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Ein gekidnapptes Flugzeug (rechts) rast am 11. September 2001 in einen der Zwillingstürme des World Trade Center in New York. - Foto: picture-alliance / dpa | epa afp Macallister

WELTWEIT Kolumne von Hans-Peter Ehrensberger

Momente für die Ewigkeit: Heute vor 20 Jahren war der Angriff auf Amerika

11.09.21 - Man(n) hat ja nun auch schon einige Jährchen auf dem Buckel - und die Reminiszenzen an historische Ereignisse werden mehr. Oder weniger! Je nach Zustand der noch wachen oder nicht mehr ganz so frischen Geistes-Fitness (Herr Alzheimer lässt schlecht grüßen) bleiben dennoch "persönliche Begegnungen mit der Zeitgeschichte" haften - berührende und prägende, verstörende und schöne Erinnerungen.

Persönliche "Berührungen" mit der Zeitgeschichte

Das gegebene (Nicht-)"Wembley-Tor" bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1966 in England am Transistorradio. Dann die für einen Zehnjährigen nur schwer zu ertragenden, damals noch in der Küche einer befreundeten Nachbarsfamilie über das TV flimmernden Schwarz-Weiß- Bilder vom israelisch-arabischen Sechs-Tage-Krieg 1967. Die erste Mondlandung am 21. Juli 1969 um 03.56 Uhr zu deutscher Nachtzeit als Schüler im Schlafanzug auf dem Sofa, jetzt gebannt vor dem eigenen Fernseher hockend und Neil Armstrongs historische Astronauten-Worte hörend: "Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein riesiger Sprung für die Menschheit."

Farbe am Fernseher und im Spiel war fünf Jahre später beim Münchner 2:1-Fußball-WM-Sieg gegen die Oranjes angesagt - das entscheidende Tor "reingemüllert" vom weltbesten Mittelstürmer aller Zeiten. Gott hab’ den nun im Fußballer-Himmel "golden goals" einnetzenden, erst kürzlich verstorbenen Gerd selig. Die Ölkrise Ende der 1970er Jahre bremsten mich und meinen ersten eigenen Pkw so richtig aus, einen grünen, für 1.300 D-Mark gebraucht gekauften Ford Escort. Viel Geld für einen Abiturienten damals.

Die innerdeutsche Grenzöffnung erlebte ich hautnah als Volontär am 10. November 1989 um 3.40 Uhr auf westlicher Seite beim nun durchlässigen und nicht mehr "Eisernen Vorhang" zwischen Eußenhausen und Mellrichstadt, als hunderte freudetrunkene Menschen sich in den Armen lagen und später wochenlang tausende sich gen Westen manövrierende Ossi-Zweitakt-Pappmaché-Porsche zwischen Bad Neustadt und Fulda die Luft bleiern verpesteten, weil sich deren Insassen das Begrüßungsgeld (manche gleich mehrmals) abholen wollten. "Go, Trabi. Go." Und, und, und …

Die Liste individuell erlebter, ganz eigen(artig)er Verknüpfungspunkte mit der jüngeren Zeitgeschichte aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Sport könnte man mit rückblickender, mitunter sentimentaler, von verklärender und Demenz-befreiter (Sicht-)Weise noch um diverse historische Events verlängern. Ein Ereignis wird aber auf immer und ewig unauslöschlich nicht nur im kollektiven globalen, sondern auch im subjektiven Gedächtnis des Verfassers dieser Zeilen als sein schlimmstes, als DAS Schreckensszenario schlechthin fortwährend in seinem bisherigen und künftigen Leben haften bleiben: 9/11! Die Apokalypse des 11. September 2001.

Der Autor Hans-Peter Ehrensberger blättert in einer Sonderausgabe des SPIEGEL, ...Collage: Matthias Witzel

9/11: Reminiszenzen an ein Jahrtausend-Ereignis

Es ist 8.46 Uhr Ortszeit, früher Nachmittag um 14.26 Uhr mitteleuropäischer Zeit, als die erste von Al-Kaida-Terroristen entführte Passagiermaschine, American Airlines Flugnummer 11, in den Nordturm der Twin Towers, der Zwillingstürmen des World Trade Centers, in New York City einschlägt. Als damaliger Redakteur von "Fulda aktuell" saß ich über meinem Aufmacher-Artikel für das kommende Wochenende, als nur kurz danach ein Kollege der Anzeigenabteilung mit Breaking News aus dem Autoradio zu mir ins Büro kommt. "Schalt mal die Glotze ein. Da ist wohl ein Flugzeug in Amerika abgestürzt."

Nach und nach klärt sich das Bild. Das gesamte Verlagsteam klebt am einzigen TV-Gerät in meinem Zimmer. Ans Arbeiten denkt niemand mehr. Stetig steigend wie erschreckend wird das ganze Ausmaß der Katastrophe, für einige "vorausschauende Pessimisten" schon die breite Tragweite der Terror-Tragödie sichtbar. Mit psychedelischer Musik von "Enya" unterlegt, liefert CNN schlimme Live-Bilder vom New Yorker WTC 7, dem Pentagon in Washington und dem vierten zum Absturz gebrachten Airliner bei Pennsylvania weltweit in die Wohn- und Arbeitszimmer des seriös-besorgten als auch sensationsgeil gaffenden Fernseh-Publikums. "Only time".

Und ich blicke eine Dekade zurück. Zehn Jahre. Waren wir nicht …? Ja wir waren! Auf den Tag genau! Am 11. September 1991 sind wir dort oben gewesen! Auf dem WTC. Während einer dreiwöchigen USA-Rundreise. Meine kleine Wenigkeit auf diesen riesigen Türmen, der eine 415, der andere 417 Meter hoch. Mein Bruder. Meine Frau. Im fünften Monat schwanger. Im sechsten hätte sie nicht mehr ins Land gedurft, weil dann einem möglicherweise zu früh geborenen Kind - ob an Land, zu Wasser oder in der Luft - die US-amerikanische Staatsbürgerschaft zugestanden hätte. Vorzug oder Nachteil? Segen oder Fluch? Wohl jeweils die letztere Variante! Dann hätte der Sohn (auch Töchter sind ja mittlerweile beim Militär) möglicherweise bis vor Kurzem Dienst für die US-Army in Afghanistan leisten müssen. Und eine Frühgeburt war damals vor Ort durchaus im Rahmen der Möglichkeiten und Gegebenheiten. Dicht gedrängt, in einem überfüllten und gefühlt mit Lichtgeschwindigkeit nach oben zischenden und unten rauschenden Aufzug, kamen nicht nur Hochschwangere bedrohlich in die Bredouille und schweißgetränkt in Bedrängnis.

Da standen wir also, am 11. September 1991, mit Hunderten von Touristen auf dem bekanntesten, unterdessen, wie wir wissen, traurige historische Berühmtheit erlangt habenden Dach der westlichen Welt. Von allem hatten die Amis (seinerzeit noch) nur das Beste, Größte, Höchste, Schnellste und Weiteste zu bieten. Wir blickten per Fernrohr über die Skyline Manhattans, den Central Park und Chinatown, den Hudson River und Harlem, die Fifth Avenue und auf die Freiheitsstatue.

Zehn Jahre später war "plötzlich alles nichtig und klein", um Reinhard Mey mit seinem Lied aus einem schöneren Zusammenhang zu zitieren. The "american dream" and "way of life" war ausgeträumt, die scheinbar heile zivilisierte,  westlich-demokratisch Weltanschauung lag mit dem Einsturz der Zwillingstürmen nach dem terroristischen Taliban-Angriff in Trümmern, war am Boden zerstört. Dass dies irgendwie, irgendwo und irgendwann schwerwiegende Folgen haben könnte, ahnten alle kurz vor Dienstschluss in unserem Büro in der barocken Bischofsstadt schon damals.

Und daran hat sich bis heute wenig geändert, ist schon gar nichts besser, allenfalls noch schlimmer geworden. Von A bis Z, von Amerika bis Afghanistan, von Bush und Bin Laden über die 20 Jahre Bundeswehr in Kundus und Kabul bis hin zu den zahlreichen Opfern unter der Zivilbevölkerung und einer Zäsur in den multilateralen internationalen Beziehungen.

Ach ja …! Als wir drei Tage zuvor, am 8. September 1991, mit einer Flugschleife über die Millionen-Metropole den New Yorker Airport "LaGuardia" angesteuert hatten, blickten wir nach unten auf die Bronx, die Brooklyn Bridge und weitere Anfangsbuchstaben mit "B". Auf dem Centercourt in Flushing Meadows - verkündete der Boeing 747-Captain per Bord-Mikrofon-Live-Übertragung - habe gerade bei den 111. US-Open im Tennis der Schwede Stefan Edberg gegen den Amerikaner Jim Courier den Titel gewonnen und unseren Boris "Bobbele" Becker als Nummer 1 in der Weltrangliste abgelöst. Gleiches Missgeschick war am Tag zuvor schon Deutschlands Jahrhundert-Sportlerin Steffi Graf passiert. Sie wurde von Martina Navratilova beerbt. Das nur - für Ältere und Jüngere zur zeitlichen Orientierung und Einordnung - am Rande und zum Ende dieser Kolumne bemerkt. As time goes by … (Hans-Peter Ehrensberger) +++


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