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Wer wird bald in das Kanzleramt als Nachfolger von Kanzlerin Merkel einziehen? - Foto: Pixabay

REGION Die "Buntes-Republik" nach der Wahl

Vom laschen Laschet und SPD-Merkelchen Scholz - ein Kommentar

27.09.21 - Das Volk hat gewählt, der Souverän entschieden. Und dennoch ist das Rennen um das Amt des Regierungschefs offener denn je. Wer Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland wird, dürfte sich zur Hängepartie entwickeln, die Verhandlungen zu realistisch zwei (oder doch drei?) denkbaren Koalitions-Alternativen sich möglicherweise - wie Skeptiker befürchten - bis Ostern hinziehen. Nur eines ist bereits am Morgen nach dem Wahlabend klar: Der kommende (in der verfassungsrechtlichen Rangfolge) dritte, in der politischen Realität aber erste Mann im Staate, wurde von fast einem Dreiviertel der Wahlberechtigten nicht (!) auf ihren Stimmzetteln angekreuzt.

So wird vermutlich eine vermeintliche "lame duck" vorerst kommissarisch über das Wohl und Weh dieses Landes bestimmen, wie sie es zuletzt immer häufiger in Wort und Tat, in der überwiegenden Zahl ihrer 16 Dienstjahre indes nicht getan hat. Ganz im Gegenteil! Denn Angela Merkel stand (und steht für eine begrenzte Zeit noch) national wie international für Stabilität, Berechenbarkeit und Verlässlichkeit, hat allen, ja, ich sage bewusst uns allen, in Ost und West mit dem politischen Pragmatismus einer Physikerin, wissenschaftlich kühl analysierend sowie intuitiv abwägend und agierend Frieden, Freiheit, Wohlstand und soziale Sicherheit bewahrt.

Merkels Name wurde zum Synonym für Beständigkeit

Bundeskanzlerin Angela Merkel - nach 16 Jahren endet eine Ära an Stabilität ...Foto: O|N-Archiv

Aus Kohls Mädchen, der von den Rolling Stones besungenen Angie, vom Time Magazine unterdessen zur mächtigsten Frau der Welt gekürt, entwickelte sich Merkel zur "Rauten-Kanzlerin" und mutierte im Laufe ihrer vier Amtsperioden zu einer Art Über-Mutti. Ihr Name stand synonym für Beständigkeit in krisengeschüttelten Zeiten, sie kümmerte sich und setzte Kräfte frei, kristallisierte sich mit ihrem (nur scheinbaren) Konservatismus als einzige Konstante in der westlichen Welt heraus, vor allem aber in unserem Land. Einem Deutschland, dessen Bürgerinnen und Bürgern es nach wie vor und in jeder Hinsicht besser geht als 99 Prozent der Menschen auf diesem Planeten. Das sollte man nicht verschweigen und niemand sollte vergessen, die Frau ausreichend zu würdigen und entsprechend wertzuschätzen.

Erst- und (eigentlich auch die jüngeren) Zweit-Wähler kennen nur diese eine Kanzlerin. Merkel bot auf dem politischen Parkett, außer Putin und seinen grimmigen Kampfhunden, jedem und jeder die Stirn. Selbst Adrenalin-Junkie und Super-Narzisst Donald "Duck" Trump prallte daran ab. Legendär die EU-Krisen-Parties, auf denen sich alle europäischen Staatschefs um die Deutsche scharten; auch hier bestätigte lediglich eine Ausnahme die berühmt-berüchtigte Regel - der neofaschistische Macho-Magyar F…Tor Orban. An solchen Auftritten, diesen Verdiensten und Leistungen wird sich auch der Nachfolger Merkels messen lassen müssen. Nicht an seinen Worten, nein an seinen Taten sollt ihr ihn erkennen und dann in vier Jahren an der Urne oder per Briefwahl wieder bewerten.

Armin Laschet (CDU-Kanzlerkandidat) Foto: O|N-Archiv

Im spannendsten, weil ergebnisoffen, zugleich aber langweiligsten Wahlkampf der jüngeren Vergangenheit, wurde freilich von den Parteien viel politisches Porzellan zerschlagen, überwiegend inhaltsleeres Zeug geschwafelt, mächtig Stuss verzapft. Es wurden unbezahlbare Wolkenkuckucksheime versprochen, mit Trump‘schem Duktus alternative und erschreckend rechtsradikale Fakten verbreitet. "Das ist doch alles Blablabla, Blablabla", fällt mir in diesem Zusammenhang der einprägsame Spruch von Fußballtrainer Thomas Doll ein, auf einer Pressekonferenz als Eigen- oder Traumtor - ganz nach subjektiver Sichtweise - in die Mikrofone geschossen. Bleibt es bei diesen schludrig-schwammigen Aussagen, einer bloßen Ankündigungs-Politik von Polit-Clowns, nicht nur bei den Kleinstparteien, sondern vor allem bei denen am rechten und linken Rand des politischen Spektrums, dann wird es nur Verlierer geben. Unter den politischen Entscheidern, vor allem aber beim gemeinen Volk.  

Ende der Ära Merkel ist eine politische Zäsur

Denn mit der politischen Zäsur, dem Ende der Merkel-Ära, sollte nun auch eine nachhaltige Zeitenwende einhergehen. Nicht alles, was unter Angelas Ägide glänzte, war nämlich Gold. Nachholbedarf auf der politischen Agenda besteht besonders bei den Themen weltweiter (!) Umweltschutz, einer sozialverträglichen Klima-Wende, einer wirtschaftlich vernünftigen Transformation der deutschen Schlüsselindustrien in das CO2-neutrale Zeitalter (das tradierte Qualitätslabel "made in germany" kann in diesem Zusammenhang eigentlich nur der zuletzt bös-stiefmütterlich behandelte, von allen Parteien gegängelte Mittelstand generieren und garantieren), hinsichtlich bezahlbarem Wohnraum für "Otto Normalverbraucher", bei Perspektiven für die heranwachsenden Generationen, in der Renten-, Krankenkassen- und Pflegeversicherungs-Problematik einer immer älter werdenden Gesellschaft, einem vernünftigen Management bei der Bewältigung der gegenwärtigen Corona- und künftigen Pandemien und nicht zuletzt (eigentlich zuerst) bei den internationalen Beziehungen zu den Despoten dieser Welt, einer (neuen) europäischen und (überkommenen) NATO-Militärdoktrin gegenüber Russland, USA und China sowie besonders bei der Entwicklungshilfe für die "Dritte Welt", wo Menschenrechte grausam mit den Füßen getreten und die "human rights" der UN-Charta ad absurdum geführt werden.

Olaf Scholz (SPD-Kanzlerkandidat) Foto: O|N-Archiv

Große politische Fußstapfen also, welche die persönlich und privat eher auf kleinem Fuß lebende (Ex-) Kanzlerin ihren beiden potenziellen Nachfolgern hinterlässt. Und in die vor allem der mit seinem feixenden Flutkatastrophe-Auftritt sich selbst disqualifizierende und auch sonst eher begrenzt visionär und meist lasch wirkende Laschet kaum zu treten in der Lage ist.

Der rote Olaf - das geklonte SPD-Merkelchen

Doch auch die schwarzen Flecken auf der nicht immer blütenweißen Weste dürften dem roten Olaf in der öffentlichen und veröffentlichten Meinung zu schaffen machen, frühere und aktuelle Finanz-Skandale könnten dem bis dato Finanz- und de facto deutschen Prime Minister noch auf die Füße fallen, die Merkel-Schuhe könnten zu groß, der Aufstieg vom Vize- zum Bundeskanzler nur schwer zu stemmen sein. Ich befürchte, dass er - wie bei nahezu allen Wahlkampfauftritten - weiterhin den smarten Scholz spielt, sozusagen auf "Angela soft" macht und man von ihm nach nur einer Wahlperiode in den politischen Nachrufen von dem auf Mann geklonten SPD-Merkelchen sprechen wird.

Es bleibt die vage Hoffnung und der ehrliche Wunsch, dass ich mich irre, und von einem von einem Sozialdemokraten geführten Zweier- oder Dreifarben-Regierungsbündnis vor allem in den oben angesprochenen defizitären Sujets der Merkel-Ära ein Ruck in die richtige Richtung geht. Und aus der Zäsur eine politische Zeitenwende wird. Nicht nur Deutschland- und Europa-, sondern weltweit. 2.0 - am Besten sukzessive gleich in Richtung 4.0!

Das Motto bei der die eigenen Wunden leckenden Union kann angesichts des desaströsen Wahlresultates ehrlicherweise nur lauten: Gestern standen wir am Abgrund. Heute sind wir einen Schritt weiter… (Hans-Peter Ehrensberger) +++


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