978 in der Fotoabteilung von Karstadt am Uniplatz seine Ausbildung als Einzelhandelskaufmann begonnen hat. 1985 wechselte er zum Media-Markt, wo er bis 1994 als Abteilungsleiter der Fotoabteilung arbeitete. "Dann hab ich mich selbständig gemacht und drei Läden geführt", erzählt er, der mit der Kamera umgeht, seit er denken kann. "Und schließlich kam 1996 der erste Auftrag für die Fuldaer Zeitung, das Kelly-Konzert in der Richthalle zu fotografieren", erinnert er sich. Seinen eigenen Namen in der Zeitung zu lesen, war am Anfang richtig aufregend. "Meine Mutter und meine Frau waren so stolz und haben jedes Bild ausgeschnitten!"

Der erste Spatenstich - bei Ralph Leupolt wird richtig geschippt! Alle folgenden 14 Fotos stammen aus Ralph Leupolts Archiv

Die Rammler im Vordergrund, die stolzen Besitzer dahinter - eben nicht das übliche ...

Und Ralph Leupolt macht keine 08/15-Fotos. "Ich musste zu einem Kaninchenzüchter-Verein und hab die Mitglieder gebeten, ihre Rammler in die Kamera zu halten, damit es nicht das übliche Motiv gibt. Bei mir waren die Karnickel im Vordergrund", erinnert er sich. Und bei den vielen ersten Spatenstichen hatten die Amt- und Würdenträger bislang immer steif herumgestanden. "Ich war der erste, der sie aufgefordert hat: Schippt mir mal den Dreck entgegen - das ist längst Standard geworden." Überhaupt war Lupo bemüht, immer eine neue, andere Perspektive bei den Fototerminen zu finden. "Die Redaktion war davon begeistert, denn ein gutes Bild öffnet die Zeitung, heißt es nicht umsonst." Doch die Pressetermine für die FZ bedeuteten, dass er zusätzlich zu Studio und Läden auch noch jedes Wochenende unterwegs war.

Fotofachgeschäfte und Porträtstudios sterben aus

Die FZ will ein Foto zum Thema Handynutzung, da muss die Familie Leupolt mit Mutter, ...

Im Juni 2008 mit Bundespräsident Horst Köhler und dem "schwarzen Hubert" Heil auf ...

"Ein Bild soll ein Gefühl transportieren, dafür muss man ein Auge haben - und den richtigen ...

Stress machten ihm vor allem aber der Kostendruck, die wachsenden Schulden und der Niedergang der Profi-Fotografie durch die Digitalisierung. "Ich hatte teure Maschinen gekauft, die dann keiner mehr brauchte. Fotofachgeschäfte gibt es auch kaum noch, Kameras kauft man im Internet. Familienfotografen und Porträtstudios sind ebenfalls fast überflüssig geworden. Der kontinuierliche Umsatzrückgang nagt an Dir und was du machst, ist nichts mehr wert. Wenn ich nicht so ein optimistischer Mensch wäre, müsste ich verzweifeln", ist seine Einschätzung.

Ministranten im Fuldaer Dom

Schulabschluss von Marien-Schülerinnen - "Ich hab sie motiviert, in den Brunnen ...

Korbflechterpaar auf dem Fürstlichen Gartenfest aus ungewohnter Perspektive ...

Doch der Vater von drei erwachsenen Kindern gibt sich nicht auf und hat neue Pläne. Er wird seinen Laden Ende August schließen, seine Fotoaufträge von zuhause aus managen und sich einer neuen Berufung stellen. "Seit Anfang Mai arbeite ich bei antonius und unterstütze einen jungen Mann mit einer Schwerstbehinderung, der eine 1:1-Betreuung braucht. Das ist zwar anstrengend und fordert mich wirklich, aber ich weiß genau: der braucht mich", erzählt der 59-jährige Quereinsteiger. Einen engen Bezug zum damaligen Antoniusheim habe er schon als Kind gehabt, weil sein Elternhaus benachbart ist, er dadurch schon in seiner Jugend "Inklusion" erlebt hat   und seine ältere Schwester ebenfalls eine Behinderung hat. "Der Umgang in der Gruppe ist wie in einer Familie - und das, was ich an ehrlicher und unverfälschter Zuwendung und Dankbarkeit zurückbekomme, berührt mich und macht mich zufrieden." Gerade war er mit den neun Kindern und Jugendlichen aus seiner Gruppe und anderen Betreuern auf einer Ferienfreizeit und hat die wachsende Nähe genossen. Nicht viele schaffen es, fast am Ende ihrer beruflichen Laufbahn noch mal etwas ganz anderes anzufangen. Ralph Leupolt hat sich quasi neu erfunden - und verdient Respekt und Anerkennung dafür. Für seine Foto-Kunden ist er nach wie vor unter http://www.fotolupo.de erreichbar. (Carla Ihle-Becker)+++